Schon oft in diversen Horrorfilmen verbraten, ist es dennoch ein Stoff, der ganz offensichtlich niemals an Aktualität verliert. Der Ausbruch der Schweinegrippe in Amerika und ihre nahezu weltweite Verbreitung, sowie der Lungenpest in Westchina im Jahre 2009 zeigen, dass auch im 21. Jahrhundert angekommen die moderne Welt ganz ohne extraterrestrischen Einfluss erschüttert werden kann. Einen passenderen Zeitpunkt für den offiziellen Kinostart von „Carriers“ kann es also kaum geben, auch wenn dieser Termin schon Wochen vor Ausbruch der neuen Pandemien feststand.
Karge Landschaften, verbarrikadierte Häuser, menschenleere Highways… und auf ihnen unterwegs ein – wie es scheint – einziges Auto, vollgeladen mit Kanistern und Dosen, auf den Sitzen zwei Brüder, die, an eine Erinnerung geklammert, dem Schrecken den Rücken kehren wollen. Brian (Chris Pine, „
Star Trek“) und Danny (Lou Taylor Pucci, „
Horsemen“) haben nicht nur ihre Eltern, sondern fast alle ihre Landsgenossen an ein Virus verloren, das hochgradig ansteckend und deshalb auf der ganzen Welt ausgebrochen ist. Wer einmal erkrankt, stirbt innerhalb von Tagen; ein Heilmittel oder einen Impfstoff gibt es nicht. Mit dabei sind Brians Freundin Bobby (Piper Perabo, „
The Cave“) und Dannys Schulkameradin Kate (Emily VanCamp) und zu vi
ert haben sie feste Regeln, deren Einhaltung ihnen das Überleben sichern soll.
Die Idee ist sicherlich nicht neu, aber auch wenn „Carriers“ nur allzu sehr an Filme wie „
I am Legend“ oder „
28 days later“ erinnert, geht das Genre in diesem Fall eher in Richtung Drama als Zombie-Horror. Nachdem die Regisseure, die Brüder Àlex und Daivid Pastor, die hier übrigens ihr Spielfilmdebut geben, einen Artikel in „The New Yorker“ über die Vogelgrippe gelesen hatten, fanden sie es verstörend, dass durch den Ausbruch von Pandemien eine Gefahr existiere, die selbst Strukturen und Ordnungen von Ländern der westlichen Welt aus den Bahnen werfen könnte. Das Interesse in diesem Film liegt auf den moralischen Konsequenzen, die eine solche Katastrophe mit sich ziehen kann. Die Frage, wie Menschen reagieren, wenn ihre gewohnte Sicherheit und Zivilisation zusammenbrechen, erinnert stark an José Saramagos Roman „Die Stadt der Blinden“, was unter anderem auch ein Werk war, das die Brüder Pastor zu ihrem Film inspirierte.
In „Carriers“ ist der Ausbruch einer Krankheit – ganz gleich, um welche es sich eigentlich handelt und wodurch sie verursacht wurde – ein Mittel, um Zugang zu vielschichtigen Charakteren zu gewinnen und herauszufinden, welchen Effekt eine Extremsituation wie diese auf menschliche Beziehungen hat. Diesen Weg meistert der Film ganz gut; die anfangs sehr einfach strukturierten Charaktere der Protagonisten gewinnen nach und nach an Tiefe und zeigen, dass es immer auch eine andere Seite gibt, als die, die man auf den ersten Blick präsentiert. So bricht der harsch und unethnisch scheinende große Bruder Brian irgendwann förmlich zusammen, da er die Bürde, sich und drei weitere Menschen lebend an ein Ziel zu bringen, ganz allein zu tragen hat. Er war immer derjenige, der Kommandos brüllt, aber er ist auch der, der damit die gesamte Verantwortung auf sich nimmt. Der jüngere Danny, der sich einst über seine Stipendien für Harvard und Yale freute, ist zwar ruhiger, besonnener und moralisierender, jedoch mut- und kraftlos, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen und voran zu kommen. Er billigt die Maßnahmen seines Bruder ohne sie vollkommen zu tolerieren, aber auch ohne etwas gegen sie zu unternehmen.
