„Jedes Jahr werden in Amerika 10.000 Menschen mit einer Schusswaffe getötet. Über 2.000 Menschen werden erstochen. Hmmhmmhmm. Amerikaner haben einfach keine Fantasie!“
Die Bewohner Slowakais sind diesbezüglich offenbar einfallsreicher, man betrachte doch die Gitterwand mit den verschiedensten Folterinstrumenten, welche in dem zitierten Trailer in langen Nahaufnahmen angeboten werden. Auch Eli Roths neuster Streich erweist sich als eine durchaus einfallsreiche Fortsetzung des kommerziell sehr erfolgreichen ersten Teils (80 Mio. US Dollar weltweit).
Dabei läuft Hostel II schon zu Beginn Gefahr, im Erzählmuster und dem Plotinhalt lediglich ein Abklatsch vom ersten Teil zu sein. Zunächst wird der offene Schluss des Vorgängers, nämlich die Geschichte des einzigen Überlebenden Paxton (Jay Hernandez) zu Ende erzählt. Paxton gelang mit dem Zug die Flucht aus der Slowakei und er kommt unbeschadet in Paris an. Jedoch ist sein Entkommen nur kurzfristig von Erfolg gekrönt, die Anhänger des internationalen Foltervereins, die ihre Folterbastion in der Umgebung von Bratislava eingerichtet hatten, haben ihre zahlreiche Anhänger und Informanten in einem viel größeren internationalen Wirkungskreis als vermutet und Paxtons Zufluchtsort fliegt ziemlich schnell auf. Paxtons plakative, zynisch inszenierte Enthauptung und die Auslieferung seines Kopfes an den offensichtlichen Gründer und Oberhaupt des „Bluthund“-Folter-Clubs zeigt bereits, dass
Roth sich im 2. Teil mehr des deftigeren, zynischen Humors bedient.
Die eigentliche Handlung setzt nun mit der Vorstellung der drei amerikanischen Teenanger an. Beth (Lauren German), Whitney (Bijou Phillips) und Lora (Heather Matarazzo), die sich von einem Malkurs kennen, beschließen gemeinsamen einen Trip durch Europa zu unternehmen. Scheinbar zufällig treffen sie auf ein Aktmodel aus ihrem Malkurs, Axelle (Vera Jordanova), die sich ihnen anschließt. Nachdem Beth und Whitney, die schon im Zug in ausgelassener Partystimmung sind, von einem gut aussehenden Europäer mit der verlockenden Aussicht, von ihm günstiges Rauschmittel und vielleicht auch mehr zu bekommen, in sein Abteil gelockt werden, realisieren die zwei Freundinnen wie schnell frau ohne männliche Begleitung in eine gefährliche Situation geraten kann. Im Zimmer werden sie von zwei Komplizen des Italieners bedrängt und bedauern schnell ihre naive Leichtsinnigkeit. Dabei erinnert der Hübschling und augenscheinlicher Anführer der Clique mit seiner Lockenpracht und selbstgefälligem Auftreten mehr als nur zufällig an den von David Hess gespielten Krug aus „The Last House on the Left“. Auch in diesem Film wurden zwei naive Teenager, die unterwegs zu einem Konzert waren, von einem scheinbar freundlichen Jüngling mit der Aussicht auf ein günstiges Drogengeschäft zu dessen Komplizen in eine Wohnung gelockt und vergewaltigt. Beth und Whitney können diesem Schicksal jedoch mit knapper Not entgehen. Auch Lora wird von einem Mann bedroht und bestohlen. Diese Szenen im Zug versteht Roth sehr fachgerecht und spannend umzusetzen, so wird z.B. der Diebstahl von Loras Eigentum durch einen bärtigen, unheimlich wirkenden älteren Mann mit interessanten Kameraperspektiven, gut getimtem Schnitt und witzigen Einfällen in Szene gesetzt. Den Raub bekommt man nicht zusehen, vielmehr lässt Roth uns die Präsens des unheimlichen Mannes und dessen durchbohrenden, bösartigen Blick spüren.
Diese filmtechnische Fortentwicklung fällt sehr positiv ins Auge, genauso wie Roths vermehrter Gebrauch der Suggestion, die den Filmaufbau noch interessanter und attraktiver gestalten.
