„I feel like men are more romantic than women. When we get married we marry, like, one girl, 'cause we're resistant the whole way until we meet one girl and we think I'd be an idiot if I didn't marry this girl she's so great. But it seems like girls get to a place where they just kinda pick the best option... 'Oh he's got a good job.' I mean they spend their whole life looking for Prince Charming and then they marry the guy who's got a good job and is gonna stick around.”
Schmerzhafte Wahrheit – und zwar mehr als nur ein kleines Stückchen – steckt in den knapp zwei Stunden Spielzeit von „Blue Valentine“, dem zweiten Spielfilm von Derek Cianfrance („Brother Tied“).
Es ist ein Werk, das sich nicht scheut, das Unangenehme in Bilder und Worte zu verpacken. Aber vor allem eines, das den Zuschauern tief unter die Haut kriecht und so schnell nicht wieder verschwinden will.
Filme über Beziehungen gibt es in der weiten Kinolandschaft so einige. Viele davon sind kitschig, manche tatsächlich romantisch - aber nur wenige trauen sich, in die schwärzesten Tiefen des Themas einzutauchen.
Was ist Liebe, wo und wie beginnt sie? Könnte wirklich ein einzelner Blick der Grund für das Bündnis zweier Menschen sein?
Oder basiert diese romantische Vorstellung nur auf einem Gefühl, möglicherweise einem Trugschluss?
Der Möbelpacker Dean (Ryan Gosling, „
Half Nelson“) sieht bei einem Auftrag in einem Altersheim die attraktive Cindy (Michelle Williams, „
Brokeback Mountain“).
Er stellt sich vor, startet eine kurze Konversation und übergibt ihr seine Karte.
Die Ambition für seinen Annährungsversuch nahm Dean aus einem Gefühl heraus – dem Gefühl, die Frau gegenüber bereits irgendwie zu kennen. Nachdem er in sie hineingeschaut hat.
Der erwartete Anruf Cindys bleibt aus, doch in einem Bus treffen sich die Beiden zufällig wieder.
Dean lässt während einer nächtlichen Gesangseinlage seinen Charme spielen und sein Funke springt endlich auf seine Angebetete über.
Der unschuldige Beginn endet ungeplant in Cindys Schwangerschaft und die frisch Verliebten beschließen zu heiraten…
Eine Beziehung oder Ehe ist nichts, was man erlernen könnte.
Sie ist wie ein Sprung ins kalte Wasser und die wichtigste Frage, die man sich zuvor wohl stellen sollte, ist, ob man sich gegenseitig vertraut. Und ob man sich selbst und seinen Gefühlen vertrauen kann.
Auch Cindy stellt sich diese Frage.
Sie hat in der Vergangenheit Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern erlebt, die sie an der Beständigkeit von Gefühlen zweifeln lassen.
Dennoch geht sie das Wagnis ein und gibt ihr Ja-Wort – „in guten wie in schlechten Zeiten“.
Die schlechten Zeiten kommen. Heimtückisch, schleichend. Als wäre die Liebe eine Krankheit, die ihre Träger irgendwann unerwartet in die Knie zwingt.
Was zunächst romantisch und voller Leidenschaft beginnt, endet in einem kühlen, toten Nichts.
Verdeutlicht wird der Kontrast zwischen dem Auf und Ab der Beziehung durch den Wechsel von Szenen von verschiedenen zeitlichen Eckpunkten.
„Blue Valentine“ beginnt irgendwo am Scheitelpunkt, vielleicht auch kurz danach.
Die Kälte, welche sämtliche Gefühle zu verschlingen droht, stellt Regisseur Cianfrance sinnbildlich in einer unmenschlich-sterilen, blau beleuchteten Motel-Suite, in welcher sich das Paar eigentlich erneut lieben wollte und welche Dean treffend als „Roboter-Vagina“ bezeichnet, dar.
Dort tritt die traurige Wahrheit erstmals in aller Härte zu Tage und die Beiden müssen erkennen, dass das Verfallsdatum ihrer Liebe abgelaufen zu sein scheint – was bleibt ist die Fassade.
Enttäuschung und Frust nehmen nun die ehemaligen Plätze von Leidenschaft und Aufopferung ein.
Und das unschuldige Opfer der dysfunktionalen Ehe bleibt, wie so oft, das Kind…
Es ist allerdings nicht so, dass Derek Cianfrance seine Figuren als aktive Täter zeichnet oder eine besondere Schuldzuweisung vermittelt.
Cindy und Dean sind zwei absolut realistisch gezeichnete, sympathische Menschen, mit denen man sich als Zuschauer hundertprozentig identifizieren kann. Gerade deshalb trifft einen das Werk dann auch dort so erbarmungslos, wo es richtig wehtut.
Dieselbe Geschichte, dieselben Fehler könnten einem auch selbst begegnen - keine Frage. Vor der Macht der eigenen Gefühlswelt ist schließlich niemand gefeilt.
Beide Partner kämpfen, beide verlieren. In diesem Fall ist das so.
Cindy ist enttäuscht über Deans Verlust an Ehrgeiz, mit welchem er ihr vor der Ehe so sehr imponiert hat, während er sein Potential und seine Vorhaben für ein trautes Familienleben über Bord geworfen hat.
Absolut sagenhaft sind in „Blue Valentine“ die schauspielerischen Leistungen ausgefallen, die auch das Herzstück der Produktion bilden.
Michelle Williams hat sich mit ihrer mutigen Darstellung dann auch ihre zweite Oscar-Nominierung nach „
Brokeback Mountain“ redlich verdient, während Ryan Gosling unverständlicherweise ignoriert worden ist.
Nach Ansicht des Rezensenten hat der Mime nämlich nicht nur die beste männliche Performance des vergangenen Kinojahres abgeliefert, sondern stellt generell den überzeugendsten Schauspieler seiner Generation dar.
Was das gerade mal eine Millionen US-Dollar teure Werk selbst angeht, so hätte man auch hier trotz starker Konkurrenz mehr Anerkennung von Seiten der Academy erwarten können - doch das ist schließlich ein anderes Thema.
Zählen soll unterm Strich allein, ob sich „Blue Valentine“ als intensive Filmerfahrung bezeichnen lässt. Und das ist definitiv der Fall – mit Nachdruck.
Wenn es schon sonst niemand tut, vergibt zumindest der Schreiber den Titel „Film des Jahres“ für dieses bitter-süße Independent-Meisterwerk.