Die Meinungen über das bisherige Schaffen des Regisseurs Darren Lynn Bousman gehen unter Filmfreunden sehr auseinander: Nicht wenige halten seine drei Sequels zum Horrorhit „
Saw“ (2004) für völlig überflüssigen Müll, während andere Zuschauer der Reihe durchaus einige Qualitäten abgewinnen können.
Allerdings hat sich nun auch Bousman nach dem vierten Teil von der jährlichen Schlachtbank verabschiedet und diese dem Newcomer David Hackl überlassen, um sich nun originelleren Projekten zu widmen – wie dem SciFi-Splatter-Rock-Musical „Repo! The Genetic Opera“…
„I'm the monster. I'm the villain. What perfection. What precision! Keen incisions, I deliver. Unscathed organs, I deliver. Repossession, I deliver. I'm the Repo! Legal assassin!“
Die Zukunft:
Eine weltweite Epidemie verursacht bei vielen Menschen schwere Organfehler. Aus diesem Grund wurde die „GeneCo Corporation“ ins Leben gerufen - ein Konzern, der die Kranken mit neuen organischen „Bausätzen“ versorgt, und diesen bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist den „Repo Man“, eine Mischung aus eiskaltem Killer und flinkem Chirurghen, auf den Hals hetzt, der das Eigentum wieder zurückbeschafft…mit tödlichem Ausgang, versteht sich!
Mit bürgerlichem Namen heißt der „Repo Man“ Nathan Wallace (Anthony Stewart Head, bekannt aus der TV-Serie „Buffy“). Dessen Tochter Shilo (Alexa Vega, „Spy Kids“) leidet ebenfalls an einer mysteriösen Bluterkrankung, weswegen er sie in seinem Haus vollständig von der Außenwelt abschottet. Dass so etwas bei einer heranwachsenden Frau nicht ewig gut gehen kann, muss der ehemalige Arzt bald selbst erfahren, denn Shilo, die von der finsteren Tätigkeit ihres Vaters nichts weiss, beginnt langsam, heimlich die Welt vor der Haustür zu erkunden.
„From my window. I can see the world from there. Name the stars and constellations. Count the cars and watch the seasons.“
Der „GeneCo“-Konzern gehört dem machtgierigen, Mafiapaten-gleichen Rotti Largo (Paul Sorvino, „Goodfellas“), dessen drei erwachsene Kinder Pavi (
„Skinny Puppy“-Sänger Ogre), Luigi (Bill Moseley, „
Haus der 1000 Leichen“) und Amber (nicht zu glauben: Paris Hilton in einer coolen Rolle!) sich bereits um die lukrative Nachfolge streiten, und der den eigentlich widerwilligen Nathan durch eine alte Schuld zu den unmoralischen Taten zwingt.
Bei einer groß angelegten „Oper“ eskalieren persönliche Fehden aus der Vergangenheit auf blutige Weise, und auch die rebellische Shilo wird die Wahrheit über ihr isoliertes Leben erfahren…
Ja, es ist wahrlich schwer mit Worten zu beschreiben, was für einen sowohl handwerklichen wie auch erzählerischen Fortschritt Darren Lynn Bousman mit „Repo! The Genetic Opera“ gemacht hat. Denn obwohl die Geschichte mit einem eindeutigen Augenzwinkern dargeboten wird, versteckt sich unter den bunten Bildern und prägnanten Texten auch eine Mischung aus erstem, mitreißenden Familiendrama und bissiger Gesellschaftssatire.
Dass das Werk für seine Produktion gerade mal schlappe 9 Millionen US$ verschlungen hat, sieht man der beeindruckenden - optisch teilweise an Ridley Scotts „Blade Runner“ (1982) erinnernden – Zukunftsvision in keiner Sekunde an; auch im Vergleich zu mancher aktuellen Großproduktion hat die visuelle Wucht des morbiden Musicals noch immer die Nase vorn.
Dabei basiert „Repo!“ auf einem Bühnenstück von Darren Smith und Terrance Zdunich, das Bousman bereits 2006 in einem 10-minütigen Kurzfilm adaptiert hat, und das nun in seiner aufwendigeren Vollversion den Sprung auf die großen Leinwände wagt.
Echte Musical-Phobiker seien aber im Vorfeld vor dem Ansehen gewarnt, denn in „Repo!“ wird - im Gegensatz zu z.B. Tim Burtons „
Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street“ (2007) - fast durchgängig gesungen:
Zu verschiedenen Musikstilen (von rotzigem Girlie-Pop bis zu ordentlichen Bratzgitarren ist so ziemlich alles vertreten) und in unterschiedlicher Stimmqualität tragen die durchweg gut aufgelegten Schauspieler (neben den bereits erwähnten Gesichtern mischen außerdem noch Sarah Brightman und - quasi als „Erzähler“ - der Schreiber des Stücks, Terrance Zdunich, mit) recht gekonnt die markanten Songs vor, oder duellieren sich mit diesen.
Wie man bereits durch die Thematik annehmen dürfte, kommt das Werk natürlich auch nicht ohne so einige Splattereinlagen aus, die aber durch den Musical-Charakter weit weniger harsch wirken, als sie es in einem gewöhnlichen Film tun würden.
Informationen zu vorangegangenen Ereignissen werden während des Films übrigens gelegentlich in Form von Comic-Bildern eingestreut, die sehr nett anzuschauen sind und auch keine Verwirrung – im Gegensatz zu ständigen Rückblenden - erzeugen.
Bousman hat mit „Repo!“ zugleich eine wunderbare Parodie auf den immer mehr Überhand nehmenden „Körperkult“ (die von Paris Hilton verkörperte Figur ist z.B. süchtig nach Schönheits-OPs), wie auch ein bunt-düsteres Drama über Schuld, Macht, Liebe und Isolation inszeniert, das man ihm in dieser Form nach den „
Saw“-Filmen ganz sicher nicht zugetraut hätte.
Der einzige Kritikpunkt liegt wohl darin, dass die verschiedenen Songs in ihrer musikalischen Vielfalt manchmal etwas unharmonisch aufeinanderprallen – da wären vielleicht ein paar mehr gesprochene Passagen zwischendurch eine gute Zäsur gewesen!
Doch abgesehen davon bleibt „Repo!“ ein echter Tipp für ziemlich alle - vielleicht nicht
zu zartbesaiteten - Filmfans.
Der in der Vergangenheit viel zu inflationär gebrauchte Begriff
„Kult“ darf für das Werk übrigens ohne Zweifel jetzt schon herhalten - jetzt aber genug der vielen Worte und ansehen:
„At the opera tonight!“