Nach den Vorfällen im Zug ist die Stimmung in der Teeniegruppe verständlicherweise auf dem Nullpunkt, so dass Axelle’s gut getimter Vorschlag, statt eines stressigen Europatrips lieber auf einem Kurort in Bratislava sich zu entspannen, von den Dreien ohne Widerspruch begrüßt wird. Natürlich weiß man als Zuschauer schon jetzt, dass die drei Teenies nun in die clever angelegte Falle der gewinnträchtigen Foltergemeinde getappt sind.
Zugegeben, in dieser ersten Dreiviertel Stunde hat Eli Roth was den Plotaufbau und –verlauf anbetrifft sich stark an sein eigenes Drehbuch vom Hostel-Erstling gehalten. Die diesmal weiblichen Charaktere entsprechen auch in diesem Fall drei klischeebeladenen Kategorien: Lora ist die Schüchterne von den Drei und befindet sich in sexueller Hinsicht auf dem Reifestand einer Zehnjährigen, sehr analog zu dem sexuell verklemmten Josh aus Part 1. Whitney, die nimmersatte, immergeile Draufgängerin lässt sich mit dem Sängertalent und Aufreißer Oli vergleichen und den anfangs zu sehenden Überlebenskünstler Paxton kann man mit der selbstbewussten Beth identifizierten. Die Charakterzeichnung ist auch diesmal sehr stereotypisch und eindimensional ausgefallen, wie in einem typischen Teen-Slasher-Film, was sich aber mit dem zynisch-selbstironischen Ton des Films gut verträgt.
Sobald das Quartett also in Bratislava angekommen ist, checken die vier Mädels unter der Führung der bewanderten Axelle in demselben Hostel ein wie unlängst Josh, Oli und Paxton. Witzigerweise bekommen die Drei in dem Lobby-Fernseher des Hostels in dem Moment ihrer Anreise just die gleiche Stelle aus „Pulp Fiction“ zu sehen wie damals das Jungs-Trio, selbst die Kamerafahrt, die die Szene einfängt, scheint dieselbe zu sein. Offenbar hat Tarantino drauf bestanden oder es ist Roths Lieblingsausschnitt aus dem Film.
Ein nicht minder witziger Gag folgt drauf, als die Damen ihre Pässe an der Rezeption abgeben. Während sie auf ihre Zimmer gehen, folgt die Kamera dem Empfangs-Personal in den Keller, wo dieser von den Pässen eine digitale Fotokopie anfertigt und diese darauf an die ungeduldigen Kunden der Foltergemeinschaft verschickt. Ein wahnwitziger Auktions-Wettstreit entfacht sich unter den sadistischen aber wohlhabenden Interessenten, die verschiedenste soziale Ränge bekleiden – von dem gestressten Bürohengst, über den liebevollen Ehemann, dem prolligen Golfspieler, der reichen Witwe bis zum hingebungsvollen Familienvater. Nachdem ihnen die Auswahl unterbreitet worden ist, sollen sie ihr Gebot online abgeben und dabei den anderen überbieten, wobei Eli Roth die Absurdität des entbrannten Kampfes um die Zerstörung von drei Menschenleben mit dynamischer Musik gekonnt parodiert – ein grotesker Einfall, wenn man bedenkt, dass hier das Leben von drei jungen Frauen mit irgendeinem Wertpapier oder sonstigem materiellem Gut gleichgesetzt wird.
Zwei der drei Auktionsgewinner bleiben dem Zuschauer im weiteren Verlauf präsent und man erfährt welche Art von Menschen das eigentlich sind, die das Foltern zum Zeitvertreib, Aggressionsabbau und dem ultimativen Kick instrumentalisieren.
