"Let's make money" beginnt mit einer Sprengung in einem Steinbruch in Ghana, Westafrika. Ohne Worte, nur durch Bilder wird uns erzählt, dass hier Gold abgebaut und zu handlichen Barren verschmolzen wird, um anschließend in die Schweiz ausgefolgen und dort gereingt zu werden. Wenn am Ende der Sequenz die glitzernden Goldbarren in einem Schweizer Lagerhaus liegen, folgt die Einblendung: "Verteilung: Afrika 3%, Westen 97%". Wir werden dieses Bild später nocheinmal sehen, in einem etwas anderen Zusammenhang.
Wagenhofer führt in "Let's make money" Fährten fort, die schon in seinem Vorgängerfilm "We feed the world" leise aufgespürt wurden. In seiner Dokumentation über die globalen Wege unserer Nahrungsmittel, stieß er zwangsläufig auf globalisierte Wirtschaft und Geldströme. In "Let's make money" folgt er diesen Strömen und versucht hinter das Motto zu blicken, mit dem uns jede Bank eine Kontoeröffnung schmackhaft machen will - "Lassen Sie ihr Geld arbeiten". Da Geld nicht arbeiten kann, stellt sich die Frage, wer denn dafür arbeitet, dass wir am Ende eines Abrechnungszeitraums plötzlich ein bisschen mehr auf der Bank liegen haben, als wir dort hin gebracht haben.
Was Wagenhofer findet und zeigt ist teils schockierend, treibt einem die Zornesröte genauso ins Gesicht, wie es einem die Kinnlade auf den Boden klappen lässt und ruft aber vorallem fassungloses Kopfschüttlen hervor. Und das obwohl nichts davon neu ist.
Wir wissen alles über die Skrupellosigkeit der Neoliberalisten und deren Versuch den Staat und das Gemeinwesen zu zerpflücken, um darüber verfügen zu können und Profit daraus zu erwirtschaften. Doch hier haben wir einen Entwicklungsökonom, der uns das alles als von langer Hand geplant erklärt.
Wir wissen auch um das Kurzzeitdenken der Finanzwelt, die alles auf den größtmöglichen Gewinn zum aktuellen Zeitpunkt setzt und sich nicht darum kümmert, was die Folgen sind. Hier haben wir Hermann Scheer, Mitglied des deutschen Bundestags, der uns diesen Ablauf in kurzen klaren Sätzen ebenso auffächert wie die Folgen. So werde es bei weiterer Verschlechterung zu einer Selektion zwischen Menschen und Menschengruppen kommen. Wer den letzten österreichischen Wahlkampf verfolgt hat, weiß – das ist näher als man denkt.
Wir vermuten auch schön langsam, dass die Mär, die Globalisierung würde allen auf der Welt den Wohlstand birngen (Wagenhofer hat sogar den Investmentbanker Mark Mobius, der uns das noch einmal erklärt und auch für einige griffige Slogans gut ist) erstunken und erlogen sein könnte. Doch hier haben wir Mirko Kovats, einen der reichsten österreichischen Industriellen, der uns das in drei Sätzen bestätigt. Bei einer Werksbesichtigung in Indien erklärt er uns, dass sich Löhne und Sozialsystem hier nicht so schnell verbessern werden, dafür fehle das Geld. Indien müsse wettbewerbsfähig bleiben und könne es sich nicht leisten, hier Dinge einzuführen, die die Kosten in die Höhe treiben würden. Denn dann würden die Betriebe einfach abwandern.
Wir wissen auch, dass der Westen auf Kosten Afrikas lebt. Doch hier sehen wir was das bedeutet. Weil wir unsere Agrarprodunkte mit Subventionen unterstützen, sind afrikanische Länder gezwungen ihre Rohstoffe zu Billigpreisen auf den Weltmarkt zu werfen. Das Geld reicht nie um das Land zu ernähren, meist nicht einmal um die Schulden an die Weltbank zu zahlen, die durch vom Westen aufgezwungene Strukturanpassungen entstanden sind. Um nicht zu verhungern, bleibt den Menschen nichts anderes übrig als nach Europa zu gehen. "Und wenn ihr 10 Meter hohe Zäune baut – wir werden kommen".
