„Fear is a powerful thing,
it can turn you heart black you can trust,
it’ll take your god-filled soul,
and fill it with devils and dust“
Kriege fordern viele Opfer. Sie treffen nicht nur Menschen, die währenddessen fallen, sie haben auch erheblichen Einfluss auf Familie und Verwandte des Opfers. Und es gibt noch eine Kategorie jener Menschen, deren Leben durch den Krieg zerstört wird: die Heimkehrer.
Nicht selten leiden diese Menschen, die im Krieg oft gegen ihren Willen und ihre Überzeugungen Befehle ausführten, unter Posttraumatischem Belastungsstress.
Immer mehr widmen sich Filmemacher nun auch diesen Menschen, die indirekt durch den Krieg belastet werden. Konnte man in „Im Tal von Elah“ Tommy Lee Jones dabei zusehen, wie sich seine Moralvorstellungen komplett ins Gegenteil kehren, als er das seltsame Verschwinden seines Sohnes, ein Soldat im Irakkrieg, aufklären möchte, erlebt man nun in „Badland“ das tragische Schicksal eines Heimkehrers.
Mit Drehbuchautor und Regisseur Francesco Lucente war bei diesem Projekt ein Mann am Werk, dem das Thema nahe zu gehen scheint. Als Kriegsgegner ist er auch der perfekte Mann für einen solchen Stoff.
Jerry Rice (Jamie Draven) lebt ein zurückgezogenes Leben am Existenzminimum in einem heruntergekommenen Wohnwagen im Nirgendwo. Das Geld ist knapp, die tägliche Mahlzeit für ihn, seine Frau (Vinessa Shaw) und die drei Kinder ist ungewiss. Das Ver
hältnis in der Familie ist angespannt, seine Frau und seine beiden Söhne scheinen sich von ihm abzuwenden, einzig Tochter Celina (Grace Fulton) steht wirklich zu ihm. Sein knapper Job an einer Tankstelle ist wenig bezahlt, noch dazu wird er nahezu monatlich ungerechtfertigt des Betrugs bezichtigt, was zusätzlich Geldeinbußen verursacht. Niemand, außer seiner Tochter, scheint hinter ihm zu stehen, die soziale Situation macht ihm zu schaffen und die Traumata des Irakkriegs, aus dem er wegen Befehlsverweigerung unehrenhaft entlassen wurde, verfolgen ihn Tag für Tag. Diese Missstände steigern sich, bis er schließlich dahinter kommt, dass seine Frau heimlich sein Geld versteckt und in seiner Gegenwart zu jemandem sagt „Er hätte drauf gehen sollen“. Der am Boden zerstörte Jerry erschießt daraufhin seine Frau und seine beiden Söhne und flieht mit seiner Tochter Celina. Die Flucht desillusioniert ihn immer mehr, hauptsächlich die Liebe seiner Tochter, die trotz der grausamen Tat noch immer vorhanden ist, hält ihn auf den Beinen. Als er in einer Kleinstadt einen Job als Küchenhilfe annimmt, lernt er die Cafébesitzerin Oli (Chandra West) kennen, die ihn auch freundlich empfängt. Gleichzeitig trifft er aber auch auf Max (Joe Morton), ebenfalls Heimkehrer und nun Polizist. Er muss erkennen, dass auch Max unter den Folgen des Krieges leidet. Doch können beide nicht mit der Vergangenheit abschließen und es macht den Anschein, als würden sie langsam aber sicher daran kaputt gehen…
Statt inszenierte Kriegsszenen zu zeigen, beginnt der Film mit ineinander überblendenden Pressefotos, die authentische Momente des Kriegsgeschehens festhalten. Kurz danach wird der Zuschauer bereits mit dem Hauptcharakter Jerry vertraut gemacht, der ihn für die nächsten nahezu drei Stunden begleiten und beschäftigen wird.
