Der ehemalige Horrorfilmregisseur Marco soll die Oper MacBeth von Verdi aufführen. Neben der kontroversen Inszenierung wird die Produktion MacBeth-typisch von mehreren Unglücken überschattet, so dass sogar die Hauptdarstellerin von einem Auto erfasst wird. Die Chance für die junge Sängerin Betty, die jedoch ein großes Problem hat: einer ihrer Fans übertreibt es mit seiner Zuneigung zu ihr. Er zwingt sie dazu, bestialische Morde an ihren Freunden und Kollegen mit anzusehen. Der Schlüssel zur Identität des Täters liegt wie immer in der Vergangenheit...
Die Ursprünge des Films liegen in einer autobiographischen Erfahrung Argentos. Nach seinen letzten Erfolgen erhielt Dario das Angebot, eine Oper zu inszenieren. Oper ist zwar nicht der Lieblingsmusikstil Argentos, der er mochte das ganze Umfeld und die eigene kleine Welt der Oper, ergo sagte er zu. Er entschied sich für Rigoletto von Verdi, und zusammen mit seinem Make-Up Künstler Sergio Stivaletti begann er mit der Pre-Production. Als er den Verantwortlichen aber erste Entwürfe und Inszenierungsideen vorlegte, waren diese geschockt und brachen das Projekt sofort ab: Rigoletto wurde später von einem anderen Regisseur konventioneller umgesetzt. Argento selbst wollte daraus eine düstere Vampirgeschichte machen, was ihm natürlich verwehrt blieb. Die autobiographische Erfahrung baute er in seinem kommenden Film, Opera, natürlich in Form der Person Marco ein. Ein Horrorfilmregisseur, der für seine ung
ewohnte Inszenierung einer Oper in der Luft zerrissen wird. Darüberhinaus wird seine Geliebte auch noch von Antonella Vitale gespielt, die zu dieser Zeit tatsächlich auch Argentos Geliebte war. Opera ist sicherlich kein perfekter Film geworden, hatte er doch mit vielen Problemen im Umfeld von MacBeth zu kämpfen. In der Opernwelt genießt MacBeth einen schlechten Ruf, da die Oper angeblich Unglück bringen würde. Auch Opera wurde von mehreren Unglücken überschattet, unter anderem erlitt Ian Charleson einen schweren Autounfall, und der Vater von Argento starb während der Produktionsphase.
Trotzdem kann man Opera im Gegensatz zu
Phenomena oder auch
Tenebre wieder etwas attestieren: Argento zeigt erneut sein unglaubliches Gespür für gekonnte Visualisierungen. Erstmals setzte er einen Kameramann ein, der nicht aus Italien kam: Ronnie Taylor. Es war die erste von insgesamt drei Zusammenarbeiten im Spielfilmsektor, vorher arbeitete man schon einmal zusammen an einem Werbespot für Fiat. Diesen inszenierte Argento mit Taylor zusammen aus einem ganz einfachen Grund: im Werbespot, der aus langen Kamerafahrten, darunter einer komplizierten Detailfahrt durch das Innere des Autos bestand, konnten die beiden die neueste Kameratechnik und verschiedene Ideen im Hinblick auf Opera schon einmal gratis austesten - auf Firmenkosten von Fiat. Taylor selbst hatte auch Musicalerfahrung anhand von A Chorus Line, erhielt einen Oscar 5 Jahre zuvor für Ghandi, konnte mit Trickaufnahmen umgehen (Kameramann bei Star Wars) und kannte sich mit ungewöhnlicher Beleuchtung, dank seiner Mitarbeit bei Barry Lyndon aus. Und das merkt man dem Film wirklich an, optisch ist Opera bis auf den angehängten Schluss schlichtweg ein Genuss! Laut Argento und Taylor gibt es eigentlich fast keine Szene, die nicht mit optischen Tricks fotografiert wurde, und darüberhinaus gelang es sogar, die legendäre Kamerafahrt am Haus entlang aus Tenebre zu toppen. Doch dazu später mehr.
Der Film wandelt nach den Ausflügen ins Phantastische bzw. in Pseudo-Science-Fiction wieder auf recht konventionellen Giallo-Pfaden. Das ist natürlich Argentos Terrain, das hat er einfach drauf. Im Vorfeld wurde dann das Script mehrmals umgeschrieben, da überall - bis auf Japan - heftige Zensur zu befürchten waren. Doch selbst in dieser zahmeren Form ist Opera bis zum Entstehungszeitpunkt eigentlich locker der brutalste Film Argentos. Argento selbst war genervt davon, dass sein Publikum bei den Gewaltszenen häufig die Augen schloss, so dass er bei seinem nächsten Film am liebsten Nadeln unter den Augen befestigt hätte - eine Idee, die er ins Drehbuch einarbeitete. Der Mörder klebt der armen Betty nämlich immer mehrere Nadeln mit Klebestreifen unter die Augen, so dass diese sie nicht schließen kann, da sie sonst von den Nadeln durchbohrt werden würde. Die ständigen Großaufnahmen der Augen mit den Nadeln davor sorgen für einen unglaublich psychischen Terror und machen die Mordszenen größtenteils wirklich schwer ertragbar. Ein kleiner aber simpler Einfall, der viel drastischer ist als irgendwelche Folterorgien des modernen Horrorfilms. Neben diesem offenen Sadismus lässt es sich aber Argento natürlich auch nicht nehmen, die Morde an sich mal wieder sehr brutal zu visualisieren. Hier wird wieder nicht harmlos gestorben, sondern drastisch abgeschlachtet, dabei bleibt aber alles sehr kunstvoll und irgendwie faszinierend inszeniert. Argento schafft es wiederrum in Perfektion, Ekel und Faszination zu vereinen, so dass sich der Zuschauer selbst die Frage stellen muss, warum er den Blick nicht abwendet.
