In seiner Kurzerzählung „Die Affenpfote“ von 1902 beschreibt der britische Autor William Wymark Jacobs die tragische Geschichte einer Familie, die nach dem Gebrauch des titelgebenden Talismans in ein fürchterliches Unheil stürzt:
Das mysteriöse Objekt erfüllt seinem jeweiligen Besitzer zwar drei Wünsche – allerdings nicht ohne von diesem gleichzeitig für jede erfüllte Bitte einen hohen Preis einzufordern…
Auch Stephen King hat das Grundkonzept dieses Schauder-Klassikers 1983 in seinem Bestseller-Roman „Friedhof der Kuscheltiere“ aufgegriffen und der Affenpfote eine uralte, verfluchte Begräbnisstätte als magisches Pendant gegenübergestellt, welche von den dort vergrabenen Körpern Besitz ergreift und diese als mordende Ungeheuer zu ihren Familien zurückkehren lässt.
David Keatings Horrorschocker „Wake Wood“, der nach dem Remake „Let Me In“ (2010) und dem Thriller „
The Resident“ (2011) das inzwischen dritte aktuelle Lebenszeichen der unlängst reanimierten, legendären Genre-Filmschmiede
Hammer Films („
Dracula“, „
Das grüne Blut der Dämonen“) darstellt, schlägt nun thematisch
in eine sehr ähnliche Kerbe wie Kings Buch und erzählt die Geschichte eines Ehepaares, dem sich nach einem schweren Verlust eine wundersame Möglichkeit offenbart.
Der Veterinär Patrick (Aidan Gillen) zieht zusammen mit seiner Frau Louise (Eva Birthistle) in das verschlafene Dörfchen Wake Wood, um nach dem gewaltsamen Tod ihrer gemeinsamen Tochter Alice (Ella Connolly) in der ländlichen Idylle den nötigen Abstand von dem erschütternden Ereignis zu finden und über einen Neuanfang nachzudenken.
Während Patrick die Trauer recht gut zu verarbeiten scheint, droht Louise auch mehr als ein Jahr später noch an dieser zu zerbrechen und entscheidet sich deshalb, sowohl Wake Wood als auch ihren Angetrauten zu verlassen.
Auf dem Weg zum Flughafen hat das Auto allerdings eine Panne und Louise wird im Hinterhof von Patricks Arbeitgeber Arthur (Timothy Spall, „
Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street“) Zeugin eines bizarren Rituals, während welchem offenbar die Wiedergeburt eines Menschen aus der Leiche eines anderen heraus stattfindet.
Ohne Umwege geht Arthur kurz nach Louises Beobachtung selbst direkt auf das Paar zu und macht ihm ein unglaubliches Angebot:
Er kann auch ihre Alice wieder ins Leben zurückbringen – allerdings nur für genau drei Tage und nur unter der Voraussetzung, dass der Tod des Kindes nicht länger als ein Jahr zurückliegt.
Trotz der Warnung vor möglichen, verheerenden Konsequenzen lügen die Beiden und schließen ihren scheinbar nur leicht veränderten, kleinen Engel bald wieder in ihre Arme…
Zugegeben, inhaltlich lässt sich aus der Story von „Wake Wood“ nicht viel Neues herausziehen – es ist vielmehr David Keatings ungemein atmosphärische Inszenierung, die dem Werk trotz seiner offensichtlichen Inspirationsquellen (neben „Friedhof der Kuscheltiere“ wären aufgrund der Darstellung des mysteriösen Kults auch Robin Hardys Meisterwerk „The Wicker Man“ sowie der sich ebenfalls intensiv mit der Trauer nach dem Kindesverlust auseinandersetzende „
Wenn die Gondeln Trauer tragen“ zu nennen) eine recht eigene Qualität verleiht und die Zuschauer zumindest in der ersten Filmhälfte sowohl aufgrund der Mystery- als auch der Drama-Elemente zu ergreifen vermag.
Sehr schön anzusehen ist übrigens auch die Art, wie der Regisseur um sein Reinkarnations-Ritual und die Gemeinschaft, die hinter diesem steht, ein mystisches, aber für die Zuschauer irgendwo stets nachvollziehbares, Universum erschaffen hat.
So werden Einwohner des Dorfes als zwar durchweg sehr eigene und kauzige, aber dennoch sympathische Menschen dargestellt, die die fatalen Folgen des Hilfe-Angebotes, das sie an die zwei Neuankömmlinge richten, so ganz sicher nicht vorhergesehen haben.
Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Element, auf das Keating („The Last Of The High Kings“) in seinem Film wiederholt zurückgreift, ist der sehr effektive und markante Soundtrack von Michael Convertino, welcher dem irischen Dorf Pettigoe, das als Drehort für das frei erfundene Wake Wood hergehalten hat, durch seine tranceartig-perkussiven Klänge gleich zu Beginn einen verwunschenen Schleier verleiht.
Für echte
Hammer-Nostalgiker sei allerdings trotz der erwähnten, zum Schneiden dichten Stimmung angemerkt, dass es sich hier keineswegs um eine vergleichsweise zahme Aufarbeitung eines klassischen Gruselstoffes handelt, sondern „Wake Wood“ auch über einige nicht gerade subtile Schockmomente und unerwartet deftige Splattereinlagen verfügt, die Anhängern der alten Schule ganz schön sauer aufstossen könnten.
Von Bullen zertrampelte Menschen, gehäutete Hunde oder grässlich verstümmelte Kühe sind vielleicht nicht zwingend solche Anblicke, die man sich von der wohligen Gänsehaut-Attacke erhofft hat.
Obwohl die wenig zimperlichen Grausamkeiten wahrscheinlich in erster Linie den Sehgewohnheiten eines neuen Publikums geschuldet sind und die Geschichte auch sehr gut ohne diese funktioniert hätte, stören sie in der ersten Hälfte dennoch keinesfalls den sorgfältigen Spannungsaufbau, der auch stark von den überzeugenden Leistungen der motivierten Darstellerriege profitiert.
Leider kann der Regisseur nach der Enthüllung seines anfangs im Hintergrund operierenden Grauens den zuvor so beklemmenden Nervenkitzel nicht mehr ganz aufrecht erhalten und orientiert sich ab diesem Moment ärgerlicherweise stark an ausgelutschten Genre-Konventionen, die die Geschichte dann etwas lieblos aber immer noch sicher an ihr Ziel führen.
Hätte Keating der Versuchung des personifizierten Unheils länger widerstanden und sich noch die wirklich überflüssige Abschluss-Pointe gespart, wäre in „Wake Wood“ mehr als „nur“ diese kleine aber dafür teils wirklich gruselige Neuinterpretation des ehrwürdigen
Hammer-Horrors drin gewesen…