Diese zwei perversen Auktionsbestreiter stellt uns Roth auch näher vor und erweitert damit seine Geschichte um einen weiteren interessanten, moralischen Standpunkt: Todd ist ein opportunistischer und elitär-prolliger Geschäftsmann (entfesselt gespielt vom „Sentinell“-Darsteller Richard Burgi) und Freund des von Alltagssorgen geplagten, verkrampften Familienvater Stuart (Roger Bart), der aufgrund eines psychotischen Hasses auf seine sexuell perplexe und dominierende Frau sich von Todd zu diesem „Abenteuer“ hat überreden lassen. So bekommt man als Zuschauer endlich einen tieferen Einblick wie diese scheinbar „kranken Sadisten“ eigentlich ticken und warum sie einen Haufen Geld (Beth als Folterobjekt ließ den Preis auf über 90.000 Dollar steigen) für das Foltern von Menschen ausgeben. Todd und Stuart spielen eine entscheidende Rolle für den Fortgang des Plots, wobei auch hier deutlich wird, dass die Verteilung von Stereotypen mit Bedacht und Sorgfalt vorgenommen wurde, da sie zum Schluss in der pointierten Wende sich prächtig ausspielen lassen. Stuart, der der ganzen Idee von Beginn an argwöhnisch gegenüber steht und desöfteren Gewissensbisse zeigt, gewinnt stellenweise sogar die Sympathie des Zuschauers, was von Roth wiederum geschickt manipuliert ist, um der dramatischen Zuspitzung der Ereignisse zum Schluss noch eine weitere Überraschung zu verpassen.
Eli Roth erinnert mit dieser Finesse stark an Tarantinos Charakterzeichnungen (z.B. in Jackie Brown), die dem Zuschauer zunächst vermitteln sollen, dass sie einen bestimmten stereotypen Charakter vor sich haben, um zum Schluss des Films in der pointierten Auflösung dessen Erwartungen zu brechen.
Schließlich kommt es zu dem unausweichlichen Kidnapping der drei jungen Frauen und deren Herrichtung für die inszenierte Folterung. Die Folterszenen erweisen sich auch diesmal nicht als knauserig und stehen dem ersten Teil in nichts nach. Im Gegenteil wirken manche Szenen nicht durch ihre gezeigte Brutalität, sondern durch die gekonnten Andeutungen sehr intensiv auf den Zuseher. In einer Szene wird ein Opfer mit dem Kopf nach unten über ein mit Kerzen dekoriertes Becken gehängt und erwartet quälend lang den Foltermeister. Dieser erweist sich als eine Frau, die sich nackt in das vorbereitete Becken unter dem gefesselten Mädchen legt und mit einer Sense deren Rücken in Scheiben schneidet. Der perverse Genuss der Folternden besteht neben dem Vernehmen der Schmerzensschrei des Opfers vor allem darin, das spritzende Blut auf dem nackten Körper zu spüren. Ein Blutbad im wahrsten Sinne des Wortes.
Hostel II ist in mehrfacher Hinsicht ein gelungener Film. Eli Roth hat es verstanden die Schwächen seines Vorgängers (stellenweise abfallende Spannung, teilweise ungeschicktes Versteifen in klischeehafte Charaktere) aufzuarbeiten und diese in technischer Hinsicht mit optisch ansprechender Kinematographie und guter Kameraführung zu verfeinern. Außerdem hält der zynische Humor, die lockere Selbstironie, das Rezitieren von bekannten Horrorfilmen und die gelegten Finten den Spannungsbogen immer aufrecht und macht den Film dadurch nicht nur zugänglicher, sondern auch in hohem Maße unterhaltsam.
Das Ende ist für einen Teenie-Schocker ziemlich nüchtern und hält eine weitere Überraschung parat.
Was Hostel: Part II anzukreiden ist, ist der stellenweise holprige Plotverlauf im letzten Drittel des Films, insbesondere erscheint die Szene als Beth in ihrer Flucht vor maskierten Männern direkt in die Hände des Folterclub-Gründers läuft ziemlich belanglos. Dieser kommt ihr mit Freundlichkeit entgegen, lädt sie in sein Auto ein, fährt sie zu seinem Anwesen, lässt sie sich schminken und ankleiden und holt darauf die Maskierten wieder herbei. Dieser eigentlich unnötige Nebenstrang, sowie zwei weitere zum Schluss reißen die ansonsten dichte Erzählweise etwas auf, werden aber von Roth wieder schnell geglättet, so dass man darüber hinweg sehen kann. Wenn man will.
Hostel II gehört ausdrücklich zu den besseren Horrorfilmen dieses Jahres (man besinne sich doch bitte auf das peinliche
„The Hills Have Eyes“ - Sequel oder das um einiges lächerlichere Prequel zu „The Texas Chainsaw Massacre“)und bietet zudem um Längen bessere Unterhaltung als die meisten halbherzigen, lauwarmen Aufsetzer von erfolgreichen Filmen dieses Jahres.