Denn was die Trickkünstler um Argento, namentlich Sergio Stivaletti und Crew, hier aus dem Hut zaubern verdient schon einiges an Hochachtung. Stivaletti, der ja bei
Phenomena schon sein Können zeigte und zum ständigen Begleiter Argentos wurde, inszenierte hier Effekte, die wahrscheinlich bis heute zu den heftigsten und Besten in Argentos Oevre gehören. Angefangen von den üblen Nadeln unter den Augen, über einen inzwischen fast schon legendären (und oft zitierten, z.B. in Saw 2) Kopfschuss, bis hin zu einer der brutalsten Abschlachtung mit einem Messer, gelingen Stivaletti und seinem Team tatsächlich großartige Effekte. Gerade die Tötung mit dem Messer ist richtig schlimm anzuschauen, hier wird nichts beschönigt, sondern tatsächlich in eiskalter Wut abgeschlachtet. Neben den Gore-Effekten mussten die Herren aber noch viel mehr machen, was für neue Erfahrungen in einem Argento-Film sorgt. Es mussten zahlreiche künstliche Raben in unterschiedlichen Größen gebaut werden, da die Raben eine zentrale Rolle in dem Film spielen. Hierbei wurden neben lebensgroßen, ferngesteuerten Puppen auch überlebensgroße Köpfe mit Schnäbeln, oder sogar riesige Rabenkörper, in die eine Kamera eingefügt wurde, um so aus der Perspektive eines Raben filmen zu können. Großartige Effektarbeit!
Dies alles, die tollen Effekte und die phänomenale Kameraarbeit Ronnie Taylors führen zu einer Ansammlung von vielen memorablen Szenen, wie man sie wohl seit
Suspiria von Argento nicht mehr in dieser Dichte gesehen hat. Natürlich könnte man dem Film irgendwo den Vorwurf machen, dass ich Argento in einer Art Best-Of selbst zitiert, aber es funktioniert einfach (zumindest auf der künstlerischen Seite). Die brutalen Nadeln brennen sich sicherlich ins Gedächtnis des Zuschauers ein, aber auch ein spezieller Mord an einer Person wird so leicht nicht vergessen werden. Denn schon 1987 könnte man sagen, dass Argento mit der Bullet-Time arbeitete, die später ja fälschlicherweise als Erfindung der Matrix-Trilogie gefeiert wurde (auch Cover Hard von 1993 verwendete dieses Stilmittel schon). Denn man darf den Weg einer Pistolenkugel durch einen Türspion verfolgen, bis sie schließlich den Kopf eines Opfers durchschlägt - eine äusserst schwierige Szene, da an dem echten Kopf echtes Dynamit angebracht werden musste, und es nicht gedoubelt werden konnte. Oder natürlich, die vielleicht berühmteste Szene des Films, eine Kamerafahrt, die sogar Tenebre toppt: In dem gigantischen Opernhaus fliegen Raben von der Decke spiralförmig immer weiter auf die Zuschauer zu, bis sie schließlich über die Köpfe selbiger hinwegrasen. Eine Szene ohne Schnitt und Computertricks, die mit einer komplizierten Krankonstruktion gelöst wurde.
Vom Subtext her bezeichnet Argento den Film gerne als eine Allegorie auf AIDS, was ja gerade in den 80ern zu einem großen Thema wurde. In der Welt von Opera kann niemand jemand anderen lieben (Betty kann nicht mit ihrem Freund schlafen), es sei denn durch Gewalt und Tod als Liebesbeweis. Dies kann man natürlich in den Film hineininterpretieren oder nicht, aber es erscheint auf alle Fälle schlüssiger als die Science-Fiction Thematik bei Tenebre. Zusammenfassend kann man also sagen, dass Opera wieder mal ein Triumph des Stils über die Substanz eines Filmes ist. Argento schuf einen Film, bei dem man eigentlich jedes Bild als Poster drucken könnte, dabei jedoch wesentlich realistischere Bilder als noch beim märchenhaften Suspiria bekommt. Zusammen mit dem tollen Tondesign, der schlichtweg fantastischen Kameraarbeit und den haarsträubend gelungenen Effekten nimmt Argento den Zuschauer mit auf eine Reise in ein Opernhaus, in dem Grauen und Schönheit eng miteinander vereint sind. Doch die zweite Hälfte dieses Satzes könnte man eigentlich schon fast auf den Film als solchen beziehen: denn auch bei einer Betrachtung von Opera unter filmkritischen Gesichtspunkten sind Grauen und Schönheit ziemlich eng miteinander verwoben.
