DIE ANDERE SEITE VOM GUTEN
So wie man in den Wald der FantrĂ€ume hineinschreit, so schallt es einem auch wieder entgegen, sprich: Wer das Echo nicht vertrĂ€gt, muss die passenden OhrenschĂŒtzer tragen. Die Rufe nach einer adĂ€quaten Verfilmung des Antihelden-Comics âSuicide Squadâ von
John Ostrander jedenfalls waren groĂ und der Jubel der Fans umso euphorischer, als sich Regisseur
David Ayer mutig den hohen Erwartungen entgegenstellte, um genau das zu bewerkstelligen. Das Ergebnis im August 2016: Die Fans haben endlich ihren Film ĂŒber die Strafgefangenen mit auĂerordentlichen FĂ€higkeiten, die als geheime Regierungsorganisation
Task Force X riskante Missionen absolvieren, um ihre Strafe zu mildern. Dem hohen Erwartungsdruck hĂ€lt vier Monate nach dem enttĂ€uschenden â
Batman v Superman: Dawn of Justiceâ [2016] aber auch dieser neueste
DC-Output nicht stand.
âIn a world of monsters, this is the only way to protect the country.â
Der Hauptmakel von âBatman v Superman: Dawn of Justiceâ war, zu viel zu wollen und im Ergebnis viel zu wenig zu liefern. Von diesem Vorwurf darf sich Ayers Film zunĂ€chst freisprechen, denn als episches Heldenspektakel voller Action und Effekte war dieser sowieso nie angelegt gewesen, eher als zynischer Gegenwurf zu den unzĂ€hligen kun
terbunten Heldenspektakeln, die die KinoleinwĂ€nde seit Jahren im gefĂŒhlten Monats-Rhythmus bevölkern. Und bei solch illustren Namen wie
Killer Croc und
Deadshot unter den Prota(nta)gonisten ist es gar nicht mal so unrealistisch, einen hohen Zynismus-Pegel zu erreichen. Das klitzekleine Problem bei der Sache nur: Die zĂ€hnefletschenden Hunde werden nie losgelassen, sondern derart brav wie ein Haustier an der langen Leine durch ein simples Story-Konstrukt gefĂŒhrt, dass niemand auch nur annĂ€hernd eine markante Duftnote positionieren kann. Die Folge ist ein an Leerlauf reiches, aber an frechen Spitzen armes Stelldichein der verschenkten Möglichkeiten.
Doch woran liegt das? Sind die Erwartungen im Jahre 8 nach
DCs Ăber-Meisterwerk â
The Dark Knightâ [2008] etwa bei jedem neuem Film der erfolgreichen Comic-Schmiede so sehr ins Unermessliche gesteigert, dass der letztliche Film im Grunde nur verlieren
kann? Fakt ist jedenfalls, dass kein Film aus dem Hause
DC im Anschluss auch nur annĂ€hernd dieselbe einhellige Euphorie wie Christopher Nolans Blockbuster heraufbeschwören konnte. Alles erschien entweder zu bieder, zu kalt, zu bemĂŒht oder zu konzeptlos, manchmal auch alles gleichzeitig. Und so muss sich
DC durchaus die unangenehme Frage gefallen lassen, ob die Geister der Vergangenheit sie womöglich noch heute verfolgen. So oder so: Ayers
âSUICIDE SQUADâ lĂ€uft nicht rund.
Die ersten Minuten, in denen unsere Helden wider Willen vorgestellt werden, lassen dabei mit hipper Titeleinblendung (nebst Charaktereigenschaften) noch auf ein anarchisch-freches Action-Stelldichein der Anti-Helden hoffen. Doch abgesehen von ein paar sich anschlieĂenden Frotzeleien und der fortwĂ€hrenden Zurschaustellung von
Margot Robbies ohne Frage knackiger Hinteransicht versumpft der gute erste Eindruck allzu schnell in einem wenig originellen Dauerbefeuern nach Schema F, in dem nicht einmal der spĂ€tere Bösewicht zu ĂŒberzeugen weiĂ. Als hĂ€tte jemand urplötzlich die ReiĂleine gezogen, um ja nicht die strengen SittenwĂ€chter zu verĂ€rgern, die dem vom Studio angestrebten
PG-13-Rating noch hĂ€tten im Wege stehen können. Dies resultiert in einem merklichen Abfall der Spannungs- respektive Dynamikkurve, den man in diesem AusmaĂ wahrlich nicht vermuten musste und der dem Film nicht in die Karten spielt. Da hilft es dann auch nicht mehr, dass der Film fĂŒr gefĂŒhlte 5 Minuten den Joker (Jared Leto) aus dem Ărmel schĂŒttelt. Denn der Versuch, sich etwas vom etabliert-dĂŒsteren
DC-Stil eines Christopher Nolan abzuheben, resultiert im Umkehrschluss in einem leider nur noch krampfhaften BemĂŒhen, das allenfalls gewollt, aber bestimmt nicht gekonnt wirkt. Schade.
