„Moon“ ist so ein Film, der von der Unkenntnis der Zuschauer profitiert. Bei dem es sich auszahlt, wenn man sich im Vorfeld nicht in diversen Medien über den Inhalt informiert hat.
Man sollte allerdings auch gleich vorwegnehmen: Die eigentlich recht simple Story ist auch nicht der Hauptpfeiler, auf den sich die Lobeshymnen von diversen, internationalen Filmfestivals, auf denen das Werk aufgeführt worden ist, stützen.
Das Spielfilmdebüt des Briten Duncan Jones, ehemaliger
camera-operator von Tony Scott sowie Sohn von Pop-Legende David Bowie, bezieht den Großteil seiner Kraft aus der ruhigen, stilvollen Inszenierung und der herausragenden Performance von Hauptdarsteller Sam Rockwell („
Frost/Nixon“).
Rockwell verkörpert hier den Astronauten Sam Bell, der von der Firma „Lunar Industries“ für drei Jahre auf dem Mond stationiert worden ist, um von dort die Erde mit einem besonderen Treibstoff zu versorgen.
Bis auf den sprechenden Computer GERTY (dem der Oscar-Preisträger Kevin Spacey seine Stimme leiht) gibt es für ihn auf seinem einsamen Posten keinen emotionalen Bezugspunkt. Was ihn letztlich über die endlos wirkende Zeit hinwegtröstet, sind gelegentliche Videobotschaften von seiner Frau und Tochter und die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit.
Als das lang ersehnte Ende des Dienstes kurz bevor steht, macht der psychisch bereits mitgenommene Sam allerdings eine Entdeckung, nach der ihm alles, woran er zuvor geglaubt hat, wie ein Kartenhaus einzustürzen droht…
„Moon“, der hierzulande bereits 2009 im Rahmen des
Fantasy-Filmfests vor ausverkauften Häusern vorgestellt worden ist und beim Publikum nahezu ausnahmslos auf euphorische Reaktionen stieß, sieht nicht gerade vor, die Zuschauer an der Nase herumzuführen oder falsche Fährten bezüglich seiner „Auflösung“ auszulegen.
Filmkenner werden vermutlich noch vor der eigentlichen Enthüllung ahnen, wohin der Hase läuft. Aber das ist im Prinzip auch gar nicht so wichtig, denn das Werk versteht es auch ohne M. Night Shyamalan-artige Twists bis zum Schluss zu fesseln – und zwar durch ganz klassische Mittel wie einem außerordentlichen Gespür für Stimmung und große Schauspielkunst.
Obwohl die Kulissen (vor allem in Anbetracht des lächerlichen Budgets von umgerechnet gerade mal 5 Millionen US-Dollar!) atemberaubend ausgefallen sind und ganz klar zu den großen Attraktionen des Films zählen, besitzt „Moon“ aufgrund seines limitierten Settings und der wenigen Figuren durchaus Bühnenqualitäten. Diese würden durch die bereits angesprochene Leistung Sam Rockwells auch perfekt mit Leben gefüllt werden: Auf den Schultern des Mimen lastet der Löwenanteil der Geschichte, mit seinem facettenreichen Spiel steht und fällt das Charakter-orientierte Science-Fiction-Drama.
Und was kann man jetzt über das Werk sagen, wenn man nicht schon den weiteren Verlauf der Handlung spoilern will?
Nun, was es definitiv durchzieht und prägt, ist eine melancholische Grundstimmung – „Moon“ ist ein verlorener Film. Isolation und das Verlangen nach menschlicher Geborgenheit sind Themen, ebenso die Wichtigkeit von Hoffnung für ein jedes Individuum und die Reaktion darauf, wenn diese verloren scheint.
Wie bereits angesprochen, stellen im Film die Sets ein absolutes optisches Highlight dar. Ein Grund dafür ist natürlich, dass man als Zuschauer in zunehmenden
CGI-Zeiten nur noch selten Handgemachtes in einem Genrestreifen zu Gesicht bekommt. Dass für die Arbeit des zuständigen Teams keine Oscar-Nominierung rausgesprungen ist, darf man wohl einfach als grobes Versäumnis abtun.
Neben Darsteller Rockwell, der auch unverständlicherweise von der Academy ignoriert worden ist, hätte auch noch mindestens einer weiteren Person die Chance auf den betreffenden Award eingeräumt werden müssen:
Der Soundtrack von Darren Aronofskys Stammkomponisten Clint Mansell trägt maßgeblich zu der durchdringenden Atmosphäre bei und zählt zu den besten akustischen Werken des ehemaligen
Pop Will Eat Itself-Frontmanns.
Dass dieser ohnehin zu den interessantesten und eigenständigsten seines Fachs gehört, haben ja bereits dessen Klänge zu „
Requiem for a Dream“ (2000) und „
The Fountain“ (2006) verdeutlicht.
Bei „Moon“ variiert sein Soundtrack zwischen gefühlvollen Streichern,
low key-Tönen, die gelegentlich an John Carpenter erinnern, und eigenwilligen, fast schon fröhlichen Piano-Passagen.
Regisseur Duncan Jones, über den hier sträflicherweise gar nicht so viele Worte gefallen sind, hat mit seinem Erstling ein wirklich beachtlich rundes Werk erschaffen, das außerdem eine Hommage an ältere Science-Fiction-Meisterwerke wie Stanley Kubricks „
2001- Odyssee im Weltraum“ (1968) darstellt (GERTY ist z.B. eine ganz klare Anspielung auf HAL 9000) und zusammen mit Danny Boyles hypnotischem „
Sunshine“ (2007) dem Genre mal wieder gute Beispiele für Weltraumabenteuer abseits wilder Actionszenarien aufzeigt.
Und wenn auch der Inhalt vielleicht nicht ganz so neu ist, wird das Gesehene nach dem Abspann dennoch einige Zeit in den Köpfen der Zuschauer kursieren.
Man kann zumindest nur von Glück sprechen, dass sich der Verleiher knapp ein Jahr nach den Erstaufführungen auf deutschem Boden doch noch zu einem regulären Kinorelease durchgerungen hat - „Moon“ sollte man auf jeden Fall auf der großen Leinwand erleben.