„It reminds me of a line from 'The Legend of Sleepy Hollow' [...]. Ichabod Crane disappears... the line goes: 'As he was a bachelor, and in nobody's debt, nobody troubled their head about him anymore.'”
„Is that what you feel?”
„Is what I want.”
Stephen King, der Meister des Bösen, zählt zweifellos zu den einfluss- und kommerziell erfolgreichsten Autoren der Gegenwart. Bislang setzte der 62jährige über 400 Millionen Exemplare seiner Werke ab, und täglich kommen noch einige neue hinzu. Ein nicht alltäglicher Kreislauf: Kings Erfolgsgeschichte schreibt sich selbsttätig fort.
Es wäre zugegeben arg vermessen, diesen besonderen Schriftsteller unter den Begriff „Durchschnitt“ zu subsumieren. Kings aktives Schaffen, das sich bereits über etliche Jahrzehnte spannt und von Horror-Romanen über Sachbücher bis hin zu Gedichten die volle Bandbreite literarischen Könnens bereithält, versetzte ihn nicht nur in die Lage, seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben bestreiten zu können (45 Millionen US-Dollar / Jahr) – im Jahre 2003 wurde ihm sogar der renommierte
National Book Award to American Letters zuteil. Eins steht fest: Stephen Edwin King ist ein Meister seines Fachs und als solcher weit davon entfernt, lediglich durchschnittlich zu sein.
Dabei sind die Charaktere in seinen Roman und Kurzgeschichten fast ausnahmslos Durchschnittsmenschen, die sich
plötzlich und unvorhergesehen grauenhaften oder mysteriösen Situationen ausgesetzt sehen. Ein Umstand, der Kings Vorliebe für das Einflechten autobiographischer Aspekte in seine Werke mehr als deutlich zum Vorschein bringt. Sei es ein Autounfall oder der Vorwurf des Plagiats – King schreibt, um zu verarbeiten, weshalb sich in jeder noch so unheimlich anmutenden Geschichte des Meisters durchaus noch ein Fetzen unserer eigenen, mitunter ungleich grausameren Welt finden lässt.
„THE DEAD ZONE“ – die gelungene Adaption des mittlerweile 30 Jahre alten Romans gleichen Titels – erzählt von einem solchen Durchschnittsmenschen, dem ein wieder einmal großartiger
Christopher Walken („
Die durch die Hölle gehen“ [1978]) Gesicht und Seele verleiht. Walken ist Johnny Smith, ein Lehrer, der nach einem schrecklichen Autounfall in ein fünfjähriges Koma fällt. Als er schließlich wieder erwacht, muss er feststellen, dass sich einiges verändert hat. Nicht nur hat seine damalige Verlobte mittlerweile geheiratet und ein Kind geboren – zu allem Überfluss erkennt der Geschockte, dass er – wodurch auch immer – hellseherische Fähigkeiten herausgebildet hat, die es nun zu beherrschen gilt. Und plötzlich interessieren sich mehr Leute für Johnny, als ihm eigentlich lieb ist, woraufhin das Unheil schicksalsträchtig seinen Lauf nimmt...
Regisseur
David Cronenberg, der durch sein Remake des Gruselklassikers „Die Fliege“ [1986] auf sich aufmerksam machte und mit seinen aktuelleren Werken „A History of Violence“ [2005] respektive „
Tödliche Versprechen“ [2007] sogar Aussicht auf einen Oscar hatte, inszenierte mit diesem Film seinen vielleicht gradlinigsten, nichtsdestotrotz bemerkenswert hintersinnigen Thriller. Die kühle Regie findet in der stimmigen Kameraführung
Mark Irwins („
Verrückt nach Mary“ [1998]) zu jeder Zeit ihren passenden Partner, der das Schicksal eines vormals normalen Menschen wie Du und Ich in düstere, jeder Farbe verlustig gewordene Bilder kleidet. Man kann regelrecht
sehen, wie es im Innern Johnnys zugehen muss, wird stiller Beobachter einer bild- und filmgewordenen Gefühlswelt, die mehr auszusagen vermag, als es das gesprochene Wort jemals bewerkstelligen könnte. Ein kluger Schachzug, der es ermöglicht, eine Beziehung zum tragischen Protagonisten herzustellen und den Zuschauer nicht etwa zum teilnahmslosen Individuum degradiert.
Leben, Tod und Verlust – die ständigen Begleiter Johnnys – zeichnen so ein wahrhaftiges Bild einer Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt bereits nur noch einen Schatten ihrer selbst darstellt. Jeder Versuch, das Leiden aus ihr zu entfernen, wird zu dem sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen Stein, jedes Augenöffnen mittels Einsicht zur durchweg sinnlosen Tat. Hierbei macht Cronenberg inszenatorisch keine Gefangenen, alles Gute scheint im dunklen Verborgenen ein gar einsames Dasein zu fristen. Unwillkürlich kommt die Frage auf, ob ein Einzelner angesichts dieser Ausweglosigkeit trotz besonderer Gabe überhaupt noch etwas ausrichten kann. Denn was nützt schon die hellste Erkenntnis oder Vision, wenn sie doch nicht bis zum Ende des tiefdunklen Tunnels reicht?
Als reiner Horror-Thriller angepriesen, kommt der Film im Grunde vielmehr als das auf Zelluloid gebannte Psychogramm einer langsam zerfallenden Gesellschaft daher, als sogenannter Blick über den Tellerrand des Augenscheinlichen, den ein Durchschnittsmensch wagt – mit allen damit einhergehenden Folgen. Der abrupte, drastisch geschilderte Schluss, der sowohl Ende als auch (Neu-)Anfang markiert, ist somit nur logische Konsequenz der vorangegangenen 90 Minuten, die von einem menschlichen Schicksal berichteten, und lässt
„THE DEAD ZONE“ zum regelrechten Schlag in die Magengrube mutieren, den unsereins erst einmal verarbeiten muss. Er, der Meister des Bösen, würde schreiben. Der Durchschnittsmensch hingegen hat dies (wie im Film) alleine durchzustehen.
Stephen King wusste wohl schon seit jeher, dass sich unsere Realität hier und da problemlos mit fiktiven Monstern und Konsorten messen kann. Willkommen im Hier und Jetzt. Willkommen in der Wirklichkeit.