Denn wie ich oben schon angedeutet habe: Opera ist trotzdem alles andere als ein perfekter Film. Das Drehbuch, das erneut von Franco Ferrini und Argento stammt, die ja auch Phenomena zusammen schrieben, ist eigentlich die Bezeichnung "Drehbuch" nicht wert. Opera präsentiert uns eigentlich noch mehr als andere Filme von Argento ein Nichts an Story (wobei man natürlich lobend erwähnen kann, dass durch die nicht vorhandene Geschichte die schwachsinnigen Untiefen eines Phenomena umschifft werden können). Argento improvisierte wohl viel am Set, gab seinen Schauspielern kaum Anweisungen (was vor allem mit Hauptdarstellerin Cristina Marsillach zu großen Problemen führte), und selbst der gestandene Schauspieler Ian Charleson sagte schon bei den Dreharbeiten, dass das Skript kompletter Nonsense ist. Natürlich erscheint auch das Motiv des Täters wieder etwas seltsam, und auch das angehängte Ende in den Schweizer Alpen - ein Zitat aus Phenomena - ist einfach schrecklich. Sogar der amerikanische Verleih wollte dies wegschneiden, doch Argento weigerte sich. Dieses Ende ist dann auch zweigeteilt, ursprünglich war die erste Hälfte der Alpenszene das eigentliche Ende (Kenner wissen wahrscheinlich, was gemeint ist). Auch hatte Argento scheinbar wieder den Drang, die Mordszenen mit Heavy Metal zu untermalen, was den eigentlich tollen Soundtrack von Claudio Simonetti mal wieder ruinierte.
Neben den bereits kurz vorgestellten Beteiligten wie Dario Argento, Ronnie Taylor und Sergio Stivaletti, gibt es durchaus noch andere bekannte Gesichter. Als Regieassistent arbeitete Michele Soavi (
Eiskalt) mit, der auch einen kurzen Gastauftritt als Cop hat. Hauptdarstellerin Cristina Marsillach, die mit Argento und seiner Crew überhaupt nicht zurecht kam, war ein spanisches Modell und hatte nur eine recht kurze Schauspielkarriere. Sie weigert sich scheinbar bis heute, über den Film zu sprechen. Ian Charleson, der 1990 an Aids verstarb, spielte zuvor unter anderem in Ghandi und Die Stunde des Siegers. Urbano Barberini, der aus einer extrem reichen Familie stammt, arbeitete zuvor mit Lamberto Bava und war auch in Dämonen zu sehen (eigentlich Teil 1, in Deutschland aber bekannterweise Teil 2). Natürlich hat auch Daria Nicolodi wieder eine Rolle, die aber, aufgrund der schwierigen Zusammenarbeit mit ihrem Ex-Fast-Mann Dario für lange Zeit die letzte Rolle in einem Film von Argento annahm (sie hasst das Ende in den Schweizer Alpen bis heute). Coralina Cataldi-Tassoni spielte später noch in
Das Phantom der Oper und aktuell in The third Mother.
Der Film wäre im Deutschland eigentlich im Kino gelaufen, aber musste um knapp 25 Minuten geschnitten werden, so dass er direkt auf VHS herauskam. Er lief sogar schon in der ARD unter dem "tollen" Titel "Im Zeichen des Raben". Grundlage für diese Rezension war die amerikanische DVD von Anchor Bay in der Limited Edition. Davon gibts 30.000 Stück weltweit, als Bonus den durchwachsenen Soundtrack des Films, und als interessantestes Feature einen 36 Minuten Dokumentation mit vielen Beteiligten. Das Bild ist soweit gut, der Ton könnte evtl. etwas lauter sein. Dafür ist die Hülle ziemlich Kacke, denn auf der Rückseite wird eiskalt der Killer gespoilert. Also, wer den Film nicht kennt: auf keinen Fall die Rückseite anschauen!
Fazit: Sicherlich ist Opera kein perfekter Film und hat mit einigen Problemen zu kämpfen. Die Story ist kaum vorhanden, die Heavy Metal Musik nervt, das Ende ist überflüssig. Daher ist eine Wertung von 6 Sternen vielleicht zu hoch. Doch die visuelle Gestaltung kann mehr als begeistern, es war einer meiner ersten Argentos, und der Film fesselt einfach. Daher ist diese Wertung wieder sehr subjektiv zu sehen.
Opera markiert dann im Jahr 1987 eigentlich auch das Ende der goldenen Ära von Argento, die im Jahr 1975 mit
Deep Red begann. Doch mehr zu den späteren Werken des Meisters irgendwann an anderer Stelle.