„Greetings, my friends. We are all interested in the future, for that is where you and I are going to spend the rest of our lives. And remember, my friends, future events such as these will affect you in the future.“
Es sind gerade einmal fünf läppische Buchstaben, die einen Filmkritiker zuweilen vor eine schwer zu lösende Aufgabe stellen:
Trash. Per definitionem ein kulturelles Produkt mit nur geringem geistigen Anspruch, dessen Fehlen gerade genossen wird, hat sich diese Antikunst unter etlichen Kennern und Filmliebhabern im Laufe der Jahre bereits zur Kunstform gemausert, wobei wohlbemerkt das subjektive Empfinden jedesmal über dem tatsächlichen – und selten vorhandenen – filmästhetischen Aspekt anzusiedeln ist. Das nur in aller Kürze.
Wenn ein Film von vornherein nur als Trash bezeichnet werden kann, die Sehgewohnheiten jedes Einzelnen also darüber entscheiden, ob man mit dem billig produzierten und unstreitig schlechten Treiben, das sich unseren Augen darbietet, etwas anfangen kann, erscheint es im Grunde unangemessen, als Autor einer Kritik eine Bewertung als
non plus ultra über alle anderen zu stellen. Dass der Film mit heutigen filmischen Standards kaum vergleichbar sein wird, ist nämlich so klar wie Kloßbrühe. Was wäre die Bewertung im Falle eines Trash-Films demnach, wenn nicht – entgegen des an einen Kritiker gerichteten Anspruchs, objektiv zu berichten –
komplett subjektiv? Und gerade das folgende Werk zählt zu jener Gattung Film, die man entweder ob ihrer unfreiwilligen Komik liebt oder abgrundtief hasst. Der Autor dieser Zeilen wird daher vorerst ausnahmsweise (und bisher einmalig) von einer einheitlichen Bewertung in Form von Sternen absehen, um in gewisser Weise auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem nun besprochenen Film, diesem Meisterwerk der Filmstümperei, in einer Leserumfrage des 1980 erschienenen Buches
„The Golden Turkey Awards“ eine eher zweifelhafte Ehre zuteil wurde. Ladies and Gentlemen, darf ich vorstellen? Der (angeblich)
„schlechteste US-Film aller Zeiten“! Vorhang auf für eine Filmbesprechung der etwas anderen Art:
Criswell predicts! Diese Lettern läuten ein in das extraterrestrische Treiben, und für sich genommen ist alleine dieser Anfang schon bezeichnend für den weiteren Verlauf des Films. Denn Criswell, das ist jener Criswell, der einst als Radionachrichtensprecher, später aber als populärer Hellseher von sich reden machte (wohlweislich wird er die Wettervorhersage nie verlesen haben). Es ist jener Criswell, der sich urplötzlich vorm schwarzen Hintergrund von der dunklen Silhouette zur „Lichtgestalt“ wandelt und einen der denkwürdigsten Monologe der Filmgeschichte von sich gibt. Bereits diese Einleitung, die uns von zukünftigen Ereignissen berichtet, die uns – die Menschheit – in Zukunft heimsuchen werden, durchbricht ohne Rücksicht auf Verluste die Grenzen von Zeit und Raum, ist es doch keine Minute später mit einem Mal ein „faithful day“, an dem sich die nun folgenden Ereignisse zugetragen haben sollen. Spätestens jetzt (und wir haben den Vorspann noch nicht einmal gesehen!) sollte man jeglichen Anflug von Zweifeln, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht, getrost ignorieren, denn die eigentliche sogenannte Handlung steht ja noch – wir erinnern uns – bevor.