Die Charakterzeichnung der vier Figuren hat nur einen Knackpunkt: sie sind alle für ihr Vorhaben eigentlich viel zu naiv. Da die gesamte Welt bis auf wenige Ausnahmen ausgestorben, oder zumindest bereits infiziert zu sein scheint, grenzt es an schier unaussprechliche Rationalität und Vorsicht, dass die vier Freunde sich zusammenfinden und mit einem Wagen voller Ausrüstungs- und Versorgungsgegenstände auf den Weg machen können. Dass sie zu Beginn des Film relativ gelöst und positiv gestimmt sind, lässt vermuten, dass sie nicht erst gestern mit der Katastrophe konfrontiert wurden und Hals über Kopf aufgebrochen sind. Ihr Vorhaben, oder zumindest ihr Plan dauert also schon länger an, wobei man sich fragt, wie die vier es eigentlich so weit geschafft haben können, wo sie doch eigentlich, und jeder auf seine Weise, lächerlich unvorsichtig sind. Da steht man auf einem schmalen, wackeligen Sprungbrett und stochert in einem verseuchten Swimmingpool herum; man presst sich, nachdem man andere Orte mit literweise Desinfektionsmittel gereinigt hat, nach kurzem Darüberwischen einen Telefonhörer nach dem anderen an Ohr und Mund; und man geht dem starken Drang der Hilfsbereitschaft sofort nach, auch wenn es sich um ein infiziertes und somit ansteckendes Kind handelt. Letzteres ist zwar durchaus authentisch, aber ebenso unglaubwürdig, wenn man bedenkt, das jemand mit einem solch stark ausgeprägten Charakterzug der Verbreitung eines so resistenten Virus noch nicht erlegen ist.
Auch wenn das Thema nicht neu ist, kann man dennoch eine vielleicht neue, oder zumindest anrührende Sicht darauf erwarten. Jedoch wartet man auf interessante Wendungen oder schockierende Ereignisse vergebens. Der wegen der Katastrophe um sich greifende Moralverlust hätte um einiges brutaler und aufreibender sein können. So kann man nur beinahe unberührt den Kopf schütteln und denken, dass das alles schon mal dagewesen ist – und vieles davon eine Spur beeindruckender. Zwar könnte man dem Film zugute halten, dass er nicht versucht, über billige Mittel wie literweise Kunstblut oder ekelerregende Goreszenen die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu heischen. Auf der anderen Seite jedoch dümpelt „Carriers“ die meiste Zeit ruhig vor sich hin. Endzeitstimmung ja – Gänsehautgrusel nein. Auch die Gegensätze, mit denen hier versucht wird zu arbeiten, sind interessant zu beobachten, gehen aber leider nach hinten los. Die Handlung spielt sich fast völlig im gleißenden Sonnenlicht ab, was nun nicht gerade das offensichtlichste Mittel für einen Film zu sein scheint, der packen und schockieren will. Eine Schießerei im Sonnenblumenmeer wirkt nahezu makaber, aber dennoch wenig aufreibend. Schade ist es da nämlich zu sehen, dass schon mit einem einfachen Mittel, nämlich Dunkelheit, der Spannungsbogen von jetzt auf gleich erheblich steigt und im Tageslicht sofort wieder absinkt.
Alles in allem ist „Carriers“ doch eher enttäuschend. Zwar nett anzusehen und mit guten DarstellerInnen bestückt, aber leider ohne großen Knalleffekt, ohne Überraschungen und ohne auch nur irgendetwas Neues zu bieten. Da haben sich Zartbesaitete schon bei ganz anderen Filmen die Augen zugehalten.