von Asokan Nirmalarajah
Same Same But Different (2009) nimmt seinen eigenwillig poetischen Titel von einer inzwischen auch international geläufigen Redewendung aus Thailand. Ein Sprachbeispiel des Tinglish, dem von der Volksgruppe der Thai gesprochenen Englisch, bedeutet diese eigentümliche Redewendung soviel wie „ganz gleich und doch anders.“ Es ist ein schöner Titel, der den Zuschauern – wie auch der noch etwas romantischere und dramatischere Titel der autobiographischen Buchvorlage von Benjamin Prüfer,
Wohin du gehst. Die Geschichte einer fast unmöglichen Liebe (2007) – eine interkulturelle Love-Story verspricht, in denen die kulturellen Unterschiede zu erst unüberwindbaren, dann doch bezwingbaren Hürden zwischen den Protagonisten werden. Sollte man meinen und würde doch nicht ganz richtig liegen. Denn der neue Film von Buck – vertraut man dem Vor- und Abspann des Films, dann erübrigt sich angesichts des so aussagekräftigen Nachnamens mittlerweile der Vorname Detlev – ist nicht so sehr interessiert an der Dramatisierung einer Liebe zwischen den Kulturen, zwischen den Religionen oder zwischen ethnischen Gruppen. „Eine Liebe in globalen Zeiten“, wie sie der Regisseur im Presseheft beschreibt und wie sie zwischen dem deutschen Studenten Benjamin Prüfer und der kambodschanischen Ex-Prostituierten S
reykeo 2003 begann, hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: neben zeitlicher und räumlicher Distanz, sozialen und ökonomischen Missverhältnissen auch mit einer Immunschwächekrankheit wie AIDS. Die bewegende Liebesgeschichte, die der Jungjournalist Prüfer erstmals in einem
Artikel für das Magazin Neon und dann auch in Fernsehsendungen wie
SternTV mit einer bemerkenswerten Klarheit und Sachlichkeit an die Öffentlichkeit trug, um schließlich ein ebenso einfühlsames wie kitschfreies Buch darüber zu schreiben, wurde nun von einem Regisseur verfilmt, der bekannt ist für seinen trockenen Humor, seine charmante Sachlichkeit und seinem gänzlich undramatischen Erzählstil. Womit man allerdings nicht gerechnet hätte sind die sehr atmosphärischen, gefühlvollen Bilder, die er dafür findet.
Ben (David Kross) und sein Freund Ed (Stefan Konarske) sind zwei abenteuerlustige Studenten auf einer Rundreise durch Asien. Eines Nachts landen sie im Drogenrauch in einem Club in Phnom Penh, im „Heart of Darkness“, wo Ben von einem hübschen Bargirl angesprochen wird. Er nimmt sie mit zu sich und sie verbringen die Nacht miteinander. Doch am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass das Mädchen, Sreykeo (Apinya Sakuljaroensuk), eine Prostituierte ist, die sich in dem Moment nicht sicher ist, ob sie von ihm Geld für den Beischlaf verlangen soll. Er bezahlt sie und sie leiht sich sein Hemd aus. Als sie ihm das gewaschene Hemd unerwartet wieder zurück bringt, beginnen beide die Zeit miteinander zu verbringen. Gegen den Rat seines Freundes beschließt Ben sogar noch etwas länger zu bleiben und bei ihr und ihrer Familie im sogenannten „La Building“, einem heruntergekommenen Wohnblock, zu wohnen. Als Ben nach Deutschland zurückkehrt, beginnen sie eine Fernbeziehung zu führen, bis Sreykeo wegen ihres ständigen Hustens zum Arzt geht und die schreckliche Diagnose erhält: HIV-positiv. Diese Nachricht bringt die Beziehung ins Straucheln und zieht Ben in die Verantwortung, für sie zu sorgen und für die Beschaffung von Medikamenten für seine Freundin vor Ort zu kämpfen…
Das alles gestaltet sich – wie bei Buck üblich – erfreulich unspektakulär, aber doch sehr einfühlsam und charmant. Bezeichnend hierfür sind etwa die Frontalaufnahmen der Darsteller in Momenten, in denen sie nicht wissen, wie sie handeln sollen und konsterniert Richtung Kamera blicken. Von der fehlenden Dramatik der Geschichte zeigten sich die amerikanischen Kritiker auf dem diesjährigen Toronto Film Festival allerdings etwas irritiert und enttäuscht. Wohingegen andere, genauer: die Kritiker des US-Branchenblatts
Variety, begeistert von dem erfrischend nüchternen Erzählstil und überzeugt von den internationalen Auswertungschancen des Films, ihm auf dem diesjährigen Filmfestival von Locarno den „Variety Piazza Grande Award“ verliehen.
Same Same But Different hat seine großen Stärken und seine kleinen Schwächen. Wodurch dieser kleine, sympathische Film besticht sind die durchweg überzeugenden Schauspieler und Bucks sehr sensible Inszenierung, die die Emotionen der Figuren in stimmungsvollen Bildern einfängt und nur sehr selten in überzogene Melodramatik und Klischees abdriftet. Buck, der jüngst in Michael Hanekes
Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte (2009) mit einem famosen Kurzauftritt begeistern konnte, glänzt vor allem in seiner Schauspielerführung. David Kross, der bereits für Bucks
Knallhart (2006) vor der Kamera stand und letztes Jahr noch neben Kate Winslet in
The Reader (2008) überzeugen konnte, meistert seine schwierige Hauptrolle ebenso bravourös wie die schöne Apinya Sakuljaroensuk, die sich hier etwas rundlicher und erwachsener präsentiert als in ihren früheren Rollen. Lediglich der sinnlose Kurzauftritt von Mario Adorf wirkt etwas deplatziert, wohingegen man gerne etwas mehr von Olli Dittrich als Bens drolligem Vater gesehen hätte. Richtig begeistern kann aber der sehr amüsante Jens Harzer als Bens schmieriger, aber herzlicher Bruder.
Der durchweg ansprechende, wenn auch stellenweise in die Länge gezogene Film ist für einen globalen Publikumshit á la
Slumdog Millionaire (2008) dann doch etwas zu ereignislos und für einen richtigen Arthouse-Hit zu gehaltlos. Sicherlich hätte man einige der eher meditativen, atmosphärisch sehr dichten Sequenzen, die die fremde, faszinierende Welt in und um Kambodscha einfangen, kürzen können. Aber das hätte dem Film wohl emotional mehr geschadet als narrativ geholfen. In seiner jetzigen Form ist
Same Same But Different der einfühlsamste und schönste Film Bucks, der hier zwei komplizierte, widersprüchliche Figuren mit all ihren positiven und negativen Eigenschaften ins Zentrum stellt und ihre schwierige Beziehung durchleuchtet. Und das macht diesen Film auch sehenswert.