Knappe acht Minuten Zeit überlässt „
Moon“-Regisseur und David Bowie-Sohn Duncan Jones seinem Protagonisten Colter Stevens (Jake Gyllenhaal, „
Donnie Darko“), um in seinem Zweitwerk, dem packenden Science-Fiction-Thriller „Source Code“, einen Sprengsatz und den betreffenden Attentäter in einem Zug ausfindig zu machen.
Da es sich bei „Source Code“ offensichtlich nicht um einen Kurzfilm handelt, haben es diese acht Minuten wirklich in sich:
Was Stevens nach einer ersten, erfolglosen Konfrontation mit der Bombe noch nicht ahnt ist, dass er exakt diese Zeitspanne immer und immer wieder durchleben kann.
Und muss.
Bis er den Verantwortlichen gestellt hat.
Stevens steckt in einem sogenannten
Source Code, einem komplizierten, quantenphysikalischen Konstrukt, wie ihm später der Entwickler Dr. Rutledge (Jeffrey Wright, „
Casino Royale“) wenig beruhigend mitteilt.
Der
Source Code gibt dem reichlich verwirrten Helikopter-Piloten, welcher sich nur noch an einen unmittelbar zurückliegenden Afghanistan-Einsatz erinnern kann, die Möglichkeit, in den Körper eines im Zug befindlichen Zivilisten zu schlüpfen und so das vergangene Szenario bis zur Klärung mehrfach zu durchlaufen.
Wie ihm Rutledge und sein Außenkontakt Colleen Goodwin (Vera Farmiga, „
Up in the Air“) außerdem erläutern, besteht für Stevens keinesfalls die Möglichkeit einer realen „Vergangenheits-Korrektur“ - die Katastrophe hat sich unwiderruflich ereignet und die Mission dient lediglich der Verhinderung eines weiteren Anschlags...
Die Ausgangssituation von „Source Code“ erinnert zunächst tatsächlich stark an die von Jones' eindrucksvollem Vorgänger „
Moon“:
Ein Mann findet sich isoliert als Opfer eines mysteriösen Experimentes wieder, dessen besondere Grausamkeit erneut in einem scheinbar endlosen Zyklus ohne Hoffnung auf Erlösung besteht.
Der Film mag in erster Linie zwar ein mitreissender Thriller mit einer recht interessanten Science-Fiction-Komponente sein – trotzdem räumt der Regisseur hier dankenswerterweise auch ausreichend Platz für die Darstellung seines tragischen Helden ein.
Oscar-Nominee Jake Gyllenhaal, der seine Visage zuletzt eher für mittelmäßigen Film-Brei hergehalten hat, verleiht seiner Figur die nötige Tiefe, um den Zuschauern ihren verzweifelten Kampf um ein offensichtlich aussichtsloses Unterfangen eindringlich zu vermitteln.
Während seiner vielen, kurzen Einsätze lernt Stevens die attraktive Mitreisende Christina (Michelle Monaghan, „
Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel“) besser kennen und kann sich natürlich nicht mit ihrem unausweichlichen Schicksal abfinden.
Sein Bestreben, die Vergangenheit doch auf irgendeine Weise zu verändern, ist verständlich – menschlich.
Bei „Source Code“ handelt es sich – entgegen den Erwartungen mancher Zuschauer – bestimmt nicht um einen cineastischen
mind-fuck.
Das Werk zielt (ähnlich wie zuletzt Christopher Nolans großes Meisterwerk „
Inception“) weniger auf den Intellekt seines Publikums ab, als vielmehr auf ein universelles Empfinden.
Trotz seines relativ hohen Budgets von 32 Millionen US-$, dem vermutlich diesem geschuldeten Einsatz teurer (und leider vermehrt überflüssiger)
CGI-Effekte und des streckenweise rasanten Tempos baut der Film dennoch eine angenehm intime Atmosphäre auf und ersäuft seinen spannenden Plot nicht in Hektolitern abgestandener Action-Soße.
Was „Source Code“ letztlich so effektiv und greifbar macht, ist eben nicht die schnöde Suche nach dem Attentäter, sondern das Drama, das aus dem
Source Code selbst entsteht - selbstverständlich soll das Geheimnis hinter dieser Entwicklung nicht bereits hier gelüftet werden...
Die Frage danach, welche Grenzen die Wissenschaft aus moralischer Sicht überschreiten darf, ist eine alte, und zweifellos schon in unzähligen Büchern oder Filmen (siehe „
Frankenstein“ oder beispielsweise auch Paul Verhoevens „Robocop“) aufgegriffen worden.
Dennoch berührt und schockt auch Duncan Jones' neue Arbeit mit einer weiteren Variation von dem menschlichen Drang danach, Gott zu spielen.
Der von Jeffrey Wright dargestellte Dr. Rutledge ist eine mit mangelndem Mitgefühl ausgestattete, unheimliche Menschenhülle, für die das Leben eines Einzelnen nichts zählt.
Er hinterlässt am Ende einen weitaus bedrohlicheren Eindruck beim Publikum, als dies der obligatorische Bombenleger je schaffen könnte.
Ohnehin lässt sich „Source Code“ über weite Strecken als ein geradezu bedrückendes und unangenehmes Werk beschreiben, das sich besimmt nicht für den vergnüglichen Popcorn-Kinoabend eignet.
Auch wenn der Film für den erfahrenen Zuschauer wahrscheinlich nicht die ganz große Überraschung am Schluß parat hält und das Rad gewiss nicht neu erfunden hat, erzielt die Lüftung des Mysteriums
Source Code eine nicht zu leugnende, nachhaltige Wirkung.
Zwei Wermutstropfen gibt es hier - trotz insgesamt sehr positiven Gesamteindrucks - nun leider dennoch zu vermelden:
Zum einen musste während der Produktion der ursprünglich vorgesehene Komponist Clint Mansell („
Black Swan“) aufgrund anderer Verpflichtungen zurücktreten und hat seinen Posten dem relativ unerfahrenen Chris Bacon („Gnomeo & Juliet“) überlassen, welcher mit seinem enttäuschend konventionellen Score nicht wirklich in die Fußstapfen seines innovativen Vorgängers treten kann.
Außerdem wirkt es fast so, als ob sich Duncan Jones nicht recht für ein Ende der Geschichte entscheiden konnte.
Gerade wenn „Source Code“ mit der vermeintlichen Abschlusssequenz völlig gelungen auszuklingen scheint, hängt der Regisseur eine – nach Meinung des Rezensenten – unnötige Szene an und verpasst der im Grunde runden Story eine leichte Kerbe.
Trotzdem: Ein erneut extrem geglücktes Werk von einem hoffnungsvollen Newcomer.