Hier kommen wir zu unserer ersten Montage zurück. Gerhard Schwarz, Uniprofessor und Herausgeber der
Neuen Zürcher Zeitung erläutert uns diesbezüglich, dass natürlich jeder Liberale für ein freies Bewegen von Gütern und Dienstleitungen sei. Bei Menschen wäre das schon schwieriger. Hier müsse man quasi Eintrittsgeld verlangen, wie etwa in einen Tennisclub. Denn wenn jemand in ein Land, oder sagen wir nach Europa kommt, wären ja gewisse Dinge schon da und der Zuwanderer proftiere somit von Dingen, zu denen er nichts beigetragen hat. In diesem Moment schneidet Wagenhofer wieder auf die westafrikanischen Goldbarren in der Schweizer Lagerhalle, die wir schon vom Anfang kennen.
Wagenhofers Dokus sind also ebenso subjektiv und manipulativ wie es zum Beispiel Michael Moores Filme sind. Wir erfahren ganz genau, was der Filmemacher über das denkt was er uns zeigt und wofür er Partei ergreift. Doch Wagenhofer hält sich im Gegensatz zu Moore als Person vollständig zurück. Wo Moore den einfältigen Narren spielt und so seinen Akteuren offenbarende Wahrheiten entreißt, lässt Wagenhofer die Verantwortlichen vor seine Kamera treten und einfach reden, um sie später mit dem Schnitt bloßzustellen. Die Montage ist Wagenhofers stärkstes Instrument um seine Geschichte zu erzählen.
"Let's make money" entwirrt den Filz des globalen Geldmarktes nicht, doch er wirft ein interessantes Spotlight auf diverse Zusammenhänge und Auswüchse (der Irrsinn der spanischen Immobilenblase, das unglaubliche Interview mit einem amerikanischen
economical hitman) des aktuellen Wirtschaftsdenken. Er zeigt uns außerdem, dass tatsächlich alle Player - und je länger man diesen Film sieht, desto mehr erscheint einem der globale Finanzmarkt als nichts anderes als ein gigantisches Casino, in dem eben nicht mit dem eigenen sondern mit fremdem, sprich unserem, Geld gespielt wird – die aktuelle Krise, kommen sahen. Und trotzdem nichts unternahmen, um den aktuellen Gewinn nicht zu gefährden. Wagenhofer legt die Verantwortungslosigkeit, die Gier und den Zynismus dieses Sytems und der darin arbeitenden Personen schonunglos bloß, ohne dabei laut oder heischend zu werden. Er hat die Wahrheit auf seiner Seite.
Was aber an "Let's make money" schlussendlich besticht und uns berührt ist, dass es die echten Menschen aus dem System sind, die uns diese Geschichten erzählen. Geschichten, die wir aus dem Munde Gordon Geckos ("Wall Street") schon vor 20 Jahren gehört haben und wie sie uns in "24", "Syriana" und unzähligen anderen Serien und Filmen wieder und wieder gezeigt werden. Doch hier haben wir die wirklichen Personen. Und dies ist, wie Wagenhofer im Bonusmaterial erklärt, der beste Weg diese Geschichte zu erzählen. Am Ende hat der Film zwar weder das ganze System erklärt noch überblickt, doch maßt er sich das auch nicht an.
Denn vielleicht ist die Erkenntnis ja die der jungen Friedensaktivistin in Oliver Stones "Nixon". Da erklärt ihr Präsident Nixon, er könne das System nicht ändern - das System würde ihn auswechseln würde er das versuchen. Er könne das System höchstens zähmen. Darauf meint das Mädchen: "Das klingt als würden Sie von einem wilden Tier sprechen."