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The Cat o'nine Tails

The Cat o'nine Tails

Ein Film von Dario Argento

Bei einem nächtlichen Spaziergang wird der blinde Franco Arno (Karl Malden) Ohrenzeuge eines seltsamen Gespräches zweier Personen in einem Auto vor einer medizinischen Forschungseinrichtung. In der gleichen Nacht bricht jemand in eben jenes Institut ein, tötet dabei einen Wachmann, aber es kann kein Diebstahl oder sonstiger Tatbestand festgestellt werden. Zusammen mit dem jungen Reporter Carlo Giordani beginnt Franco auf eigene Faust zu ermitteln, doch je tiefer sie graben, desto mehr Tote gibt es, und auch ihr eigenes Leben ist in Gefahr...

"The Cat o'nine Tails" (Il gatto a nove code) ist der Nachfolgefilm zu "The Bird with the crystal plumage" (abgekürzt mit Bird), der hier bereits besprochen wurde. Ebenso wie in seiner Rezension, setze ich hier den Begriff des Giallo als bekannt voraus - ansonsten kann man eine kleine Einführung in der Kritik zu "Blutige Seide" nachlesen. "The Cat o'nine Tails" war der erste Film, den Dario Argento nach dem überwältigenden Erfolg von Bird drehte. Er bildet den mittleren Teil der sehr lose zusammenhängenden Tier-Trilogie, die mit Bird begann und 1971 mit "Vier Fliegen auf grauem Samt" (4 mosche die velluto grigio) ihren Abschluss fand. Gemeinsam ist den Filmen die Zugehörigkeit zum Giallo-Genre, diverse Argento-Trademarks und die in den Titeln vorkommenden Tiere - auch wenn zumindest bei Bird und Cat die Titel relativ beliebig gewählt wurden. Nach dem Erfolg von Bird waren die deutschen Geldgeber der CCC (die sich
inzwischen in Terra-Filmkunst umbenannt hatten) so begeistert von dem jungen Talent Argentos, dass sie trotz der abflachenden Wallace-Welle einen Nachfolgefilm wollten.
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Um an den Erfolg anschliessen zu können, wurde das Bugdet des Films auf ca. 1 Millionen Dollar verdoppelt. Nun konnten echte Stars wie Catherine Spaak, Karl Malden, Horst Frank und James Franciscus verpflichtet werden. Spaak war zu dieser Zeit bereits eine gut beschäftigte Schauspielerin (Cat war ihr 27. Film), doch sie war gerade auch in Deutschland und Italien durch ihre parallel verlaufende Gesangeskarriere sehr populär. Karl Malden entschied sich nach dem Lesen des Drehbuchs gerade deswegen für die Rolle, da er unbedingt einen Blinden spielen wollte, da er das als große Herausforderung für sich als Schauspieler sah. Zuvor gewann er den Oscar als "Bester Schauspieler in einer Nebenrolle" für "Endstation Sehnsucht" (A Streetcar named Desire). Horst Frank wurde vor allem auf Initiative von Terra-Filmkunst engagiert, da er in Deutschland sehr beliebt war. Er spielte jedoch auch in vielen Italo-Western mit, hatte daher also Erfahrung mit der italienischen Filmwelt. James Franciscus wurde schliesslich als amerikanischer Star engagiert, nachdem er unter anderem in "Rückkehr zum Planet der Affen" zu sehen war.

Terra-Filmkunst erhöhte also das Budget, forderte im Gegenzug von Argento jedoch einen noch größeren Erfolg. Als Patentrezept legte man ihm nahe, er solle doch einfach Bird quasi noch einmal kopieren, damit man auf der finanziell sicheren Seite stand. Sie verlangten somit von einem sehr jungen und immer noch unerfahrenen Regisseur dass er sich selbst auf eine Art Film festlegte und diese immer und immer wieder drehte, um kommerziell erfolgreich zu sein. Argento jedoch weigerte sich und wollte sich nicht festlegen lassen. Um jedoch nicht schon zu diesem frühen Zeitpunkt seine Karriere als Regisseur zu beenden, stimmte er zu erneut einen Giallo zu drehen und verfilmte das Script von Dardano Sacchetti. Jedoch wollte er unbedingt vermeiden eine Kopie von Bird zu drehen, und entschied daraufhin, alles anders als bei Bird zu machen. Argento drehte den Film nicht so wie er ihn wollte, sondern so wie ihn die Terra-Filmkunst eben NICHT wollte - heute spricht er davon, dass Cat der Film ist, den er am wenigsten mag.

