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von David Fincher




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Der seltsame Fall des Benjamin Button

Der seltsame Fall des Benjamin Button

Ein Film von David Fincher

von Asokan Nirmalarajah

Robert Zemeckis und James Cameron haben es vorgemacht. Michael Bay hat es erfolglos versucht. Nun wagt sich auch – ausgerechnet! – David Fincher erstmals an einen Film, der sich nur schwer in eine Reihe mit seinen bisherigen Genrefilmen stellen lässt, dafür aber alle Elemente beinhaltet, die den tendenziell konservativen Mitgliedern der Oscar-Academy immer schon gefallen haben. Neben Holocaust-Dramen und Biopics waren es vor allem episch angelegte romantische Dramen vor dem ereignisreichen Hintergrund amerikanischer Zeitgeschichte, die bei der Academy bislang den meisten Anklang gefunden haben. Diese anachronistische Vorliebe für ein Genre, das seinen Höhepunkt bereits mit den Liebesmelodramen der 40er Jahre erlebte, hat es zuweilen Regisseuren, die auf weniger anerkannte Genres (SciFi, Horror, Action, Thriller) spezialisiert sind, ermöglicht, den überfälligen ‚Oscar-Respekt’ zu bekommen. So geschehen bei dem bis dato auf Fantasy-Slapstickkomödien spezialisierten Zemeckis, der 1994 mit Forrest Gump gewann, und bei dem für seine Science-Fiction-Dystopien bekannten Cameron, der 1997 mit Titanic davonzog. Dabei macht es keinen wirklichen Unterschied, dass die fraglichen Oscar-Filme nicht mal annähernd so interessant sind wie die restlichen Genrefilme der Filmemacher. Lediglich Action-R
egisseur Michael Bay ging 2001 mit seiner nach dem Titanic-Modell geschneiderten Weltkriegsromanze Pearl Harbor kläglich baden. Die 13 Oscar-Nominierungen, die Finchers siebter Film The Curious Case of Benjamin Button (2008) bereits holen konnte, sprechen aber dafür, dass sich die Academy von dem edel produzierten Anbiederungsversuch Finchers schon ungleich mehr beeindruckt zeigte. Dabei ist auch in diesem Fall irrelevant, dass der gänzlich substanzlose Langweiler Benjamin Button, der sich konzeptionell irgendwo zwischen Forrest Gump und Titanic verortet, zwar durchaus die Handschrift seines Regisseurs trägt, aber so formel- und klischeehaft geraten ist, dass man leider von Finchers technisch vielleicht eindrucksvollstem, aber in jeder anderen Hinsicht schwächstem Film reden muss.
Der seltsame Fall des Benjamin ButtonDer seltsame Fall des Benjamin ButtonDer seltsame Fall des Benjamin Button
Wenn man jemandem die ‚Schuld’ an dem Benjamin Button-Debakel zuschieben möchte, dann ist es Eric Roth. Der mehrfach Oscar-nominierte Drehbuchautor ist bekannt für seine Oscar-prämierte Drehbuchadaption des Winston-Groom-Romans Forrest Gump, die die satirische Brillanz der Vorlage mit einer flachen Romanze und konservativer, statt anarchischer Geschichtsverklärung versäuerte. Auch bei Benjamin Button handelt es sich um eine nach tiefgründigen Einsichten über Leben und Tod suchende Adaption einer satirischen Vorlage: die gleichnamige Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, erschienen 1921, 'berichtet' von dem „seltsamen Fall des Benjamin Button“, der als alter Mann geboren wurde und als Baby starb. Was bei Fitzgerald noch eine harmlose Humoreske ist, gerät bei Roth zum pseudo-tiefsinnigen Liebesdrama über das Wunder des Lebens und den dramatischen Verlust geliebter Mitmenschen durch den Tod. Fitzgerald kümmert sich in seiner recht ereignislosen Geschichte aber nur wenig um Fragen von Leben und Tod. Auch interessiert ihn die nebenbei erzählte Liebesgeschichte zwischen Benjamin und seiner Ehefrau Hildegarde herzlich wenig. Der romantische Zyniker amüsiert sich stattdessen über die gesellschaftlichen Konventionen, die Benjamin das Leben in manchen Situationen schwer und in anderen besonders leicht machen. Dabei findet Fitzgerald in seiner Kurzgeschichte auch zu keiner größeren Einsicht als dass sich das Leben eines Menschen am Anfang und am Schluss ähnelt (kindliche bzw. senile Hilflosigkeit), während die Jahre zwischen 18 und 50 der individuellen Selbstrealisierung dienen. Roth nimmt diese sehr schmale Vorlage und spannt sie über 166 ermüdende Minuten Laufzeit, in der er über oberflächliche "Carpe diem!"-Einsichten, Außenseiter-sind-auch-Menschen-Platitüden und Es-ist-niemals-zu-spät-sein-Leben-zu-ändern-Botschaften nicht hinauskommt und diese deshalb auch wiederholt in den recht schnell komatösen Zuschauer einprügelt.

