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Eyes of Crystal

Eyes of Crystal

Ein Film von Eros Puglielli

Früher, ja früher erlebte die italienische Filmindustrie tatsächlich mal sowas wie einen Boom. In den 60ern und 70ern entstanden unzählige Italo-Western, Horrorfilme, und natürlich die allseits – also von mir - geliebten Gialli. Leider hat alles mal ein Ende, und so eben auch diese Hochphase des Genrekinos vom Mittelmeer. In den 80er und 90er Jahren versuchte man sich mehr schlecht als recht an den modern werdenden Erotikthriller wie Basic Instinct ranzuhängen, und nur wenige Filme, die man dem Giallo zuordnen kann, erblickten noch das Licht der Welt. Dario Argento hielt noch mit seinen Filmen die Fahne hoch, aber auch bei ihm wurden Alters- und Abnutzungserscheinung sichtbar.

Wir schreiben das Jahr 2004, und der damals 33 jährige Jungregisseur Eros Puglielli dreht als italienisch-spanisch-britische Co-Produktion in Bulgarien einen Film namens „Eyes of Crystal“ - und schafft es auf einen Schlag, den Genrefans neue Hoffnungen zu geben. Der Film mag zwar nicht vor Innovationen strotzen, aber Puglielli kennt seine Vorbilder, hat seine Hausaufgaben gemacht und legt mit diesem Film einen würdigen Neogiallo vor, mit allen Stärken – und auch Schwächen – die das Genre berühmt und beliebt gemacht haben.
Eyes of CrystalEyes of CrystalEyes of Crystal
„Eyes of Crystal“ oder „Anatomie des Grauens“ (so der bemerkenswerte deutsche TV-Titel) handelt von einem Serienkiller, der in einer namenlosen italienischen Stadt (für die der Ostblock gedoubelt hat) umgeht. Nachdem er auf einen Schlag drei Menschen umgebracht hat, wird natürlich die Polizei um Inspektor Giacomo Almadi aufmerksam und ist sich sofort im Klaren, dass man es mit einem Serientäter zu tun hat. Doch nicht nur das: Almadis Freund und Kollege Augusto Ajacco erkrankt an Krebs und muss sich im Krankenhaus einer Therapie unterziehen. Mit fortschreitendem Verlauf der Krankheit beginnen Halluzinationen, und Ajacco erinnert sich immer wieder an seine Kindheit im Waisenhaus, das durch ein Feuer vernichtet wird. Gleichzeitig meldet sich die junge Studentin Giuditta bei der Polizei um Anzeige zu erstatten: sie fühlt sich verfolgt, und ein Stalker hinterlässt ihr perverse Botschaften auf einem Diktiergerät. Hängen alle drei Ereignisse zusammen? Almadi läuft die Zeit davon, denn immer mehr Menschen sterben durch die schwarze Handschuhe des geheimnisvollen Täters...

Liest sich insofern also recht klassisch. Die Morde an verschiedenen Personen, mysteriöse Botschaften (hier: das Tonband), sowie das Geheimnis aus der Vergangenheit. Diesmal basiert der Film nicht auf einem gelb-eingebundenen Groschenroman, sondern auf einen Buch von Luca di Fulvio, das im Juli 2009 auf deutsch unter dem Titel „Der Präparator“ erscheint. Trotzdem weicht Regisseur Eros Puglielli von der klassischen Gialloformel ab. Am interessantesten ist hierbei dann, dass völlig untypisch die ermittelnde Hauptperson ein Polizist ist, während der Mörder viel mehr ein Künstler zu sein scheint. Dies erinnert dann auch deutlich an moderne Serienkiller-Streifen wie Sieben von David Fincher. Das hat natürlich den Vorteil, dass der Film nicht nur die kleine Fangemeinde des Giallo-Kinos anspricht, denn, seien wir ehrlich, heutzutage interessiert sich nur noch eine kleine Gruppe dafür, und im Kino läuft sowas ja schon gar nicht mehr. Und bei der Heimkinoveröffentlichung nehmen sich sowieso nur Liebhaberlabels wie Koch Media diesen Filmen an, insofern ist es sicherlich eine gute Entscheidung gewesen, den Film nicht komplett als Giallo aufzuziehen.
Eyes of CrystalEyes of CrystalEyes of Crystal
Denn nicht nur, dass die Hauptperson ein Polizist ist, auch das Vorgehen des Killers erinnert an moderne Krimis. Während bei klassischen Gialli zwar häufig breit ausgewalzte Mordszenen zu begutachten waren, sind diese in Eyes of Crystal eher kurz und knackig, da es mehr auf den Modus Operandi und das Nachspiel ankommt. Der Killer hier tötet seine Opfer nicht nur, er sammelt dazu auch noch Körperteile und ersetzt diese mit künstlichen Gliedmaßen. Darüberhinaus verziert er so manche Leiche noch etwas, so dass die Freigabe ab 18 im großen und ganzen wohl in Ordnung geht, eine Freigabe ab 16 es aber wohl auch getan hätte, gerade wenn man an das kleine aber feine, aber sehr saftige Christopher-Lambert-Vehikel und Sieben-Ripoff Ressurrection denkt. Ankreiden kann man dem Film ganz in wunderbarer Giallo-Tradition dann natürlich, auch gerade in diesem Punkt der Morde und Ermittlungen, das Drehbuch und die Entwicklung der Geschichte. Die Ermittlungen der Polizei bringen dem Film eigentlich überhaupt nichts, erst gegen Ende, als man die Adresse herausfindet (dass der Killer hier aber diese Adresse benutzt ist auch eher fragwürdig), wird tatsächlich mal sowas wie ermittelt. Auch steht der erste Dreifachmord in etwas fragwürdigem Gesamtzusammenhang, und die Nebenhandlungen um Ajacco und Giuditta werden dann zwar mit der Story verknüpft, sorgen aber auch manchmal für Leerlauf. Und die Motivation des Killers ist...nunja...dem Genre angemessen, drücken wir es so aus. Immerhin wird nicht mit faulen Tricks wie bei Cat o'nine Tails von Maestro Argento gearbeitet, sprich, man hat den Killer auch schonmal gesehen.