Anhand diesen Vorwissens lassen sich einige Unterschiede zu Bird vielleicht leichter erklären. Sehr auffällig ist der häufig absurde Humor, der zwar in Bird durch die Person Mario Adorfs auch vorkam, jedoch nicht in der versteckten Form wie bei Cat. Immer wieder schleichen sich kleine Scherze ein, die zwar nicht unbedingt gleich bemerkt werden, aber bei dem Zuschauer eine Mischung aus Schmunzeln und verwirrtem am Kopf kratzen als Reaktion hervorrufen können. Ein sehr schönes Beispiel ist die Szene, in der Carlo mit einer schönen Frau (aus Spoilergründen kein Name) Sex hat, und danach etwas zu trinken holt. Anstatt wie in anderen Filmen, in eine Unterhose oder einen Morgenmantel zu schlüpfen, streift sich Carlo einen waschechten Trenchcoat über und schenkt die Milch aus pyramidenförmigen Tetrapaks ein (wer mir bestätigen kann, dass es diese Pyramiden damals wirklich gab, möge sich bitte in den Kommentaren melden). Allein der zu der Liebesszene führende Dialog ist unglaublich skurril: Carlo: "Do you know how many people are together right now making love this very second?" -"No." Carlo: "780 on the average. Really. [pause] I don't know if you're aware of it or not, but that was an invitation."
In einer späteren Szene ermitteln Carlo und Franco auf einem Friedhof, als Carlo in eine Gruft einsteigt - der blinde Franco steht Schmiere. Oder auch wieder eine komische Nebenrolle, diesmal von Ugo Fangareggi als Gigi the Loser, der Carlo noch einen Gefallen schuldet. Sie treffen sich bei einem Beleidigungsduell, dass Gigi mit 137 Beleidigungen ohne Pause gegen einen Priester (!) gewinnt, der es nur auf 125 brachte. Der Schiedsrichter erklärt daraufhin: "Gigi the Loser is the winner!"

Dies mag für den Zuschauer zunächst ungewohnt und verwirrend sein, jedoch stören die humoristischen Anklänge nicht unbedingt das Filmvergnügen. Cat ist bei weitem keine Krimikomödie, sondern durchaus ein waschechter Giallo. Die Brutalität der Morde steigt im Filmverlauf immer weiter an, und der Showdown übertrifft an der reinen Blutmenge das Finale von Bird locker. Überhaupt zeigt Argento gerade bei dem letzten Todesfall des Films erstmals eine Art Splattereffekt, die später immer öfter in seinen Filmen vorkommen werden. Auch die anderen Morde sind definitiv blutiger als die entsprechenden Szenen in Bird, ohne jedoch zur Splatterorgie zu verkommen. Cat ist und bleibt ein Giallo mit harten Morden, die jedoch immer noch "realistisch hart" rüberkommen. Hier hat Cat auch eine Sonderstellung im Oeuvre des Dario Argento: Cat ist der einzige Film von ihm, der weltweit nie aus Zensurgründen geschnitten wurde. Bei der deutschen Kinofassung fehlen zwar ein paar kurze Gewaltszenen, jedoch stellt diese mehr eine alternative Produzentenfassung dar, im Sinne der Wallace-Reihe. Laut schnittberichte.com ist das griechische Tape in einer Szene geschnitten, jedoch konnte ich darauf keinen weiteren Hinweis finden, und Argento bestätigt die "Sonderstellung" des Films in Argentos langer Zensurgeschichte.
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Trotzdem muss man sagen, dass Cat doch recht weit davon entfernt ist, ein perfekter Giallo zu sein. Dies liegt bestimmt auch darin begründet, dass eben Argento alles anders machen wollte, auch gegen seine eigene Vorstellung. Der Film als ganzes wirkt nicht so roh und spannend wie Bird zuvor, er wirkt fast mehr amerikanisiert. Argento bestätigt dies und weist auf das typisch amerikanische Ende hin (Love-Interest küsst den verletzten Helden im Krankenhaus), das er jedoch vor der Veröffentlichung komplett heraus schnitt. Auch fehlen irgendwie die typisch Argento'esken Kameraspielereien, der Film wirkt eher recht routiniert abgedreht, auch wenn es immer wieder Anflüge von Genialität gibt, so die oben erwähnt "Milch-nach-dem-Sex" Szene. Interessant ist jedoch die Autoverfolgungsjagd, die doch recht überraschend kommt und so nicht zu erwarten war. Sie bringt zwar den Film jedoch nicht unbedingt weiter, ist jedoch eine nette Abwechslung im Geschehen und bringt ordentlich Schwung. Jedoch ist die Optik für mich etwas schwer zu bewerten, da mein persönliches Ausgangsmaterial eher suboptimal war (siehe unten).

