Wir befinden uns in einer Kleinstadt, irgendwo in Ostdeutschland. Hier lebt die 20-jährige Marisa, von Beruf Supermarktkassiererin, zusammen mit ihrer Mutter. Aggressiv, unberechenbar und voller Hass bewegen sie und ihr Freundeskreis sich durchs Leben, während sie gewaltsam für ihre Überzeugungen eintreten: allen voran den Rechtsextremismus. Denn Marissa verabscheut nicht nur Politiker, Demokratie und die allgemeine Obrigkeit, sondern vor allem Ausländer. Aus ihrer Einstellung macht sie kein Geheimnis und jeder, der ihr dumm kommt oder im Weg steht, bekommt eine aufs Maul. Zu den wenigen Menschen, denen gegenüber sie eine andere, weichere Seite von sich zeigt, gehören ihr fester Freund Sandro und ihr Großvater, zu dem sie eine besonders innige Beziehung pflegt. Als Sandro jedoch wegen eines Gewaltdeliktes ins Gefängnis muss, steigert dies ihre innere Wut nur noch und ein paar Tage später kommt es zu einem Unfall, bei dem sie die zwei Asylbewerber Jamil und Rasul absichtlich mit dem Auto anfährt. Dies bleibt jedoch nicht ohne Konsequenzen und schon bald steht Rasul vor ihr im Supermarkt und verlangt als Wiedergutmachung Hilfe bei seinem Versuch, nach Schweden auszuwandern. Indem Marisa ihn aus Schuldgefühlen heraus dabei unterstützt, beginnt sie, sowohl ihre Beziehung, als auch die Ideologie, mit der sie praktisch aufgewachsen ist, zu hinterfragen.
Svenja, die im selben Ort lebt und noch
zur Schule geht, ist wiederum in einer anderen Lage: deprimiert, missverstanden und genervt von ihrem kontrollsüchtigen Stiefvater will sie aus ihrer Lebenssituation ausbrechen und sich zugehörig fühlen. Über ihren neuen Freund gelangt sie somit in die Neonaziszene und beginnt zunehmend, sich in die Welt zu integrieren, aus der Marisa schließlich den Ausbruch wagen will…
Debatten um und über den deutschen Rechtsextremismus sind leider nach wie vor eines der aktuellsten politischen Themen unseres Landes. Ein Deutschland, welches doch so aufgeklärt, so weltoffen, so vorbildlich und tolerant erscheinen will, offenbart in seinen Statistiken regelmäßig eine konstante, wenn nicht gar wachsende rechte Quote, vor allem im ostdeutschen Raum. Über die Frage, warum das so ist, zerbrechen sich nicht nur Politiker den Kopf. Auch Film und Fernsehen thematisieren dies konstant und versuchen auf ihre eigene Art Antworten zu geben – Antworten, die leider allzu häufig starr und unbefriedigend ausfallen. Was oftmals fehlt, ist der Bezug zum Thema. Wie soll ein Stadtmensch in Multi-Kulti-Umgebung sich hineinversetzen in jemanden, der zwar im selben Land, jedoch in einer völlig anderen Welt zu leben scheint?
David Wnendt, für den „Kriegerin“ sein Regiedebüt darstellt, führte vor dem eigentlichen Dreh eine zweijährige Recherche durch, zu der unter anderem intensive Gespräche mit Mitgliedern der Neonaziszene gehörten. Die rechte Musik, welche im Film gespielt wird, wurde extra zu diesem Zweck komponiert und ist unabhängig davon nicht zu erwerben. Die Konzentration auf Details und Echtheit ist also auch in diesem Bereich der Umsetzung spürbar. Herausgekommen ist eine fundierte und authentische Milieustudie, deren Thematik während ihrer gesamten Laufzeit völlig unverbraucht daherkommt. Dies liegt zu einem großen Teil an der schauspielerischen Leistung beider Protagonistinnen. Besonders Alina Levshin spielt ihre Rolle mit solcher Wut und Intensität, dass der Zuschauer sich innerlich anspannt, sobald die tickende Zeitbombe Marisa ins Blickfeld gerät. Mal wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht, mal wie ein verletzliches junges Mädchen – Levshin meistert beide Seiten ihrer Rolle mit Bravour. Aber auch Jella Haase braucht sich mit ihrer Darstellung der rebellierenden Mittelstandtochter Svenja nicht zu verstecken. Beide zusammen bilden ein funktionierendes Duo und tragen den Film damit erfolgreich bis zum Schluss.
Dabei fällt gar nicht so stark auf, dass Wnendet mit seiner Darstellung der rechten Szene die vorherrschenden Ansichten darüber größtenteils widerspiegelt – was dem Film von manchen Seiten Kritik eingebracht hat. Die Neonazis als männlich dominierte, gewalttätige, durch vorgegebene Feinbilder definierte Gemeinschaft, welche besonders Menschen mit sozialen Problemen und Perspektivlosigkeit anspricht. Dies ist das vorherrschende und offensichtlich auch zutreffende Bild, welches der Film zeichnet (mangelnde Recherche kann Wnendet jedenfalls nicht vorgeworfen werden). Dass damit das Rad nicht neu erfunden wurde, ist klar – jedoch geht es hier nicht primär ums
Was, sondern um das
Wie. Das Werk schafft es, dem Zuschauer eine bekannte Situation auf neue Art vor Augen zu führen. Nicht, indem es seinen Zeigefinder erhebt und die bösen Neonazis in Schablonen packt, sondern mithilfe eines nachvollziehbaren, echt wirkenden Szenarios, mit Figuren, die menschlich sind, Probleme haben und teilweise sogar Identifikationsfläche bieten. Die Rolle der Marisa ist ein passendes Beispiel dafür: eine starke, eigenwillige Frau aus der rechten Szene, die man nicht holzschnittartig mit Rock und blonden Zöpfen ausstaffiert hat, sondern die durchaus zum selbstständigen Denken, zur Initiative fähig ist. Jemand, den zwar dem Klischee entsprechend soziale und familiäre Hintergründe beeinflussen, welche jedoch allesamt nachvollziehbarer Natur sind (ich beziehe
„nachvollziehbar“ hierbei auf die bloße Tatsache, dass man verstehen kann, wieso diese Hintergründe als Gründe für
irgendetwas gelten können).
Was David Wnendt uns letztendlich zeigt, ist kein aufklärerischer Lehrfilm mit vorgefertigter Moral am Schluss – er erzählt in erster Linie die Geschichte zweier junger Frauen, deren Schicksale sich in der Mitte treffen und die jeweils aus eigenen Motiven heraus handeln, welche der Zuschauer nicht einzeln auf dem Silbertablett serviert bekommt. Der Film prangert weder den Rechtsextremismus explizit an, noch erhebt er einen Universalitätsanspruch auf das Gezeigte. Was er tut, ist eine authentische, künstlerisch einwandfreie Milieuzeichnung zu erschaffen, die zum Nachdenken anregt, ohne uns mit dem moralischen Vorschlaghammer zu bearbeiten. Für so viel Mut und filmische Qualität kann es an dieser Stelle nur die Höchstwertung geben.