Der Neowestern scheint beinahe schon ein kleines Comeback zu erleben. Im Kino sind Western zwar inzwischen leider kein wirkliches Thema mehr, aber gerade auf dem Video- respektive DVD-Sektor gab es in letzter Zeit doch die eine oder andere Produktion, die sich tatsächlich dem Westerngenre zuordnen lässt und dabei häufig auch mit echten Stars punkten konnte. Neben Seraphim Falls und
The Proposition – um nur zwei Beispiele zu nennen – reiht sich mit Appaloosa von und mit Ed Harris ein weiterer starbesetzter Vertreter des Genres in das Heimkinoregal ein. Und der Film kann als elegisches Portrait zweier Männer vor allem durch seinen ungewohnten Realismus richtig überzeugen.
„Appaloosa“ spielt in dem gleichnamigen Kaff im Jahre 1882. Der skrupellose Farmer Bragg versucht das Dorf unter seine Kontrolle zu bekommen und geht dabei über Leichen – selbst vor eiskaltem Mord am örtlichen Sheriff und seinen Deputies scheut er nicht zurück. Glück im Unglück für Appaloosa: Virgil Cole und Everett Hitch, zwei Kriegsveteranen die sich nun als Marshalls ihr Geld verdienen, kommen in das Dorf und lassen sich von den Stadtvätern als neue Ordnungshüter anheuern. Miteinigen von Braggs Männern, die gerade für Stunk im Saloon sorgen, machen die beiden kurzen Prozess, nachdem sie sich rechtlich abgesichert haben durch den spontanen Erlass vorbereiteter Gesetze. Der Konflikt spitzt sich zunehmend zu,
bis ein Zeuge schließlich aussagt und Cole und Hitch endlich Bragg für die Morde verhaften können. Auf dem Weg zum Galgen kann er jedoch befreit werden, doch Cole schwört, dass er Bragg hängen sehen wird...
In staubigen Bildern konzentriert sich „Appaloosa“ nicht etwa auf die Jagd nach Bragg oder auf sonstige Schießereien, vielmehr zeichnet er die symbiotische Beziehung dieser beiden Männer, Cole und Hitch, nach. Gerade Cole ist eiskalt: er zögert nicht lange, er schlägt auch schonmal einem von Braggs Männern, der in diesem Moment nichts gesetzeswidriges getan hat, einfach mit der Pistole die Zähne aus, um dann einen zynischen Spruch hinterher zu schicken. Aus fadenscheinigen Gründen prügelt er auch einen betrunken halbtot, und allein der Kniff, bei Anheuerung bereits vorbereitete Gesetze unterschreiben zu lassen erscheint auch nicht ganz koscher. Ein echter Held ist etwas anderes; doch gerade im Zusammenspiel mit Hutch gewinnt die Figur nicht nur an Tiefe sondern auch an Sympathie. Cole vergisst immer wieder Worte, muss sich von Hutch Stichworte geben lassen, und entdeckt natürlich noch eine weitere Schwäche: Allison, eine Frau. Deren Rolle kann man dem Film dann leider auch ankreiden: nicht dass sie schlecht geschrieben wäre, aber ein Westernklischee muss die Frau eines Revolverhelden dann halt doch bedienen, um die Story voranzubringen.
Aber dies nur nebenbei. Der ruhige Hitch ist dabei der ausgleichende Pol gegenüber Cole. Mit seiner doppelläufigen Schrotflinte als ständigem Begleiter hält er Cole nicht nur den Rücken frei, auch zügelt er den unbeherrschten Sheriff das ein oder andere Mal. Im Zusammenspiel wirken beide szenenweise fast schon wie ein altes Ehepaar, aber deutlich zeichnet sich dieses innige Vertrauen einer Männerfreundschaft ab – in diesem Fall kann nicht mal eine Frau zwischen beiden stehen. Aber gerade wenn beide gleichzeitig mit einer Frau agieren müssen, schleichen sich leicht komödiantische Elemente in den sonst sehr ernsten Film ein. Ein leichtes Schmunzeln zeichnet sich ab, wenn die zwei harten Revolvermänner im Gespräch mit einer Frau unsicher und einfach „seltsam“ werden. Und auch wenn der Film mit Allisons Rolle einen vorhersehbaren Twist nimmt, verweigert er sich sonst so ziemlich allen Klischees des wilden Westen. Die wenigen Schießereien die es gibt sind Angelegenheiten von wenigen Sekunden. Der längste Shootout mit sieben Beteiligten dauert geschätzte 3 Sekunden!
Die „Action“ ist also hart und schnell; Realismus ist hier das Stichwort, wie der Film auch im Making Of betont. Indianer spielen nur eine Nebenrolle, gestorben wird in Sand und Staub und überhaupt kann die ganze Ausstattung, vor allem die großartigen Kostüme, wirklich überzeugen. Ein kleinerer Kritikpunkt ist dann vielleicht noch, dass der Film es dem Zuschauer nicht leicht macht, das Geschehen zeitlich einzuordnen. Der Film beginnt zwar laut Texttafel im Jahre 1882, aber er springt mehrere Male in großen Sprüngen nach Vorne, ohne dies dem Zuschauer mitzuteilen. Ich nehme an, dass die Handlung locker ein Jahr einnimmt, aber das ist eine reine Schätzung; echte Anhaltspunkte liefert der Film nicht, so dass manche Zeitsprünge auf den ersten Blick sehr verwirrend wirken. Doch trotzdem ist der Film ziemlich großes Kino, wenn man auf langsamere Streifen steht: gerade gegen Ende nimmt der „Appaloosa“ schon fast ein meditatives Tempo an und ergeht sich in elegischen Bildern, bis er selbst beim eigentlichen Klimax nicht seine Realismusprämisse vergisst und das Finale zu einer kurzen und schnellen Angelegenheit macht.
Ganz groß ist dann aber die Besetzung: Ed Harris als Cole und Viggo Mortensen als Hutch sind als ungleiches aber symbiotisches Paar einfach das Highlight des Streifens. Wunderbar anzuschauen, wie diese beiden großen Schauspieler ihre Figuren nuanciert zum Leben erwecken – man nimmt ihnen diese Rollen voll ab, es sind nunmal keine Jungstars. Renée Zellweger mag ich persönlich einfach nicht, und auch der Charakter ist nicht unbedingt dankbar; trotzdem macht sie ihre Sache gut. Jeremy Irons ist als Bragg ein wunderbarer Bösewicht, und selbst in Nebenrollen sind noch Leute wie Timothy Spall, Ariadna Gil und der immer wieder gern gesehene Lance Henriksen zu sehen.
Zusammenfassend ist „Appaloosa“ erstklassige Videoware, der in unseren Breitengraden locker einen Kinostart verdient hätte. Mit großartiger Besetzung, unaufgeregt inszeniert erzählt der Film die faszinierende Geschichte zweier Männer und ist dabei erfrischend anders – aber enorm gut. Empfehlung!