Der Film ist nicht frei von Klischees, das zeigt sich gleich hier. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass ein solcher vom Krieg geschädigter Mann desillusioniert ist und deswegen auch ein gewissen Problem mit sozialem Leben hat, als Sinnbild dafür aber einen (auch noch problematischen) Minijob an einer vollkommen verlassenen Tankstelle einzusetzen, bedient doch leicht Oberflächlichkeiten. Nichtsdestotrotz beginnt der Film stimmig, die Lebensverhältnisse seiner Familie werden ziemlich deutlich, wenn er auf den einer Müllhalde gleichenden Platz fährt, auf dem ein wohnwagenähnliches Pappwandhaus steht, in welchem seine Familie wohnt. Die Kinder spielen draußen in ausgebrannten Maschineriefahrzeugen (eine besonders schlagende Symbolik), drinnen werkelt die erneut schwangere, übellaunige Frau. Die folgende halbe Stunde portraitiert die Verhältnisse in dieser Familie, die in der dargestellten Weise nicht einer gewissen Überzeichnung entbehren und in ihrer Härte etwas befremdlich wirken.
Weiterhin macht es der Film einem nicht einfach. Nach dieser halben Stunde wird der Zuschauer gezwungen, den Werdegang einer Person mitzuerleben, die gerade seine Frau und seine beiden Söhne kaltblütig erschossen hat. Es liegt hierbei also nur an der grunddifferenzierten Auslegung dieser Figur, die von Anfang an oder spätestens ab jenem Moment eine gewisse Unbehaglichkeit mit sich herum trägt. So richtig sympathisch wird einem dieser Charakter nie, aber so wirklich hassen mag man ihn auch nicht. Jerrys Trauma des Irakkrieges ließ sein Leben zur Hölle werden und nun begleiten wir ihn bei dem verzweifelten Versuch, wieder ein wenig Ordnung in selbiges zu bringen. Dieser Weg wird von Darsteller Jamie Draven gut ausgefüllt. Er spielt den psychisch Geschädigten mit einiger Unterkühlung, was dazu führt, dass man sich fast nie sicher sein kann, was Jerry momentan denkt. Es ist ein stiller Charakter, der meist hinnimmt, was hingenommen werden muss, der gelegentlich aber auch an Ausbrüchen leidet, wenn er dem Druck nicht mehr standhalten kann. Seine Tochter Celina, wirklich gut gespielt von der kleinen Grace Fulton, ist dabei die Einzige, die ihm wahre Liebe schenkt und ihn das auch spüren lässt. Sie ist natürlich noch ein Kind und begreift einige Dinge nicht, was zu intensiven Vater-Tochter-Gesprächen führt, trotzdem aber ist sie die Stütze am rollenden Wagen. Ihr fester und überzeugter Glaube an Gott bringt immer wieder die Symbolik der Hoffnung ins Spiel. Gott als Zeichen des Standhaltens und des Weitermachens, ohne der Selbstaufgabe zu verfallen, ist eines jener Motive, die sich durch den kompletten Film ziehen.
„Badland“ ist schon allein vom Plakat her eine definitive Anklage gegen den Krieg. Der Aufbau des Films unterstreicht das hervorragend. Es gibt keine Höhepunkte, die man sich szenenweise ansehen könnte, die Handlung steigert sich eruptiv und läuft unter Spannung einem gewissen Höhepunkt entgegen, ohne am Ende wirklich einen zufrieden stellenden Schluss gefunden zu haben. Eine Anspielung auf die (Kriegs-)Politik Amerikas. Ereignis folgt auf Ereignis, Tote folgen auf Tote und am Ende hat man zwar einige Einsichten gewonnen, allerdings ist weder das Vergangene wieder gut zu machen, noch kann jeder Einzelne damit umgehen. Und dass dies kein Ende findet und dass derartige Krisenbewältigungen niemals der rechte Weg sein können, wird auch mehr als deutlich.