âDon`t forget: we`re the bad guys.â
So zusammengewĂŒrfelt, wie sich das
Suicide Squad darstellt, kommt im Grunde der gesamte Film daher. Hippe Momente in den ersten Minuten wechseln sich ab mit charakterbezogenen Einspielern, die jedoch allesamt sehr oberflĂ€chlich bleiben (und zudem nahezu dieselbe Geschichte erzĂ€hlen), und plötzlich ist da auch schon wieder die nĂ€chste generische Actionsequenz, die aufgrund des Schnitts jede Ăbersichtlichkeit vermissen lĂ€sst. KĂ€mpft hier wirklich das Böse gegen das noch Bösere? Die angeblichen
Bad Guys zumindest beschrĂ€nken sich die meiste Zeit darauf, finster dreinzublicken, etwas zu ballern, zu schnetzeln oder zu zĂŒndeln, hin und wieder zu grunzen und verloren gegangene PlĂŒsch-Einhörner (!) einzusammeln â ein zugegebenermaĂen netter Gag, der sich aber viel zu schnell abnutzt.
Will Smiths
Deadshot schieĂt sich dabei noch als charismatischster (!) Bösewicht in die Köpfe der Zuschauer und wird nur noch von
Jared Letos
Over-the-Top-Performance als auf der Suche nach seiner groĂen Liebe befindlicher Joker ĂŒbertrumpft. Und
Viola Davis? Die zeigt mit ihrem Gebaren den ach so bösen Jungs und MÀdels, was eine echte Harke ist. Daneben bleibt dann nicht nur das Model und Werbegesicht
Cara Delevingne ziemlich blass. Sollte das so beabsichtigt gewesen sein?
Eine zu Tage tretende Unentschlossenheit, die einen zwangslĂ€ufig fragen lĂ€sst, ob der Film nicht so recht wusste, was er mit seinen Figuren, den guten wie den bösen, fĂŒr 123 Minuten Sinnvolles anstellen sollte. Denn aus einem Guss wirkt hier rein gar nichts, was das Ansehen zu einem doch eher schmerzlichen VergnĂŒgen macht. Unter diesen Vorzeichen gerĂ€t selbst der Entschluss, den Soundtrack mit Hits von
Eminem,
Panic! at the Disco oder
Creedence Clearwater Revival zu fĂŒllen und reprĂ€sentativ wĂ€hrend des Films anzuspielen, zu einem der beliebigen Art, fĂ€llt er doch als weiterer Faktor ebenfalls aus dem morschen Rahmen dieses leider wenig irren, dafĂŒr aber wirren Films, der einfach kein kohĂ€rentes Bild abgeben will. Konsequenterweise feiert der Actionfilm von der Stange, der sich viel zu wenig traut, gen Ende seinen Höhepunkt nicht etwa in einem Bombast-Finale sondersgleichen, sondern in einem leisen Moment der Einkehr, in dem die Bösen (?) plötzlich dann doch noch so etwas wie die vage Idee von Tiefe verliehen bekommen. Und das ist wahrscheinlich die einzige wirkliche Ăberraschung in diesem ansonsten Ă€uĂerst flĂŒgellahmen und harmlosen Vertreter seiner Zunft, der zwar leidlich unterhĂ€lt, aber am Ende viel zu weit hinter seinen tatsĂ€chlichen Möglichkeiten zurĂŒckbleibt.
Sorry, bad guys.
Fazit: Handzahmes Himmelfahrtskommando, dem zum Erfolg eine klare Linie fehlt.
Das kommende DC Extended Universe im Ăberblick: âWonder Womanâ (22.06.2017), âThe Justice League Part Oneâ (16.11.2017)
Cover: © 2016 Warner Bros. Ent.