Aber was solls. Holpernde Drehbücher, fragwürde Plotpoints, rote Heringe und wenig helfende Hinweise auf den Killer (gleich zu Beginn wird klar, dass ihm ein kleiner Finger fehlt), all das kennt man, und man mag es auch, sieht man das als Reminiszenz an die großen Vorbilder. Eyes of Crystal vereint also viele Schwächen der traditionellen Gialli, aber besitzt auch deren Stärken, namentlich die Erfüllung der Formel „Style over Substance“. Und wieviel Style das Ding für einen Film eines 33 jährigen Regisseurs hat, ist schon wahrlich sehenswert. Puglielli zitiert nicht nur aus Argentos Werken, er bedient sich szenenweise sogar bei der Shutter- und Wackeloptik eines Der Soldat James Ryan. Insgesamt erreicht er zwar nie die magischen Kameramätzchen aus der Hochphase des Genres, aber der Film ist immer inspiriert, kreativ und durchdacht fotografiert, und wird von dem kongenialen Score untermalt. Darüberhinaus ist der Film zu weiten Teilen auch enorm spannend, eigentlich jeder, auch Amaldi selbst, ist verdächtig (hierbei muss ich dem verehrten Kollegen Dr. Acula widersprechen, der von nur zwei Verdächtigen spricht). Allerdings dezimiert Puglielli manchmal auch zu schnell den Kreis der möglichen Täter, sei es durch Tötungen oder dass derjenige einfach nicht am Tatort sein konnte.
Eyes of CrystalEyes of CrystalEyes of Crystal
Auf DVD gibt’s den Film inzwischen spottbillig aus dem Hause Concorde, wie gesagt im 18er Regal. Er trägt auch den englischen Titel „Eyes of Crystal“ und nicht etwa den deutschen Titel „Anatomie des Grauens“. Bild gut, Synchro angemessen, Ton gut. Den gibt es auch gleich auf deutsch, englisch und italienisch, wobei ich mir die englische Tonspur bisher nicht angehört habe. Als Dreingabe gibt es noch ein paar Tailer sowie ein Making-Of.

Fazit: „Eyes of Crystal“ ist ein stellenweise unlogischer Neogiallo, der aber trotzdem sehr sehenswert ist. Enorm spannend, wunderbar gefilmt und musikalisch brillant untermalt sorgt der Film für 100 Minute beste Kimithriller-Unterhaltung. Und eignet sich als moderner, entschlackter Giallo-Light mit dicken Serienkiller-Elementen auch für Neulinge des Genres.

Und es ist einfach wunderbar, einen Schauspielveteranen wie Simon Andreu auch mal in einer modernen Produktion zu sehen – gerade wenn sie aus diesem Genre kommt, immerhin spielte der gute ja auch in alten Gialli wie Die Nacht der rollenden Köpfe oder Death walks at Midnight mit.

Eine Rezension von David Kugler
(09. März 2009)
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Daten zum Film
Eyes of Crystal Italien, Spanien, Großbritannien 2004
(Occhi di cristallo)
Regie Eros Puglielli Drehbuch Luca Di Fulvio, Gabriella Blasi, Franco Ferrini, Eros Puglielli
Produktion Rai Cinemafiction, Cattleya Kamera Luca Coassin
Darsteller Luigi Lo Cascio, Lucía Jiménez, José Ángel Egido, Simón Andreu, Eusebio Poncela, Desislava Tenekedjieva
Länge 107:13 FSK 18
Filmmusik Francesc Gener
Kommentare zu dieser Kritik
Damocles TEAM sagte am 09.03.2009 um 13:42 Uhr

Der Film kommt am Dienstag, 10.3.09, um 00:20 (also quasi Mittwochs) unter dem Titel "Anatomie des Grauens" auf Tele 5.
Einschalten!
Damocles TEAM sagte am 11.07.2009 um 17:57 Uhr

Der Film kommt heute nacht erneut um 00:10 auf Tele 5.
Damocles TEAM sagte am 12.12.2009 um 11:14 Uhr

Und der Film kommt heute wieder!
Wieder auf Tele 5!
Wieder m 00:10!

Einschalten!

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