Im Jahr 2005 besorgte uns Regisseur Dave Payne eine kleine Überraschung im Videosektor:
Reeker stach als einigermaßen origineller, professionell inszenierter, ordentlich blutiger und enorm spannender Horrortrip aus dem dtv-Einheitsbrei angenehm heraus; Kollege Genzel widmete dem gelungenen Film hier eine Kritik. Der Twist am Ende war jetzt zwar kein unbedingter Hit, aber der ganze Film war als Horrorsnack zwischendurch durchaus goutierbar. 2008 folgte dann das unvermeidliche Sequel, erneut aus der Feder und unter den Fittichen von Dave Payne; „No Man's Land: The Rise of Reeker“ markiert somit die Erweiterung des Originalfilms zum Franchise, und, soviel sei verraten, hält im obligatorischen Epilog die Türen für den dritten Teil sperrangelweit offen.
Trotz des Titels ist No Man's Land nicht als Prequel zum Erstling zu verstehen. Wir erfahren zwar in einem kurzen, dafür umso saftigeren, Prolog etwas über den Ursprung des Reekers, aber schon bald springt der Film wieder in die Gegenwart. Im Jahr 1978 kann Sheriff McAllister den „Death Valley Drifter“ festnehmen, einen Vertreter für Metallwaren, der zahlreiche Menschen auf dem Gewissen hat. Als Motiv gibt er an, Stimmen hätten ihm gesagt, dass er für seine zukünftige Aufgabe trainieren soll – er landet auf dem elektrischen Stuhl, und schon ist die Geschichte abgefrühstückt. Danach läuft der Film in bereits bekannten Bahnen: eine Gruppe aus mehr
eren Personen findet sich an einer Tankstelle/Restaurant/Motel wieder, um dort letztendlich gegen den Reeker kämpfen zu müssen. Dass diese dabei zahlreich in fantasievoller und blutiger Art und Weise ihr Leben aushauchen, ist ebenso klar, wie dass die Optik und Inszenierung immer professionell sowie spannend sind.
Das Dumme daran ist nur: No Man's Land versteht sich weder als Prequel noch als Sequel, sondern nach Aussage von Dave Payne als „Companion Piece“. Dementsprechend taucht das Monster erst nach knapp 50 Minuten (bei einer Lauflänge von knapp 80 Minuten!) auf, und allgemein wird ein ziemliches Geschwurbel um das Mystery des Films gemacht. Kenner des Erstlings langweilen sich von daher relativ lange zu Tode (no pun intended), da Reeker der eigenen Geschichte keinerlei neue Facetten abgewinnen kann, und von daher der Kniff der Geschichte den Leuten, die den ersten Teil gesehen haben, leider schon bekannt ist. Im Endeffekt schaut man dann über die Hälfte der Laufzeit den einzelnen Charakteren zu, wie diese zu entkommen versuchen und den Kniff der Geschichte ermitteln (der wie gesagt dem informierten Zuschauer schon seit Beginn des Filmes bekannt ist!). Daher zieht sich der Film gerade in der ersten Halbzeit auch sehr dahin, wobei ich sagen muss, dass Leute die den ersten Film nicht kennen sicherlich mehr Spaß daran haben werden.
Wenigstens sind die Charaktere erneut einigermaßen interessant und nicht die üblichen Döspaddel. Der potentielle Vater-Sohn-Konflikt zwischen den beiden McAllisters, die beide als Sheriff arbeiten wird zwar nur angeschnitten und sträflichst vernachlässigt, jedoch können die anderen Rollen einigermaßen überzeugen: Mircea Monroe ist natürlich einigermaßen gefällig fürs Auge, und schafft es darüber hinaus noch das dumme Blondchen Maya unnervig und tatsächlich sympathisch darzustellen. Gratulation, denn diese Rolle ist alles andere als dankbar. Stephen Martines als Alex und Desmond Askew als Binky sorgen dabei für die gewisse Prise schwarzen Humor, während Valerie Cruz als Ärztin Allison nur Staffage bleibt und mit ihrer Rolle dem Film eigentlich gar nichts hinzufügen kann. Der Rest ist zu weiten Teilen Kanonenfutter. Die Inszenierung kann ebenso wie die Musik (auch von Payne) überzeugen, bis, ja bis auf das Ende: Unfassbar holprig und unelegant wird letztendlich noch einmal der ganze Twist durchgekaut, und, als wäre das nicht genug, tatsächlich die „Tode“ der einzelnen Figuren mit den richtigen Toden in Parallelmontagen verglichen (Kenner wissen was gemeint ist) – als wäre der Zuschauer so dumm, das nicht zu verstehen. Diese Stelle hat mich vollends aufgeregt, auch wenn man den gelungen Gore noch einmal bewundern durfte.
Stichwort Gore: Natürlich langt der Film ebenso wie der Vorgänger erneut gut hin. Die Freigabe ist diesmal auch ab 18, und voll berechtigt. Der Film suhlt zwar nicht in blutigen Schmoddereien, murkst dafür seine Figuren aber äußerst fantasievoll und immer auf technisch hohem Niveau ab. Regelrecht witzig und für einen Film dieser Preisklasse überraschend kompetent gemacht (trotz CGI-Einsatz) ist dann der halbierte Kopf einer Figur, die trotzdem noch munter laufen und reden darf. Ansonsten bohrt, sticht und sägt sich der Reeker wieder durch seine Opfer, und der Auftaktmord im Prolog ist übelst fies und gibt die Stoßrichtung des zukünftigen Gekröses gut vor. Dabei sei aber auch gesagt, dass der Film sicherlich kein Hardgore-Film der modernen Folterwelle ist, auch wenn es einzelne Szenen und Effekte gibt, bei dem sich sämtliche Fußnägel hochrollen und Eingeweide zusammenziehen. Der Spaß am Grauen und blutigen Rumgematsche steht aber im Vordergrund.
Sonderlich ernst nimmt sich der Film dann auch nicht, und lässt seine Charaktere auch mal in Kloaken eintauchen, um einen Schlüssel zu suchen. Dies passt natürlich ganz prima zu der Idee des stinkenden Todes und dem Geruch des Reekers, durch den sich dieser immer ankündigt: nur dumm, wenn die Charaktere selbst nach Gülle stinken. Völlig selbstbezogen wird es dann erst recht, wenn im Finale auch noch ein Klo benutzt wird, um den Reeker zu vernichten.
Somit kann der Film als solcher eigentlich schon überzeugen, auch durch die knackig kurze Laufzeit. Erneut gelingt Dave Payne und seinem Team eine spannende Fingerübung die sich angenehm aus dem durchschnittlichen Einerlei des Videohorrors herausheben kann, und eben nicht nur aufgrund von blutiger Effektarbeit im Gedächtnis bleiben wird. Das Problem dabei ist nur, dass der Film enorm verliert, wenn man den Vorgänger kennt, was auch die Wertung von 3 Sternen letztendlich erklärt. Wer
Reeker nicht kennt, darf getrost noch 1 oder 2 Sterne draufschlagen und sich den Film auf jeden Fall mit einer Empfehlung zu Gemüte führen.