Bewerten kann ich jedoch die Handlung, und diese ist selbst für einen Giallo eher holprig. Es gibt immer wieder Ansätze in der Geschichte, die zwar auf einen plot-point hindeuten, bzw. sich dafür anbieten würden, jedoch im Sande verlaufen. Dies beginnt bei dem Charakter von Karl Malden, Franco, der blind ist und Rätsel aller Art liebt, was im weiteren Verlauf jedoch ziemlich unwichtig wird, es dient nur der Aufnahme der Ermittlung. Ebenso dass er am Anfang zufällig das Gespräch mithört (Argento variiert hier sein Standardthema der subliminalen Wahrnehmung, diesmal nicht im visuellen sondern im auditiven Sinne) rückt im weiteren Film sehr in den Hintergrund, überhaupt konzentriert sich das weitere Geschehen auf Carlo. Überhaupt gibt es wieder viele rote Heringe, die jedoch nicht so gut wie bei Bird funktionieren, da die ganze Plotentwicklung rund um die Genetik schon etliche Verdächtige ausschliesst (ohne jetzt zuviel zu verraten). Warum nun Argento, nachdem er uns Minuten zuvor das Motiv schon fast offentsichtlich präsentiert hat, uns eine höchst verdächtige Person explizit präsentiert, ist für den Zuschauer nicht nachzuvollziehen - das einzige was ich mir vorstellen kann ist, dass der Zuschauer damals sich nicht genug mit Genetik auskannte, was heute jedoch schon in den Schulen gelehrt wird. Überhaupt ist dann die Auflösung und Enttarnung des Täters eher krude und wirkt recht erzwungen. Das Motiv selbst ist angemessen hirnrissig, der Täter selbst für den geübten Giallo-Seher wohl nicht zu erraten. Dies ist für mich persönlich ein weiterer Minuspunkt, da es einfach zu plötzlich kommt und man sich schon fast über seine eigenen Miträtselei ärgert, da es Argento und seine Autoren nicht einmal schaffen, den Zuschauer geschickt an der Nase herumzuführen sondern ihm quasi jede Chance nehmen.

Die Kameraarbeit ist souverän jedoch eher uninspiriert, hinter der Kamera stand diesmal Erico Menczer, der für mich jetzt kein weiteres cinematografisches Highlight in seiner Filmographie stehen hat. Jedoch wendet Argento einen visuellen Kniff an, der nach meiner Filmkenntnis in Cat einzigartig ist und definitiv eine sehr interessante Variante darstellt: In bestimmt Szenen, häufig bei Ortswechseln, schneidet Argento oft in der laufenden Szene zum nächsten Ort, wieder zurück, wieder zum nächsten Ort, wieder zurück, und schliesslich final zum nächsten Ort. Eine sehr schöne Abwechslung im Inszenierungseinerlei, die von Argento jedoch später nicht mehr aufgegriffen wurde. Häufig stehen diese schnellen Schnitte in Verbindung mit Gedanken oder Erinnerungsfetzen der handelnden Charaktere, die dann wie oben erwähnt zum Ortswechsel führen. Musikalisch untermalt wird das Ganze dann von Altmeister Ennio Morricone, der es sich hier wieder einmal nicht nehmen lies, einen tollen Score zu komponieren, der jedoch nicht ganz die Klasse des Bird-Scores erreicht. Das Titelthema ist allerdings wieder sehr gelungen.

Als Basis dieser Kritik lag die niederländische DVD von DFW/Extreme vor, die den Film in sehr durchschnittlicher (in dunklen Szenen mieser) Bildqualität präsentiert. Als Ton steht nur englisch zur Verfügung, der recht verständlich ist (mehr aber auch nicht), dazu gibts optionale holländische Untertitel. Ausserdem findet sich eine Kapitelanwahl auf der DVD, Extras gibts keine, nicht einmal einen Trailer. Als inzwischen sehr günstige Alternative gibt es die deutsche Special Edition von Starlight. Diese ist in einem Digipack und enthält zwei DVDs mit der deutschen Kinofassung und der längeren internationalen Version. Als Zugabe gibt es diverse Extras, die meisten wohl von der amerikanischen Scheibe aus dem Hause Anchor Bay. Die DVD ist bereits unterwegs zu mir, eventuell überarbeite ich diese Kritik dann noch einmal. Die DVD gibt es bei ebay für ca. 2€ zum Schnäpchenpreis zu kaufen.

