„Wo sind meine 50 Weiber?“ urgiert der blinde Revolverheld Blindman (Tony Anthony).
Die sind ihm nämlich abhanden gekommen. Von einer Art amerikanischen Heiratsvemittlungsagentur wurde er beauftragt die Mädchen zu ihren künftigen Ehemännern, texanischen Minenarbeitern, zu bringen und für sicheres Geleit der holden Weiblichkeit zu sorgen.
Leider wurde er dabei von seinem Partner Skunk übers Ohr gehauen und nun sind die Mädchen in der Gewalt des skrupellosen Banditen Domingo (Lloyd Batista)und dessen Bruder Candy. Die brauchen die Girls wiederrum um einen mexikanischen General und seine Kompanie zu ködern und in die Falle zu locken.
Doch Blindman lässt sich nicht abschütteln, nicht einmal von der schieren Übermacht seiner zu allem bereiten Gegner. Immerhin gilt es seinen Vertrag zu erfüllen und seine in Aussicht stehende Belohnung ist ihm auch nicht ganz unwichtig.
Also wo zum Henker sind jetzt seine 50 Weiber?
Regisseur Ferdinando Baldi ("
Hasse Deinen Nächsten") inszenierte mit „Blindman“ im Jahre 1971 einen seiner besten und unterhaltsamsten Filme: Einen knallharten Spaghetti Western, der einen ungewöhnlich hohen Exploitation – Faktor aufweist.
Und zudem einen außergewöhnlichen Gaststarr hat - Nämlich niemand geringeren als Beatle Ringo Starr in der Rolle des brutalen Candy.
So ist „Blindman“ natürlich zunächst einma
l allein aufgrund der Tatsache, dass Richard Starkey mitspielt, interessant.
Der macht seine Sache wirklich sehr gut, ist er doch der denkwürdigste Charakter des ganzen Films und man wundert sich, warum er nicht öfter im Genre auftauchte – so gut passt er in die Rolle eines mexikanischen Maniacs.
Doch auch abgesehen von diesem Unique Selling Point kann „Blindman“ durchaus überzeugen.
Denn er begeistert den Zuseher mit einer ganzen Reihe guter Einfälle.
Da wäre zum Beispiel die Idee des Revolvermannes ohne Augenlicht, der es trotzdem schafft sich gegen eine aberwitzige Übermacht von Halunken zu verteidigen; ua. mit Hilfe seines Pferdes Jolly Jumper….ääh Boss, das ihm auf Schritt und Tritt folgt und ihn sicher von Ort zu Ort bringt.
Gut, die Figur des Blindman erinnert natürlich an den aus Japan bekannten Zatoichi, den blinden Samurai.
Doch war das japanische Kino schon immer eine Inspirationsquelle für die Macher aus Cinnecitta.
Die völlig ohne Musikuntermalung auskommende Eingangssequenz erinnert ebenso an Leone wie auch ein quietschendes Windrad, das in „Spiel Mir Das Lied vom Tod“ ja schon fast zum Musikinstrument wurde.
1971 waren ja die meisten maßgeblichen und wegweisenden Genrewerke des Spaghetti Westerns von Leone, Corbucci und Co. schon gedreht und so kann sich Baldi natürlich aus einem reichen Fundus von Versatzstücken bedienen.
Jedenfalls ist der Film kein Vergleich zu so manchem anderen reichlich unsäglichen Beitrag Baldis (siehe"
Hasse Deinen Nächsten").
Wobei sicher vieles an der Beteiligung von Hauptdarsteller Tony Anthony liegt, der auch den Großteil des Drehbuchs verfasste.
Größter Kritikpunkt ist die viel zu lange Spielzeit. 102 Minuten klingen jetzt vielleicht moderat, dennoch schafft es „Blindman“ nicht vollends das Tempo, das er in der ersten Hälfte etabliert aufrecht zu erhalten.
Etwas Straffung hätte dem Film durchaus gut getan.
Die zahllosen Gemetzel wirken ab der hundertsten Leiche nur noch ermüdend.
Ja, der Bodycount ist hier irrsinnig hoch. Was auch daran liegt, dass allein Fiesling Domingo eine ganze Armee zur Seite steht und große Teile des Heeres des Generals in die ewigen Jagdgründe geschickt werden.
Genretypisch wird der Hauptdarsteller in zahlreichen Folterungen malträtiert und besonders das sadistische Schlussduell hat es in sich. Jedenfalls hat Blindman seine 18er Freigabe hart verdient.
Zudem ist der Film politisch vollkommen unkorrekt:
Frauen werden hier als Ware angesehen, die weiblichen Darstellerinnen müssen einiges über sich ergehen lassen während die Banditen in schallendes Gelächter ob ihrer Missetaten ausbrechen.
Blindmans „50 Weiber“ werden halbnackt durch die Wüste gejagt und die Hatz auf die holden Maiden wirkt wie eine Büffeljagd.
Klar kann man den Film also einiges vorwerfen.
Er ist trashig, teils geschmacklos und sicher mit dem Prädikat „guilty pleasure“ zu versehen.
Aber mal ehrlich, selbst wer allein den Klappentext der DVD überliegt, wird keinen neuen Leone erwarten.
Trotzdem sollte man Baldis Streifen als hartgesottener Italowesternfan unbedingt gesehen haben.
Er nähert sich der Westernthematik von unten – vom Bodensatz.
Ein schmutziger Film, für alle Exploitationfreunde.
Und egal wie man zu diesem Werk steht, solche Filme werden heute einfach nicht mehr gedreht.
Was manche bedauern und andere wiederum freuen wird.
Aber für die ist diese DVD aus dem reichen Koch Media Spaghetti Western- Fundus ja auch nicht gemacht.
Credit und Copyright Coverfoto/Coverimage:
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