LIEUTENANT JOHN HARPER:
„It was a saucer.“
PATROLMAN:
„A flying saucer?“
Diese beginnt auf einem Friedhof. Nachdem ein alter Mann (Bela Lugosi) seine geliebte Frau zu Grabe getragen hat, erläutert uns Criswell aus dem Off, dass dies der Zeitpunkt war, an dem die seltsamen Ereignisse ihren Anfang nahmen. Plötzlich tauchen Ufos am Himmel auf, die nicht von ungefähr an wackelig an Drähten hängende Radkappen erinnern. Jeff Trent (Gregory Walcott), der Pilot eines Flugzeugs, in dem ich nicht sitzen möchte, wird als erster Zeuge dieses wahrhaft denkwürdigen Moments. Denkwürdig ist ebenfalls die Tatsache, dass zum gleichen Zeitpunkt zwei Totengräber damit beschäftigt sind, das Grab der Frau des alten Mannes zuzuschaufeln, ohne zu bemerken, dass – von Criswell dramatisch intoniert – besagte Tote (Vampira) hinter einem Busch hockend den beiden dabei zusieht. Hat etwa besagtes Ufo von eben, das – weil’s gerade so schön ist – auf dem Friedhof landet und die beiden Totengräber aufschreckt, etwas damit zu tun? Noch kennen wir sie nicht, die Wahrheit, die irgendwo da draußen ist. Und die beiden Totengräber erfahren sie auch nicht mehr, laufen sie doch prompt in die Wespentaille der grässlich dreinblickenden und wild die Arme ausstreckenden Wiederauferstandenen. Schnitt zu Archivaufnahmen von
Bela Lugosi, welcher ein Haus verlässt und an einer Blume riecht (Lugosi verstarb zwei Tage nach Drehbeginn). Der „alte Mann“ bedauerte den Verlust seiner Frau, macht uns Criswell in seiner unnachahmlichen Art als Erzähler klar, ebenso, dass sich der alte Mann eines Tages „verwirrt“ auf die Straße begab und von einem Auto erfasst und totgefahren wurde. Hier überlagert jedoch der eingespielte Ton die Wirklichkeit in Form eines deutlich sichtbaren Schattens.
Der alte Mann folgt somit seiner geliebten Frau im wahrsten Sinne des Wortes nach, denn nach einer weiteren Ufo-Landung auf dem Friedhof, die auch unserem Piloten Jeff Trent nicht verborgen bleibt (kein Kunststück, er wohnt zufälligerweise mit seiner Frau direkt daneben!), darf er sich „Wiederauferstandener Nummer 2“ nennen. Dass die Person, die sich da andauernd das Cape vor das Gesicht hält, keinesfalls Bela Lugosi selbst, sondern aufgrund dessen Todes der Chiropraktiker
Tom Mason ist, der bis auf die Ohren nicht im Entferntesten wie Lugosi aussieht, soll hier nur beiläufig Erwähnung finden. Ebenfalls, dass sich der von Proficatcher
Tor Johnson verkörperte Inspektor Daniel Clay (
„I'm a big boy now, Johnny.“) schon bald als drittes Mitglied in den Kreis der Umherwankenden einreiht, nachdem er für einen kurzen Moment und ein weiteres Begräbnis später die „irdischen Fesseln“ abgelegt hat (schönes Wortspiel). Nun zeigen sich auch endlich (!) die Außerirdischen namens Tanna und Eros (!!), die jedoch in ihrer albernen Kostümierung überraschenderweise allesamt menschlicher erscheinen als die bisher zu betrachtenden Charaktere zusammen. Und endlich lüftet sich auch das Geheimnis um das nebulöse Vorhaben:
THE RULER:
„Plan 9? Ah, yes. Plan 9 deals with the resurrection of the dead. Long distance electrodes shot into the pineal and pituitary gland of the recently dead.“
Naja. Zumindest ansatzweise.
Edward D. Wood Jr., vielen besser bekannt als
Ed Wood, wollte wie viele Regisseure in Hollywood im Grunde eigentlich nur eines: eine große Karriere hinlegen. Doch dem Regisseur unzähliger B-Movies, der seinen Lebensabend mit dem Drehen zweitklassiger Soft- und Hardcore-Pornos beschloss, mangelte es – ginge es nach der Meinung vieler – schlicht an einem: Talent. Aber Wood, Idealist durch und durch, der auch gerne mal seinen Anzug gegen Frauenkleider eintauschte, blieb sich bis zuletzt treu. So entstanden „Perlen“ wie „
Bride of the Monster“ [1955], „The Night the Banshee Cried” [1957] und 1959 sein wohl berühmtestes Werk,
„PLAN 9 FROM OUTER SPACE”. Der Science-Fiction-Film, den Wood nach dem Tode der Dracula-Filmlegende Bela Lugosi um Archivaufnahmen desselben herumkonstruierte, bis die Geschichte (zumindest für ihn) Sinn ergab, floppte seinerzeit gnadenlos, und die Gründe dafür liegen auch überdeutlich auf der Hand. Angefangen bei eklatanten Filmfehlern wie plötzlichen Tag- und Nachtwechseln, billigen Pappkulissen, die sich während des Drehs auch schon mal verselbständigten oder einfach nur wackelten, über Laienschauspieler, die ihre Rollen ebenso spielten, bis hin zu Spezialeffekten, die dieser Beschreibung bei genauerer Betrachtung spotten: rein filmästhetisch versagt Ed Woods Werk leider Gottes auf ganzer Linie.
