DA SOLL EINEN DOCH DER BLITZ TREFFEN!
„Superpowers? Dude, I don`t even know how to pee in this thing!“
Weitermachen, oder einen Neustart wagen? Diese Frage dürfte der Chefetage bei
Warner Bros. nach den nicht mehr schön zu redenden Einspielergebnissen von „Justice League“ im Jahr 2017 mehrfach durch den Kopf geschossen sein. Denn der ach so schöne Traum vom groß angelegten Helden-Universum, ganz im Stile des ewigen Konkurrenten
Marvel und seinem bald 22 Filme umfassenden
MCU, war im Grunde schon während der holprigen Produktionsgeschichte des 300 Millionen Dollar teuren Zweistünders ausgeträumt, vor allem, da ihre Eskapaden von den nicht ermüden wollenden Medien genüsslich rauf- und runterbuchstabiert wurden. Die Folge: Eingestampft, wie vom allmächtigen Doomsday in den Morast des Vergessens gedrückt. Wie sollte es also weitergehen? Die Antwort darauf liest sich fast wie eine Realsatire in Reinkultur. Denn dass die neuerliche Akzentuierung auf starke Einzelcharaktere in für sich stehenden Solofilmen, ganz ohne den störenden Ballast eines zentnerschweren, allumfassenden
Extended Universe-Storykonstrukts im gestählten Rücken, mit Aquaman gerade
den Helden aus der zweiten Reihe auf den Thron des Milliardensiegers am Boxoffice hieven würde, der zuvor eher belächelt als bewundert wurde, ist in gewisser Weise Hohn und Lohn zugleich.
Nun denn, auf, auf zu neuen Ufern, weg vom allzu Bekannten, hin zu Helden, die sich vielleicht noch nie als solche gefühlt haben (oder als solche gesehen wurden). Batman und Superman werden sie verkraften, diese gleichermaßen interessante wie spannende Neuausrichtung, und selbst wenn nicht: Sie hatten ihre Chance, nutzten diese bedingt, somit dürfen sie jetzt auch ruhig mal die junge, unverbrauchte Garde ranlassen. Und warum nehmen wir das
jung im Falle von
„SHAZAM!“ nicht einfach mal so richtig wörtlich?
Ganz im Stile klassischer Körpertausch-Geschichten, wie sie in den 80er Jahren in Mode waren, erleben wir in
„SHAZAM!“ eine etwas andere Form des Reifeprozesses eines Kindes, das als Waise schon früh lernen musste, sich alleine durchzuschlagen. Sich nirgendwo zu Hause fühlend und von Pflegefamilie zu Pflegefamilie durchgereicht, ist Billy Batson (Asher Angel) der Innbegriff der Identitätssuche: Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Ausgestattet mit einem reinen Herzen, ist Billy eines Tages empfänglich für die magischen Avancen von Shazam, einem weißbärtigen alten Magier (Djimon Hounsou), der händeringend einen jungen Nachfolger sucht, um den kahlköpfigen Finsterling Dr. Thaddeus Sivana (Mark Strong) aufzuhalten, in den die sieben Todsünden gefahren sind (was stehen die auch einfach so als Gargoyles in der Gegend rum?) und der nun auch noch die magischen Fähigkeiten Shazams verinnerlichen will (Gier macht gleich auf sich aufmerksam). Keine gute Mischung, wenn man das Wohl der Menschheit im Auge hat. Und so entwickelt sich ein unbedarfter 14-Jähriger urplötzlich zur alleinigen Hoffnung für die Menschheit, gefangen im Körper eines muskelbepackten 38-Jährigen (Zachary Levi), sobald er das magische Zauberwort
Shazam sagt...