In einer Rahmenhandlung, die schwer an die von Titanic erinnert, sehen wir eine im Sterben liegende Mutter (Cate Blanchett unter einer Maske, die sie die ganze Zeit zu ersticken droht), die ihre Tochter (Julia Ormond ohne Maske, aber mit einem mindestens genauso abgenutztem Gesicht) bittet, das Tagebuch ihres alten Freundes Benjamin Button (Brad Pitt) vorzulesen, während sich vor dem Fenster Hurrikan Katrina ankündigt. In einem unsäglichen Off-Kommentar, das jede im Bild eingefangene Gefühlsregung und Handlungsentwicklung abermals ausbuchstabiert, kommentiert Benjamin á la Forrest Gump seine wundersame Geschichte (statt von einer Feder wird er hier von einem Kolibri verfolgt!), in der er am Ende des 1. Weltkrieges in New Orleans geboren wird. Zwar hat er die Größe eines Babys, aber sein Körper ist so verschrumpelt wie der eines alten Mannes. Sein Vater (Jason Flemyng) reagiert entsprechend entsetzt und setzt das Baby nach dem Tod der Mutter auf der Hintertürtreppe eines Altenheims aus, wo es von dem schwarzen Hausmädchen Queenie (Taraji P. Henson) gefunden und adoptiert wird. Benjamin wächst auf, trifft skurrile Charaktere daheim und anderswo, und verliebt sich in Daisy (Cate Blanchett), die er als kleines Mädchen befreundet und Jahrzehnte später zu seiner Frau nimmt, als sie sich alterstechnisch in der Mitte treffen. Die Liebe ist aber überschattet von der Tatsache, dass sie immer älter und er immer jünger wird…

Der seltsame Fall des Benjamin ButtonDer seltsame Fall des Benjamin ButtonDer seltsame Fall des Benjamin Button
Wäre Benjamin Button, der nur wenige menschliche Regungen außer Staunen und Neugierde zu kennen scheint, nicht so seltsam unbeteiligt an seinem eigenen Leben, dann wäre man wohl auch daran interessiert wie es ihm letztlich ergeht. Aber weder Benjamin noch die gänzlich farblose Daisy wecken etwas anderes als Gleichgültigkeit beim Zuschauer, der gezwungen ist, einem Lebenslauf beizuwohnen, der sich nicht wirklich von denen unterscheidet, die normal altern. Benjamins biologische Besonderheit hat zwar seine komischen und rührenden Momente im Film, nutzt sich aber relativ schnell ab. Und wenn er nach anderthalb Stunden (und dreißig Jahren Lebensdauer) immer noch nur verblüfft feststellen kann, dass er jünger wird, während alle um ihn herum ständig sterben – kein Wunder, er wohnt schließlich in einem Altersheim! – weiß man nicht ganz, worauf Fincher hinaus will. Die Hauptfiguren sind sogar so blass und die skurrilen Nebenfiguren so eindimensional, dass die aufregendste Figur im ganzen Film ein verwirrter alter Heimbewohner ist, der hin und wieder kurz auftaucht und davon berichtet, wie er sieben Mal vom Blitz getroffen wurde.

Zwar kann man jedem einzelnen historisch überzeugenden, atmosphärisch potenten und zuweilen gar faszinierenden Bild des Films Finchers gewohnte Detailverliebtheit entnehmen, aber keiner seiner bisherigen Filme vermochte so zu langweilen. Bewundernswert ist die verblüffende Kombination aus visuellen Effekten, Kamera, Make-up, Ausstattung, Kostümen etc., um nicht nur eine vergangene Epoche makellos wiederherzustellen, sondern auch den Alterungsprozess bzw. ‚Verjüngungsprozess’ der Figuren einzufangen. Und gelungen ist auch Finchers Einsatz von verschiedenem Filmmaterial, um die jeweiligen Epochen des 20. Jahrhunderts filmgeschichtlich einzufangen (wie es schon Martin Scorsese 2004 in The Aviator vormachte). Doch so handwerklich einwandfrei der Film auch sein mag, er bleibt hohl und irrelevant – vor allem weil er allen kontroversen Aspekten seiner Geschichte (z.B. Rassismus im Süden, pädophile und ödipale Dynamiken in der Beziehung zwischen Benjamin und Daisy, die Bedeutung von Hurrikan Katrina) so gepflegt aus dem Weg geht oder pauschalisiert wie es schon Forrest Gump vormachte. Forrest Gump war in seiner reduktiven Sicht komplexer soziokultureller Sachverhalte aber immerhin noch unterhaltsam und amüsant. Benjamin Button vermag nur zu langweilen oder zu frustrieren.

Wenn Fincher wirklich bei den Academy Awards 2009 gewinnen sollte, dann können wir uns zumindest damit trösten, dass er doch in Wirklichkeit für sein bisheriges Oeuvre – das immerhin Meilensteine wie Seven (1995), Fight Club (1999), Zodiac (2007) und clevere Genre-Spielereien wie The Game (1997) und Panic Room (2002) beinhaltet – und nicht unbedingt für diesen missglückten Film die Anerkennung erhält.

Eine Rezension von Asokan Nirmalarajah
(31. Januar 2009)
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Daten zum Film
Der seltsame Fall des Benjamin Button USA 2008
(The Curious Case of Benjamin Button)
Regie David Fincher Drehbuch Eric Roth
Produktion Warner Bros. Kamera Claudio Miranda
Darsteller Brad Pitt, Cate Blanchett, Julia Ormond, Elias Koteas, Jason Flemyng, Taraji P. Henson
Länge 166 FSK 12
http://wwws.warnerbros.de/benjaminbutton/
Filmmusik Alexandre Desplat
Kommentare zu dieser Kritik
Shikantaza sagte am 02.03.2009 um 13:24 Uhr

Ich hab mich im Kino sehr gelangweilt, und DAS bei einem David-Fincher-Film!
Der Film wäre ganz okay, würde er anderthalb statt beinahe drei Stunden dauern. Vielleicht lag es auch an der Synchro, deren tranige, pseudo-bedeutungsschwangere Stimmung nur schwer zu ertragen war.
Ein paar schöne Bilder gibt´s zu sehen, und die Maske von Brad Pitt ist wirklich gut und spannend gemacht. Cate Blanchett ist gut wie immer, und tatsächlich hat der Film mich an den ebenfalls schwülstig-trantütigen "Forrest Gump" erinnert, den ich aus ähnlichen Gründen nicht mag.

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