Doch ein Umstand, der schon gerade kurz angesprochen wurde, drängt all dies gewissermaßen in den Hintergrund: Ed Wood, der mit nur 54 Jahren völlig vereinsamt und verarmt an einem Herzinfarkt starb, war Zeit seines Lebens Filmliebhaber und als solcher von seinen Filmen
ausnahmslos überzeugt. Die Freude am Drehen, dieser unermüdliche Enthusiasmus, tritt überdeutlich in jeder Sekunde seiner einzelnen filmgewordenen Phantasien hervor. Angeblich schon bereits im Alter von fünf Jahren zeigte Wood ein gesundes Interesse am Medium Film, dem kurz darauf das Verfassen von eigenen Drehbüchern folgte. Warum die Leute um ihn herum nicht das in seinen Filmen sahen, was er mit ihnen aussagen wollte, vermochte er nie zu beantworten. Für ihn waren seine Produktionen niemals Trash-Filme, sondern vielmehr Werke der Kunst und damit für diejenigen konzipiert, die den richtigen Blick auf die Sache, das richtige Verständnis mitbrachten. Sicherlich sind das damals wie heute Worte eines Mannes, dem der Ruf eines seltsamen Zeitgenossen vorauseilte, zweifelsohne. Und doch sollte man dabei niemals vergessen, dass auch Freunde von Angora-Unterwäsche mit Leidenschaft arbeiten können. Denn er liebte sie, seine Arbeit. Abgöttisch. Auch wenn sie bewusst billig, gewollt minimalistisch erschien. Gerade hierdurch wird mehr als deutlich, dass Ed Wood einzig lebte, um Filme zu machen, nicht, um Profit aus ihnen zu schlagen.
Fazit: Wohl niemand wird sich, wenn wir ehrlich sind, von dem Punkt freisprechen können, dass
„PLAN 9 FROM OUTER SPACE” trotz der schlechten Inszenierung so miserabel gar nicht ist. Im Gegenteil wartet er mit einem größeren Unterhaltungswert auf als so manch anderer Film, was vor allem der unfreiwilligen Komik und den bahnbrechenden Dialogen geschuldet ist. Der Science-Fiction-Streifen macht einfach Spaß, weshalb nicht nur Fans von hanebüchenen Geschichten und Trash im Allgemeinen, sondern der Filmliebhaber an sich mehr als nur einen Blick riskieren sollte. Das Siegel des „schlechtesten US-Films aller Zeiten“ trägt er in jedem Fall völlig zu Unrecht. So würde es Ed Wood wohl auch heute sehen, da er einst sagte: „Die Welt ist ein seltsamer Ort zum Leben. All diese Autos! Alle fahren irgendwohin! Und in allen sitzen Menschen, die ihr Leben führen! Doch das Leben – auch wenn es sich nur langsam verändert – schreitet voran.“ Recht hatte er. Das Leben zog ohne Happy End an ihm vorbei, während er sich damit abzufinden versuchte, dass er wohl nie richtig verstanden werden würde.
Einen kleinen Triumph jedoch sollte man ihm, dem ewig Missverstandenen, dann letzten Endes doch noch zubilligen. Bei der Filmpremiere seines Plan 9 soll Ed Wood nämlich gesagt haben, mit diesem Werk – seinem persönlichen Meisterstück – ginge er bestimmt in die Filmgeschichte ein. Geschafft hat er’s, das muss man neidlos anerkennen. Es wäre wünschenswert, wenn einige Regisseure heutzutage derart konsequent agieren und sich eine Scheibe davon abschneiden würden.