Wenn sich im weiteren Verlauf der Geschichte der blitzgesch(r)eite Held und sein Antagonist also das unvermeidlich erste Mal gegenüberstehen, dann ist dies kein Aufeinandertreffen auf Augenhöhe. Vielmehr sehen wir das wortwörtliche Kind (Asher) im Körper eines Erwachsenen (Levi), das sich nicht nur mit seinen neuen Fähigkeiten, sondern plötzlich auch mit den Befindlichkeiten des Älter- und Größerwerdens arrangieren muss. So mag das Kaufen von Bier für einen Jugendlichen am Anfang vielleicht noch wie eine mächtig tolle Superkraft wirken; am Ende erkennt aber selbst unser junger Held, der mit seinem wirklichen Namen auch als Neffe von Bruce Wayne durchgehen könnte, dass es im Leben um weitaus mehr geht und Superkräfte längst nicht alles sind...
Erzählt wird dies alles mit viel augenzwinkerndem Humor und reichlich Slapstick, wie man es von Körpertausch-Geschichten im Sinne von „Big“ [1988] eben erwartet. Schließlich wollen ja alle neuen Fähigkeiten auch erst einmal gründlichst erprobt werden. Feuerfestigkeit, Unverwundbarkeit, Laseraugen? Das Gesamtpaket eines Superhelden als
Unboxing-Event im Social-Media-Zeitalter. Genüsslich zelebriert Regisseur Sandberg Irrsinn der reinsten Form und liefert eine Schnittmontage an denk- und schauwürdigen Momenten, die mal wehtun (Fliegen!), mal zum Lachen animieren (Unsichtbarkeit!) oder auch einfach nur mit dem Kopf schütteln lassen (folgenreiches Blitzeverschießen). Hier zeigt sich, dass auch Verantwortung erst erlernt werden muss und ein erwachsener Körper allein fehlende Einsicht nicht kompensieren kann. Eine Erkenntnis, die in der Realität wohl noch nicht so recht angekommen ist, wie es scheint.
Trotz des amüsant-hintergründigen Unfugs stets dabei: das Herz, verankert am rechten Fleck. Denn abseits der tricktechnisch versiert umgesetzten Spielereien, welche jedoch in diesem 80 Millionen-Dollar-Spektakel niemals Überhand nehmen, sondern zumeist ein Nebenschauplatz der eigentlichen Geschichte um Selbstfindung bleiben, ist
„SHAZAM!“ ein Film, der die wirklich wichtigen Werte im Leben betont. Ohne allzu deutlich zu moralisieren, zeigt er überraschend feinfühlig auf, dass - ganz gleich, ob nun als Kind oder Erwachsener - das Leben nicht immer leicht ist und selbst ein vermeintlicher Bösewicht am Ende des Tages nur zum bemitleidenswerten Häufchen Elend reicht, welches durch eine Verkettung unglücklicher Umstände (Anerkennung ist so wichtig heutzutage) geradezu in diese Schiene gedrängt wurde.
That`s life, too! All das, zusammengefasst und behutsam in Form gegossen, ergibt einen
Familien-Film im besten Sinne des Wortes, der den Geist 30 Jahre alter Jugend- und Abenteuerfilme atmet und sich deutlich kurzweiliger gibt, als die trashige Ausgangslage und die 132 Minuten Laufzeit vermuten lassen. Man muss nicht immer alles so bierernst nehmen. Das zeigt alleine die ungezähmte Spielfreude der Jung- und Altstars, die niemals überzogen, sondern immer auf den Punkt fixiert für launige Unterhaltung sorgt. Kurzum:
„SHAZAM!“ ist die wohl charmanteste Superhelden-Verfilmung seit langer Zeit. Von daher: Alles richtig gemacht,
DC!
Fazit: „SHAZAM!“ ist wie sein titelgebender Held kindisch und gleichermaßen erwachsen, in einer Sekunde zum Brüllen komisch und im selben Moment berührend, ernst und ehrlich: Eine solch gelungene Wundertüte hätte man nach dem ersten Trailer wahrlich nicht für möglich gehalten. Da sage noch mal einer, das aktuelle Blockbuster-Kino wäre nicht mehr für eine handfeste Überraschung gut.
Cover: © 2019 Warner Bros.