Fazit: "The Cat o'nine Tails" ist ein ziemlich guter Giallo, jedoch eher ein schwacher Argento. Die Gründe dafür sind vielfältig und oben recht ausführlich dargelegt. Es sollte nun kein falscher Eindruck entstehen,der Film unterhält über seine Laufzeit größtenteils sehr gut, jedoch schwächelt er gegenüber seinem Vorgänger "The Bird with the crystal plumage" doch etwas. Es wirkt fast so, als hätte sich Argento seine kreativen Kräfte für seinen übernächsten Giallo aufgehoben, "Deep Red" (Profondo Rosso). Mehr dazu demnächst an dieser Stelle, es sei denn, "Vier Fliegen auf grauem Samt" sollte tatsächlich vorher irgendwo als legale DVD erscheinen, was aber sowieso nicht passieren wird, es sei denn die Hölle gefriert.
Somit geben ich dem Film eine 2.3, um ihn jedoch gegenüber Bird etwas abzuheben, runde ich entgegen allen mathematischen Regeln auf eine gute 3 auf.

Eine Rezension von David Kugler
(18. Juni 2007)
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Daten zum Film
The Cat o'nine Tails Deutschland, Frankreich, Italien 1971
(Il Gatto a nove code)
Regie Dario Argento Drehbuch Dario Argento, Luigi Collo
Produktion Seda Spettacoli
Darsteller James Franciscus, Karl Malden, Catherine Spaak, Horst Frank, Rada Rassimov
Länge 111:40 FSK 16
Filmmusik Ennio Morricone
Kommentare zu dieser Kritik
Florian TEAM sagte am 18.06.2007 um 21:41 Uhr

Gewiss einer von Argentos langatmigsten und langweiligsten Giallos, der nicht viel hergibt und abgesehen von der genialen subjektiven Kameraführung, welche von namhaften amerikanischen Filmregisseuren gerne kopiert wurde und wird, auch der Argento-typischen Ästhetik entbehrt.
Ein Film, den ich aus meiner Filmsammlung wieder ausgemistet habe!
Bastian TEAM sagte am 19.06.2007 um 14:08 Uhr

Ups, dann gehöre ich wohl zu den wenigen Leuten, die den Film mögen! Ich finde den jetzt natürlich nicht so gut wie "Suspiria" oder "Opera", aber halte ihn trotzdem für einen recht altmodischen aber unterhaltsamen Krimi.
Florian TEAM sagte am 19.06.2007 um 16:29 Uhr

Abgesehen von The Cat... fahre ich aber auch voll auf Argento ab.
Sogar seine von Kritikern als schlecht aufgenommenen Werke, wie "Das Phantom der Oper" oder "Il Cartaio" finde ich genial (abgesehen von den Drehbüchern und Charakteren, aber darum geht's ja bei Argento nicht :-).
Bastian TEAM sagte am 19.06.2007 um 18:55 Uhr

Also gerade die von genannten Filme finde ich persönlich nicht besonders toll...aber da sind Geschmäcker halt verschieden!
Ich kann aber z.B. gar nicht verstehen warum "The Stendhal Syndrome" und "Sleepless" so schlechte Kritiken bekommen haben, die fand ich nämlich schon ziemlich gut - auch wenn sie teilweise ein wenig an Argentos frühere Klassiker wie "Tenebre" angelehnt sind.
Zombie-mower TEAM sagte am 19.06.2007 um 19:06 Uhr

Sleepless, find ich, ist ein besonders gelungenes, zeitgenössisches Werk von Argento.
Neben "Jenifer" aus der "Masters of Horror" - Reihe gehört Sleepless gewiss zu den besten Outputs des italienischen Genreregisseurs.
Damocles TEAM sagte am 19.06.2007 um 19:08 Uhr

Hm, nicht falsch verstehen, ich mag Cat durchaus.
Aber wie ich im Fazit geschrieben hab, ist er für einen Argento relativ durchschnittlich. Und ihm die gleiche Sternchenwertung wie Bird zu geben wäre nicht gerechtfertigt.

Was ich von den anderen Filmen die ihr genannt habt halte gibts hier irgendwann zu lesen ;) Als nächstes kommt erstmal Deep Red

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