(USA/NZ, 2007)
Kinostart: 08. November
"Mr. and Mrs. Sherrif. So sweet. So helpfless against what is coming."
Hätte es vor, sagen wir, fünfundzwanzig oder dreißig Jahren dieses Drehbuch gegeben, und wäre es zum Beispiel in den Händen von John Carpenter, David Cronenberg oder Ridley Scott gelandet, oder einem ähnlich begabten Geist, dann wäre
30 Days of Night ein Spannungsklassiker der alten Schule geworden. Jetzt, im Jahre 2007, ist es immerhin kein schlechter Film, im Gegenteil. Man ist eher geneigt, typische Genrekrankheiten, die bei David Slade (
Hard Candy) durchaus vorkommen, geflissentlich zu übersehen.
Denn Horrorfilme machen schon seit Jahren keinen Spass mehr. Und wir reden hier immerhin von einer Gattung, die sich seit eh und je in den eigenen Schwanz beißt, bei dem die Wiederkehr vertrauter Strukturen und Konzepte so wichtig wie in keiner vergleichbaren Schublade ist. Doch das Maß an Phantasiearmut, mit dem das ganze Genre schon seit Jahren zu kämpfen hat, ist einfach eklatant. Man hat häufig nach dem ersten Satz Klappentext schon keine Lust mehr zum Weiterlesen. Die Synopsis, die diesen Friedhof der toten Ideen beschreibt, lautet dann häufig: „Fünf High School Schüler / Collage Schüler / junge Leute sind unterwegs auf einem verlassenen Highway / einem stillgelegten Bergwerk / in der Wildnis / einem verlassenen Haus, und begegnen dort dem Axtmö
rder respektive blutrünstigen Eingeborenen.“ Oder: „Junge Familie / allein stehende Mutter / Witwe(r) ziehen in eine neue Bleibe und begegnen dort dem Geist des Ehepartners bzw. des verstorbenen Kindes bzw. irgend eines toten Kindes, dessen Geist keine Ruhe gibt.“ Zwischen all den Axtschwingern und schwarzhaarigen Geisterkindern kommen dann noch die Remakes verdienter Spannungsklassiker wie
Texas Chainsaw Massacre,
Halloween,
The Amityville Horror,
Hitcher - der Highwaykiller. Allesamt überflüssig wie eine Warze. Denkmäler der Einfallslosigkeit.
Es ist nicht ganz leicht zu sagen, was
30 Days of Night, Verfilmung des gleichnamigen Comics, da nun anders machen soll als andere Streifen. Genau genommen macht er nichts wirklich anders, er macht es nur weniger schlecht und setzt dazu noch ein paar schöne Spitzen, die ihn aus dem Meer aus Mist der letzten Jahre herausragen lassen. Trotz Schwächen.
Man stelle sich folgende Situation vor. 1. Die kleine Stadt Barrow im Bundesstaat Alaska, die achtzig Kilometer vom Polarkreis entfernt liegt, tritt in einen immer wiederkehrenden Ausnahmezustand. Einmal im Jahr geht die Sonne für einen ganzen Monat unter. 2. Vampire gibt es wirklich. Aus 1. und 2. ergibt sich
30 Days of Night. Die Blutsaugerrechnung lautet dann: Stadt voller Menschen + 30 Tage Dunkelheit = Bon Appetit. So einfach und effektiv kann Gruselkino sein.
Das erste Wort, das Sheriff Eben Olemaun (Josh Hartnett) sagt, ist: „Seltsam“. Denn irgendein Scherzkeks hat sämtliche Handys verbrannt und in der Schneewüste vergraben. Er und sein Partner stehen um diesen Haufen verkokelten Schrott herum und können sich keinen Reim auf diese Spinnerei machen. Und es geschehen weitere merkwürdige Dinge. Währenddessen befindet sich die Stadt im Aufbruch. Diejenigen, die einen ganzen Monat Dunkelheit nicht abkönnen, nehmen die letzten Busse aus der Stadt. Und die die dableiben, richten sich auf das ein was kommt. Stella (Melissa George), die sich gerade erst von Ebon getrennt hat, ist auch zufällig in der Stadt und kommt natürlich noch zufälligerer Weise nicht mehr rechtzeitig zum Flughafen. Während der alljährliche Exodus immer weiter fortschreitet, kommt die Bedrohung näher.
Irgendwann ist es dann zappenduster und die Vampire blasen zu einem ausgiebigen ‚All you can suck’. Es bleiben nur noch Eben, Stella und ein Häufchen Versprengter übrig, die sich nun, in der Tat, warm anziehen dürfen.
„Seltsam“. Das erste Wort des Films. Es versinnbildlicht, was Werke dieser Art doch eigentlich so sehenswert macht. Nicht die Bedrohung an sich oder der Kampf gegen sie ist es, was Spannung ausmacht, sondern der Einbruch der Bedrohung in eine sicher und geregelt organisiert geglaubte Realität. Es ist diese Irgendwas-ist-nicht-in-Ordnung-Atmosphäre, die den Kern jeder Spannung ausmacht, die es dramaturgisch zu nutzen gilt und wahres Können demonstriert. Andere Regisseure wären hier mit dem Bagger über dieses zarte Pflänzchen gebrettert, um schneller zum Body Count über zu gehen. Slade nimmt sich etwas mehr Zeit, um diese Stimmung einer langsam aber unaufhaltsam näher kommenden Gefahr einzufangen. Und zeigt uns dabei beeindruckende Bilder, die aus sich heraus wirken.
Wie gesagt: wäre dieser Film in den Siebzigern oder frühen Achtzigern entstanden, hätte man sich wohl noch viel mehr Zeit genommen, um sich an dieser dramaturgisch so fruchtbaren Situation zu laben. Leider hält Slade diese Intensität und Subtilität nicht durch. Nach einem Drittel, wenn der Überlebenskampf beginnt, fällt der Startschluss für die Splatterorgie, die sich zu sehr auf die Konventionalitäten des Genres einlässt. Mitunter hat man das Gefühl, dass sich die Handlung nun darauf konzentriert, aus unnötigen Motiven heraus Opfer zu produzieren. Hartnett und Co. schleppen sich von einem strategischen Stützpunkt zum nächsten, versuchen eine Waffe gegen die Blutsauger zu finden, die allesamt aussehen, als wären sie aus einem Marilyn Manson-Video ausgebrochen. Dabei kommt natürlich der eine oder andere Mitstreiter unter die Räder bzw. zwischen die Zähne der ungebetenen Gäste.
Im Endeffekt macht
30 Days of Night also leider doch das, was andere Horrorproduktionen der letzten Zeit auch machen. Er misstraut der natürlichen Spannung, die eine Idee bietet und setzt stattdessen auf künstliche Spannung, die erst mit narrativen Gewaltakten herbeigezerrt werden muss. Und die mit der Logik nicht immer gut Kirschen essen kann. Warum es also doch noch, alles in allem, ein guter Film sein soll? Vielleicht, weil sich der Schreiber dieser Zeilen zur Abwechslung mal nicht gelangweilt hat. Nein, dieser Film macht Lust darauf, Slade noch eine Weile bei seinem weiteren Schaffen zu beobachten. Vielleicht kommt ja bald ein veritabler Kracher dabei heraus.