Noch bevor „
The Riffs - Die Gewalt sind wir!“ zu dem kleinen Hit wurde, der er später sein sollte, begann Enzo G. Castellari mit den Dreharbeiten zu einem weiteren Endzeitfilm: in knapp zwei Wochen schrieb er zusammen mit Tito Carpi das Drehbuch zu „Metropolis 2000“ und filmte diesen innerhalb von knapp 6 Wochen gerade außerhalb Roms (sogar nur schlappe 15 Minuten von seiner eigenen Haustür entfernt). Hätte man damals schon gewusst, wie erfolgreich „Bronx Warriors“ werden würde, hätte man sicherlich das Budget erhöht. So bleibt ein arg limitierter Endzeit-Streifen italienischer Bauart, der aber dank Enzos Regie und dem Talent auf Seiten der Ausstatter doch unterhalten kann, auch wenn das übliche Dauergeballere schnell nervt.
Denn auf einen Plot im klassischen Sinne verzichtet Castellari mal wieder (er begründet dies übrigens damit, dass er aus Budgetgründen keine elaborierte Geschichte erzählen konnte; scheinbar ist Action billiger...): im Jahr 2019 ist der Atomkrieg schon vorbei, die Überlebenden leben in versprengten Gruppen in der nuklearen Einöde. Terrorisiert werden sie von den Templars, einer pseudoreligiösen Bande unter Führung von One (George „Maneater“ Eastman!). Als seine Bande die hübsche Alma und ihren Begleiter überfallen, legen sie sich mit dem falschen an: Einzelkämpfer Scorpion rettet die Schöne und beginnt einen blutigen Feldzug
gegen die Schergen des Bösen. Unterstützt wird er dabei vom Bogenschützen Nadir (Fred Williamson!), und gemeinsam macht man sich auf, die Terrorherrschaft von One über die Kiesgruben des italienischen Hinterlands zu brechen...
Heidewitzka fährt uns Castellari hier wieder ein Machwerk auf die Bühne! Und „fahren“ ist das richtige Stichwort: mit „Metropolis 2000“ (aka „The New Barbarians“) legt Castellari uns sein eigenes Plagiat von „Mad Max 2“ vor, gepaart mit der üblichen Portion italienischen Wahnsinns. Scorpion schürt dabei mit einer – pardon – ultrageilen Karre durch die Gegend, einem schwarzen Muscle-Car der 70er, gepimpt mit allerlei Schmonzes, bei dem die kindliche Verspieltheit Castellaris durchscheint. Das Teil besitzt Raketen, Maschinengewehre, eine absprengbare Fahrertür (warum sollte man sowas brauchen?) und bekommt später noch einen gigantischen Bohrer spendiert – einzig die Glaskuppel auf dem Dach ist etwas übertrieben. Aber auch die Bösen dürfen in Geländebuggys und Motorrädern mit allerlei Extras rumfahren, wie etwa Flammenwerfern oder Enthauptungsmaschinen! In den Verfolgungsjagden beweist Castellari hier auch wieder sein Talent, mit minimalen Mitteln und begrenzten Locations doch einiges an Spannung und Action zu erzeugen.
Und zimperlich geht es dabei auch nicht gerade zur Sache. Wie üblich sterben wieder ziemlich viele Leute, und im Kugelhagel eingestreut finden sich immer wieder kleinere Gore-Highlights, die wirklich ziemlich rabiat daher kommen. Besonders Fred Williamsons Bogen mit Explosivpfeilen („Metropolis 2000“ entstand aber vor „
Rambo 2 - Der Auftrag“) entfalten immer wieder ihre destruktive Wirkung und sprengen (ziemlich überzeugende) Dummys in ihre Einzelteile. Und ein anderer Bösewicht darf gar sein Leben aushauchen, indem er bei voller Fahrt sein Gesicht in den Reifen gedrückt bekommt. Die meisten der erschossenen Leute sterben aber eher unblutig, so dass diese Eskapaden doch für Aufmerksamkeit sorgen. Ebenso bemerkenswert ist die Waffenwahl: Maschinenpistolen geben Sounds von Lasern von sich, während die Pistole von Scorpion offensichtlich aus dem Spielzeugladen stammt, dafür entweder Baddies umnietet wie eine Magnum, oder gleich vollkommen zu Explosionen führt. Vollends schmuddeliges Terretorium beschreitet „Metropolis 2000“ dann, wenn unser Held gefangen genommen, gefesselt und anschließend von George Eastman höchstselbst vergewaltigt wird! Ääääh, ja.
Die besondere Wirkung entfaltet der Film dann wieder aus seiner stellenweise recht rohen Gewalt, gepaart mit seinem kindlichen Charme und ausstatterischem Wahnwitz. Allein die Köstüme der Templars sind vollkommen zum Schießen! Wie frisch aus einer niemals gesendeten Raumschiff-Enterprise-Episode stolzieren sie in weiß mit
riesigen Schulterpolstern durch die Kiesgruben, mit Irokesen-Frisuren und läppisch zusammengeschraubten Buggy, als ob es keinen Morgen gäbe. Die ehemalige Miss Italien Anna Kanakis (hübsche Frau) trägt gerade im Beinbereich einen Hauch von Nichts, und Fred Williamson als Bogenschütze ist in Endzeit-Galore-Lederkluft unterwegs; da wirkt das Outfit unseres Helden fast schon langweilig. Und immer wieder findet man kleine Details, bei denen man sich denkt: „Da hätte ich gern mehr drüber erfahren!“ So zeigt beispielsweise der Weltraumanzug (?) zu Beginn des Filmes bei einem offensichtlich weiblichen Skelett eine Art transparenten BH für die Brüste -Wahnsinn! Und -
minor spoilers – die kugelsichere „Weste“ im Finale (das schamlos „
Für eine Handvoll Dollar“ zitiert) sorgt auch eher für Belustigung; eine aufgeblasene Frischhaltefolie schützt also vor modernen Wummen, so so.
Überhaupt hat Castellari gefühlsmäßig ein Western-Drehbuch genommen und einfach in die Endzeit portiert; dass dies gut klappen kann, zeigt etwa auch der deutlich modernere „Book of Eli“. Zwar fahren die Protagonisten zwar in diesen modernen Buggys rum und leben in leicht futuristischen Camps (wie gesagt: die Ausstattung kann das niedrige Budget ganz gut kaschieren), aber praktisch hat man es mit einem Western zu tun. So hakt Castellari nicht nur viele bekannte Westernszenarien ab, sondern bedient sich auch an der Bildsprache dieser. Was ja auch nicht unbedingt verwundert, sind die Poliziesci doch auch nur Modernisierungen der Western. Leider befindet sich im Cast aber auch eine ganz besonders schlimme Figur: Giovanni Frezza, sicherlich der allerschlimmste Kinderdarsteller des italienischen Genrekinos, haut auch hier eine kleine Rolle und hilft in einer Szene sogar Fred Williamson aus der Patsche, den das sichtlich nervt. Denn nervig ist dieses Kind ungemein, die Nemesis des italienischen Schunds – und das sagt einiges!
Famous last words: „Metropolis 2000“ ist mal wieder ein kindlich-naiver Endzeitcomic in bester Castellari-Manier. Null Handlung, volle Action. Grelle Kostüme gepaart mit bunter Austattung, garniert mit gut gemachten Gewaltspitzen – doch, macht Spaß, kann aber auch szenenweise etwas langweilen.