„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
(Erich Kästner)
Der Mauerfall ist noch fünf Jahre entfernt, der DDR-Staat und seine Macht durch ein System aus totaler Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Wir befinden uns im Ost-Berlin des Jahres 1984. Es ist November. Oberstleutnant Anton Grubitz (Ulrich Tukur) bekommt von oberster Stelle den Auftrag, den erfolgreichen Theaterregisseur Georg Dreyman (in einer Paraderolle: Sebastian Koch) überwachen zu lassen, der der Linienuntreue verdächtigt wird. Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (sehr überzeugend: Ulrich Mühe), Grubitz unterstellt und zudem sein Jugendfreund, soll diese Aufgabe übernehmen.
Also wird Posten bezogen und alle erdenklichen Abhörmaßnahmen getroffen, schließlich gilt es, Verdächtiges aufzuspüren. Soweit läuft auch alles ohne größere Schwierigkeiten ab. Erst als der so erfahrene Wiesler herausfindet, dass der ganze OV (operative Vorgang) im Grunde nur mit der attraktiven Freundin und Hauptdarstellerin Dreymans, Christa-Maria Sieland (Glanzleistung: Martina Gedeck) zusammenhängt, beginnt er langsam, das System zu hinterfragen. Denn der Kultusminister, der der jungen Frau hoffnungslos verfallen ist, erhofft sich nichts sehnlicher, als dass nach dem OV belastendes Material gegen Dreyman gefunden und er den lästigen „Rivalen“ in Sachen Liebe schnell los wird. Wiesler, der immer mehr ins Grübeln kommt, ob er wirklich auf der richtigen Seite steht, beg
innt ein gefährliches Spiel, an dessen Ende er nicht weniger als seine eigene Existenz gefährdet.
Florian Henckel von Donnersmarck wählte keine leichte Thematik für seinen ersten abendfüllenden Spielfilm. Seine Geschichte um Liebe, Freiheit und Verrat zu Zeiten eines alles überwachenden Systems ist in erster Linie ein eindringliches Drama, das von hervorragenden Schauspielern getragen wird.
Ulrich Mühe als Stasi-Hauptmann Wiesler, der in das Leben der Anderen eintaucht und erkennt, dass sein eigenes Leben im direkten Vergleich nichts weiter als arm und unbedeutend ist, liefert eine sehr überzeugende Leistung ab. Während Dreyman abends mit seiner Freundin „zugange“ ist, wie Wiesler so schön in seinem Protokoll vermerkt, lässt letzterer sich „bezahlten Damenbesuch“ nach Hause kommen, um die aufkeimende Eifersucht auf das augenscheinlich glückliche Leben des Theaterregisseurs zu kompensieren. Doch die Erkenntnis, dass sein Leben nicht sonderlich glücklich ist, nagt weiterhin an dem Abhörenden.
Den Selbstzweifeln und dem Hinterfragen des Systems – zugegeben: die Wandlung vollzieht sich etwas zu schnell und hätte etwas näher beleuchtet werden können – erwächst schlussendlich der Entschluss, einzugreifen. Wiesler wandelt sich nach und nach zum
guten Menschen – einer der Grundpfeiler der Geschichte –, verschweigt wichtige Informationen, die gegen Dreyman hätten verwendet werden können, und geht gegen Ende des Films sogar soweit, belastendes Material aus der Wohnung des Theaterregisseurs zu beseitigen. Wenn Wiesler am Ende seine Karriere für das Leben der Anderen opfert und ein tristes Dasein im Keller fristet, bis die Mauer schließlich am 9. November 1989 fällt, kommt man nicht umhin, Mitleid für ihn, der er glaubt, richtig gehandelt zu haben, zu empfinden.
Jahre später – inzwischen verdingt sich Wiesler als Zeitungsausträger – sieht er in einer Buchhandlung den Roman
Sonate vom Guten Menschen von dem damals belauschten Dreyman und erkennt, dass es ihm – bzw. seinem Kürzel in den Protokollen der Abhöraktionen, die der Theaterregisseur nach der Wende nun problemlos einsehen konnte, gewidmet ist. Dreyman erfuhr so, dass wichtige Daten vorsätzlich vorenthalten wurden, und wollte sich auf diese Weise bei dem unbekannten Mann hinter dem Kürzel für dessen Handeln bedanken. Und der Gute Mensch erkennt, dass er damals wohl das Richtige getan hat, geht zur Kasse und erwidert verneinend auf die Frage, ob das Buch eingepackt werden solle, dass es für ihn sei.
Was ist gut? Was ist böse? Diese so einfach erscheinenden Fragen bilden die Basis des Films, der trotz Stasi–Thematik mehr als Parabel über die Frage zu verstehen ist, was einen Jeden von uns zu einem guten, besonnenen Menschen macht. Donnersmarck schuf mit
„DAS LEBEN DER ANDEREN“ eine ohne Zweifel sehr eindringliche Antwort darauf. Die Grenzen zwischen Täter und Opfer, die Unterschiede zwischen Lauschendem und dem Belauschten sind fließend; leicht wird aus der vormals Täter-Person diejenige, die zum Opfer mutiert. Zum Opfer ihres eigenen Systems, dessen schonungsloses Vorgehen bisweilen im Film als übertrieben und absurd dargestellt wird. Fernab der lustigen Ostalgie, wie sie noch in „Good-Bye, Lenin“ [2003] zelebriert wurde, beschönigt Donnersmarcks Film nichts. Sicherlich bleibt zu hinterfragen, ob die Methoden früher wirklich derart drastisch waren, wie sie im Film dargestellt werden, doch die einjährige Recherche des Regisseurs und die Gespräche mit Zeitzeugen, auf deren Basis der Film errichtet wurde, sind fast schon Antwort genug.
„DAS LEBEN DER ANDEREN“ ist ein schnörkellos inszeniertes Drama mit Thriller-Qualitäten, das durch seine ruhige, aber dafür umso intensivere Inszenierung besticht. Gekonnt erzählt es uns aus jüngster Vergangenheit, verkommt aber nicht zum langwierigen Lehrstück, sondern wird dem Aspekt, dass es unterhalten soll, absolut gerecht. Einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre und zurecht mit dem Oscar gewürdigt worden. Beeindruckend!