Mailand im März 1848: Der Dieb und Kleinganove Cainazzo wird durch eine fehlgeleitete Kanonenkugel aus dem Gefängnis befreit. Er kann jedoch das Leben in Freiheit nicht wirklich genießen, da die Stadt von einem Aufstand erschüttert wird: die Mailänder führen eine Revolution gegen die Österreicher, und Cainazzo befindet sich mitten im Geschehen. Eigentlich möchte er seinen Freund Zampino treffen, der angeblich ein hohes Tier der Revolution ist, doch immer wieder verpassen die beiden sich. Cainazzo trifft schließlich auf den jungen Bäcker Romolo, der eigentlich nur noch in die Heimat möchte, und zusammen versuchen die beiden, aus der chaotischen Stadt zu kommen - und am Leben zu bleiben...
Nach seinen drei Gialli
The Bird with the crystal Plumage,
The Cat o\'nine Tails und
Vier Fliegen auf grauem Samt erschuf Dario Argento die Serie Door into Darkness, die den italienischen Thriller ins fernsehtaugliche Format übertrug. Argento wollte sich ja nie auf ein Genre festlegen lassen, daher wollte er es unbedingt vermeiden, erneut einen Giallo zu drehen. 1971 produzierte Dario zusammen mit seinem Vater den Film Großer, laß die Fetzen fliegen von Sergio Corbucci mit Adriano Celentano. Der Historienfilm wurde ein ziemlicher Hit, also wollte ma
n sogleich einen zweiten Teil nachschieben, um an den Erfolg anknüpfen zu können. Kurz vor "Four Flies..." hatte Argento selbst ein Drehbuch geschrieben, das er aber nie verkaufen konnte. Das Script wurde schließlich benutzt um den Film 1973 in Rom und Mailand unter der Regie von Dario Argento zu drehen, der in letzter Minute Nanni Loy ersetzte, der eigentlich für den Regiestuhl vorgesehen war. Argento wurde von den Schauspieler überredet, zögerte, entschied sich dann aber doch dafür - ein Schritt, den er heute bereut. Nachdem noch weitere Schauspieler das Projekt verließen, wollte Argento den ganzen Film fallen lassen, hatte jedoch eine vertragliche Verpflichtung den Film zu machen. Entstanden ist nicht nur "a strangely awkward little film" (wie Argento selbst sagt), sondern auch eine Feinschaft zwischen ihm und Hauptdarsteller Adriano Celentano. Und "strangely awkward", das ist der Film wirklich.
Das ist mal ein komplett anderer Film von Dario Argento, der den Zuschauer, der mit den anderen Werken von Dario Argento vertraut ist, wohl nichtmal annähernd erwartet, wenn er sich nicht im Vorfeld über den Film informiert hat. Argento selbst drehte ja fast ausschließlich Gialli oder Krimis mit einem übernatürlichen oder surrealen Einfluss, und selbst als Produzent beschränkte er sich größtenteils auf Horrorfilme. Doch "Die Halunken" aka "Five Days of Milan" ist etwas komplett anderes, wobei jedoch eine eindeutige Kategorisierung schwer fällt. Der Film beginnt sehr klamaukig, was nicht zuletzt mit der Besetzung von Adriano Celentano in der Hauptrolle Hand in Hand geht. Dieser sorgt natürlich für einiges an Witz, was von gelungenem Spaß, über eher leise Gags bis hin zum ungehinderten Unfug mit hysterischen Tendenzen geht. Das Humorspektrum ist hier also weit abgedeckt, und vermag stellenweise durchaus zu unterhalten. Manche Szenen sind auch für die Entstehungszeit ungewohnt derb, offenherzig und schweinisch, was den "seltsamen" Eindruck des Films noch mehr verstärkt. Ungewohnt - dieses Wort beschreibt den Film (wenn man in mit Argento im Hintergrund betrachtet) wohl am besten, denn eine Komödie im historischen Mailand des 19. Jahrhunderts hätte wohl niemand von diesem Regisseur erwartet, noch dazu mit einem eindeutigen Entertainer wie Adriano Celentano in der Hauptrolle.
