Carl Gustav Jung war der Begründer der
analytischen Psychologie.
Dessen ehemalige Patientin und Geliebte Sabina Naftulowna Spielrein machte sich einen Namen in der
Psychoanalyse, deren Bewegung ja bekanntermaßen von dem österreichischen Arzt Sigmund Freud initiiert worden ist.
Der kanadische Regisseur David Cronenberg hat seine Spielfilmkarriere mit aufsehenerregendem
Body-Horror wie „Scanners“ (1981) oder „Videodrome“ (1983) begonnen und widmet sich in seiner neuen Arbeit „Eine dunkle Begierde“ den zuvor erwähnten, historischen Persönlichkeiten.
Das Resultat entpuppt sich leider als enttäuschend kraftloser Kostümschinken, der zwischenzeitlich in den „Eine verhängnisvolle Affäre“-Modus schaltet und ansonsten streng dreinblickende, bärtige Männer zeigt, die an ihren Zigarren nuckeln und über allerhand psychologische Theorien diskutieren.
Zumindest letzterer Punkt sollte niemanden verwundern.
Wer nun aber schon einmal eine echte Vorlesung oder ein Seminar zu diesem Thema besucht hat, wird müde gähnen – und die übrigen Zuschauer wird das eitle Gebaren der Herren Jung und Freund vermutlich ähnlich wenig tangieren.
Es ist allerdings auch nicht so, dass „Eine dunkle Begierde“ ein durch und durch uninteressanter oder schlechter Film wäre.
Cronenberg sammelt Punkte, wenn er den Konflikt zwischen nüchterner, wissenschaftlicher Betrachtung und animalischer, sexueller Leidenschaft schildert.
Wenn Körper und Geist sich streiten, das ist sein Heimspiel – hier aber nun gänzlich ohne schleimige Mutationen oder exzessives Blutvergießen.
Die Exposition des Films verläuft holprig.
Eine Kutsche rast in Richtung der Universitätsklinik
Burghölzli, Zürich.
In dieser wird die unter „Hysterie“ leidende Russin Sabina Spielrein ihrem therapeutischen Ziel überführt.
Keira Knightley verkörpert die geplagte, junge Frau, und eine Sache zeichnet sich bereits deutlich ab:
Die britische Mimin mag im Piratenkostüm neben Johnny Depp ganz nett ausschauen, eine wirklich brillante Schauspielerin, die eine schwierige Rolle wie diese tragen kann, ist sie nicht (Anhänger der Joe Wright-Filme dürfen mir ja gerne einen giftigen Kommentar hinterlassen).
Das, was sie da zu Beginn als Ausprägungen ihrer geistigen Krankheit präsentiert, wirkt offensichtlich aufgespielt und reichlich unangemessen.
Leider vermögen auch ihre Co-Stars Michael Fassbender („
Eden Lake“) und Viggo Mortensen, der nach „A History Of Violence“ (2005) und „
Tödliche Versprechen (Eastern Promises)“ (2007) bereits zum dritten Mal mit Cronenberg zusammenarbeitet, nicht an ihre gewohnten Leistungen anzuknüpfen.
Vielleicht haben sie auch einfach keine Lust.
Zumindest dem kurz als Otto Gross auftauchenden Vincent Cassel („
Black Swan“) scheint seine Rolle als intellektueller Lustmolch Spass bereitet zu haben – er hinterlässt den stärksten Eindruck der gesamten Besetzung.
Auch wirkt es ein wenig so, als wenn der Regisseur zum Drehstart vergessen hat, was ihn nun genau an diesem vergleichsweise trockenen Material fasziniert hat.
Natürlich ist der Beginn der Psychoanalyse im Prinzip ein spannendes Thema. Ein gutes Buch darüber fesselt den Interessenten allerdings zweifellos mehr als diese Mischung aus Historiendrama und mildem Thriller, die ursprünglich auf dem Bühnenstück „The Talking Cure“ von Christopher Hampton basiert.
Wie schon erwähnt, schildert „Eine dunkle Begierde“ die Behandlung Sabina Spielreins durch Carl Gustav Jung (Fassbender), der etwa zeitgleich eine enge, kollegiale Beziehung zu Sigmund Freud (Mortensen) aufbaut.
Jung lehnt die sexuellen Motive, welche Freuds Ansätze durchziehen, weitgehend ab.
Ironischerweise ist der sexuelle Trieb letztlich das, was ihn später selbst in eine peinliche bis riskante Situation bringen soll:
Er beginnt eine Affäre mit seiner Patientin und Assistentin Spielrein, die sein eigentlich glückliches Familienleben mit seiner schwangeren Frau Emma (Sarah Gadon) überschattet und ihn auch zu einer flinken Lüge gegenüber Freud zwingt.
Der Anfang vom Ende der Zusammenarbeit zwischen den Kollegen scheint gemacht zu sein...
Cronenberg entwirft in „Eine dunkle Begierde“ eine typisch-delikate Dreieckskonstellation, wie man sie aus unzähligen Geschichten – ob nach einer wahren Begebenheit oder nicht – kennt.
Er hätte sich gut damit getan, packendere Aspekte, als das dröge Geheimnistuerei-Hin-und-her, in den Mittelpunkt seiner neuen Arbeit zu stellen.
Der Konflikt, welcher sich in seinem Jung abspielt, mag die Zuschauer über die 100-minütige Laufzeit einigermaßen bei der Stange halten – über einen Vulkanier, der soeben seine Libido wiederentdeckt hat, kommt die schmale Charakterisierung aber kaum hinaus.
Ein Witz ist auch die Darstellung des folgenden Bruchs mit Freud.
Gemeinhin wird das Aus von deren intensiver Zusammenarbeit mit der Kritik Jungs an Freuds Theorie in Verbindung gebracht.
In „Eine dunkle Begierde“ hört sich das ganz anders an:
„Er wollte mir seinen Traum nicht erzählen!“, schwadroniert Jung verärgert vor seiner Frau herum.
Tja, so hart kommt's halt manchmal im Leben!
Jetzt wollen wir aber auch langsam mal zu unserem Abschluss kommen.
Also gut – die Bärte sitzen, die Hüte passen und Peter Suschitzky verpackt die schön ausgeleuchteten Sets in wunderbare Bilder.
Wesentlich besser als viele andere Historienschinken ist dieser allerdings nicht.
Noch ein Tipp: Bei echtem Interesse an der Materie besser mal in die Bib gehen.