Mitunter hat der Film mit einigen Ungefälligkeiten zu kämpfen. Die Frau Oli, die ganz spontan Interesse an Jerry zeigt, ihm den Job hinterher wirft und ihm nach kurzer Zeit schon anbietet, er könne doch bei ihr einziehen und bei Nächten im gemeinsamen Bett müsse ja nicht gleich was passieren, wirkt mitunter etwas sehr konstruiert, gewinnt aber im Laufe des Films an Sympathie. Auch einige Längen lassen sich verzeichnen. Wenn Regisseur und Drehbuchautor Lucente einzelne Szenen bis zum Exzess ausdehnt, obwohl der Kern eigentlich schon offenbart ist, schleicht sich das Gefühl ein, er konnte nicht genau auf den Punkt kommen und versuchte wieder und wieder, seinen Standpunkt in einzelne Sequenzen zu legen, ohne dabei bisherige Versuche zu streichen.
Darüber lässt sich aber wohlwollend hinwegsehen, wenn man im Gegenzug auch minutenlange Szenen bekommt, in denen niemand spricht und einfach schöne Musik das geschehen begleitet. Dies sind Bilder, in denen die Verlorenheit und der seelische Bruch deutlich werden. Nicht zuletzt haben besagte Szenen ihre Wirkung, weil die Landschafts- und Einsamkeitsbilder teilweise in herrlichen Einstellungen eingefangen wurden.
Mit Auftreten des Charakters Max wird deutlich spürbar, in welche Richtung der Film im weiteren Verlauf gehen wird. Max, ebenfalls im Krieg gewesen, zeigt ähnliche Verarbeitungsprobleme, nur versucht er sie noch mit Alkohol herunterzuspülen. Eine Stufe, die Jerry längst überschritten hat. So kommen sich die beiden näher, es deutet sich an, dass beide Männer, die dasselbe Problem verbindet, zu Freunden werden könnten. Doch der Geist des Krieges nagt an beiden und so kommt es zu Problemen und Auseinandersetzungen, und trotzdem bleibt eine stetige Vertrautheit spürbar. Je tiefer diese Bekanntschaft allerdings wird, desto mehr Details findet Max über Jerrys Vergangenheit heraus und was er erfahren muss, schlägt ihm ein tiefes Loch in die ohnehin gepeinigte Seele. Der Konflikt, der zwischen beiden zu entstehen droht, mündet in einen minutenlangen, emotionalen und grausamen Monolog Jerrys, der die Beweggründe offen legt, weshalb er während des Irakkriegs seinen Befehl verweigerte. Die Bekanntschaft dieser beiden Männer geht schmerzlich und unbequem aus, soviel sei gesagt.
Joe Morton („Terminator 2 – Judgment Day“) spielt die Rolle des Max mit Bravour. Er verdeutlicht die innerliche Zerrissenheit in nahezu jeder Sekunde und liefert eine hervorragende Performance und lieferte auch den Song „The Devil’s lonely Fire“.
In der bereits angesprochenen Monologszene Jerrys wird die filmische Qualität deutlich. Keine reißerischen Rückblenden, keine Bilder des Blutes und der Brutalität, einzig und allein ein hervorragender Monolog und die tolle spielerische Umsetzung in einem einen Highway hinauffahrenden Wagen, sprechen hier die Gefühlsebene an .
„Badland“ (dt.: Ödland) ist schon allein durch den Titel eine Kritik an Amerikas Politik. Was gibt es denn noch zu erreichen in einem Land mit einer Politik, welche Menschen gnadenlos verheizt und vollkommen erbarmungslose, unabgewogene Tötungsbefehle gibt? Nur ein verödetes Land, voller knorriger Rückstände und nicht viel mehr als Staub…
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Badland“ sehr intensives, toll gespieltes und vor allem sehenswertes Kino mit kleineren Schönheitsfehlern ist, über die sich aber in Anbetracht der Brisanz und des epischen Ausmaßes der Inszenierung gern hinwegsehen lässt. Die intensive, sich stetig steigernde Handlungsentwicklung nimmt den Zuschauer trotz deiner Längen gefangen und gipfelt am Ende in großer Emotionalität. Bruce Springsteens Song „Devils & Dust“, welcher im Film verwendet wurde, offenbart einen Aspekt, der durchaus als Grundlage für den Charakter Jerrys gesehen werden kann; einen ebenso tragischen wie mitleidvollen Aspekt:
„What if what you do to survive kills the things you love?”