Doch natürlich - wie hätte man es anders erwarten sollen - lässt sich Argento nicht gänzlich lumpen und zeigt wieder sein Faible für blutige Gewalt. Der Film ist also keine Komödie wie man bisher vielleicht dachte, sondern lässt sich einfach keinem Genre eindeutig zuordnen. Denn wenn die Revolutionäre auf die österreichischen Truppen treffen, dann gibt es doch einige Tote, die auch auf die ein oder andere blutige Art und Weise sterben. Desweiteren werden unsere Helden Zeugen von Exekutionen, Vergewaltigungen und Strassenkämpfen, so dass der Film sicherlich nichts für die ganze Familie an einem verregneten Sonntagnachmittag ist. Auch gibt es immer wieder politische Stellungnahmen und Äußerungen unseres Helden, die dem Geschehen eine durchaus tiefgründige und ernste Färbung geben. Argento selbst (der ja auch das Drehbuch schrieb) sympathisierte zu dieser Zeit mit links-anarchistischen Ideologien, was man dem Film auch durchaus anmerkt. Interessanterweise wird hier aber die gesamte Revolution in ihrer Art kritisiert, und nicht nur ein einseitiges Feindbild propagiert. Auch zeigen sich die Protagonisten von der Gewalt überhaupt nicht begeistert, und prangern diese an, was natürlich bei diesem Regisseur auch bemerkenswert ist. Wobei hier natürlich die Gewalt nicht annähernd so ästhetisiert wird wie in Argentos anderen Filmen.
Allerdings leidet der Film auch an seiner Lauflänge von fast zwei Stunden und besitzt eigentlich nur sehr wenig dramatische Struktur. Wie so oft bei solchen und ähnlichen Filmen zerfällt der Film in eine gewisse Episodenhaftigkeit, und die hinter allem stehende Handlung scheint manchmal zu sehr in den Hintergrund zu rücken. Es fehlt desöfteren der Zusammenhang zwischen den einzelnen Szenen, so dass weniger der Eindruck eines "normalen" Spielfilmes als vielmehr eines Stimmungsbildes entsteht. Diese Episodenhaftigkeit, die ich eher als negativ ankreiden würde, da sie für gewisse Längen sorgt, passt jedoch gut zu einer anderen Eigenheit des Films. Der Film ist - plump gesagt - ziemlich seltsam. Er wehrt sich gegen gängige Genrekonventionen des Historienfilms, wodurch unter anderem es kaum Massenszenen gibt, sondern ganz Mailand eigentlich ziemlich gespenstisch leer wirkt. Argento zeigt hier wiederrum seine Vorliebe auf großen offenen Plätzen zu inszenieren, und gerade hier fällt auf, dass sich kaum Menschen in Form von Statisten im Geschehen befinden. Auch schon zu Beginn, als die fehlgeleitete Kanonenkugel Celentano aus dem Knast befreit, wirkt diese eher wie eine Art surealistische Deus Ex Machina. Den Höhepunkt findet dies eigentlich in der Szene mit den verrückten Adeligen bei Nacht, die fast schon an David Lynch erinnert.
Die Hauptperson ist diesmal Adriano Celentano, den wahrscheinlich jeder zumindest vom Sehen her kennt, aber sicherlich vom Hören, immerhin stammt der Hit "Azurro" von ihm. Mehr Infos zu ihm kann man bei der Kritik zu
Ein total versautes Wochenende nachlesen. Ein Freund Romolo wird von Enzo Cerusico gespielt, der mit Dario Argento auch schon bei "Il Tram" aus der Fernsehserie Door into Darkness zusammenarbeite. Marilù Tolo spielt hier eine nymphomanische und durchgeknallte Gräfin und war zum Zeitpunkt der Entstehung mit Argento liiert. Sie spielte in dem superben Western "Töte, Django" mit Tomas Milian, aber auch in dem Giallo "
My dear Killer und dem Krimi "Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert" mit Franco Nero. Seit über 20 Jahren hat sie keine Rolle mehr gehabt, obwohl sie erst Jahrgang 44 ist. Die Kamera führte erneut Luigi Kuveiller, der ja später auch
Deep Red fotografierte.
Auf DVD gibt es den Film endlich von e-m-s auf komplett deutsch! Die Qualität ist ansprechend, den Ton hätte ich mir allerdings ein bisschen besser gewünscht. Extras gibt es eigentlich nicht wirklich, dafür ist die DVD auch günstig zu haben. Der Film ist ab 16 freigegeben, was angesichts der Gewalt sicherlich in Ordnung geht. Das Cover hat mir sehr gut gefallen, und mit "Adriano Celentano in einem wilden und blutigen Abenteuerfilm von Italien Kultregisseur Dario Argento." auf dem Backcover wird Gott sei Dank nicht der Eindruck vermittelt, hier würde es sich um eine Komödie handeln. An dieser Stelle natürlich auch wieder vielen Dank erneut (und immer wieder) an e-m-s für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.
Fazit: Mit "Die Halunken" hat Dario Argento einen wahrlich nicht einfachen Film gedreht. Der Film ist natürlich etwas ganz anderes als die restlichen Werke. Wirklich schlecht ist er sicherlich nicht, aber so ganz wollte der Funken auch wegen diversen Längen nicht überspringen. Punkten kann der Film aber sicherlich mit seiner seltsamen Atmosphäre und der wie immer sehr schönen Kameraarbeit. Dario Argento Fans greifen natürlich aus Komplettierungsgründen zu, und auch Leute die gern mal "andere" Filme sehen, können den durchaus mal antesten.