Filmbiographien sollen sowohl künstlerischen als auch kommerziellen Erwartungen gerecht werden, und weit mehr als es bei einem Buch der Fall ist, sind sie gezwungen, die zu erzählende Lebensgeschichte zu kürzen und im Hinblick auf dramaturgische Ansprüche dem Medium anzupassen. Eben diese Auswahl bedingt eine gewisse Subjektivität, die nie ganz auszuschließen ist, egal wie objektiv der Film sein möchte oder soll. Daher wird oftmals die Kritik laut, dass eine Biographie tatsächliche Ereignisse verzerrt darstellt oder wesentliche Aspekte zugunsten einer bestimmten Aussage zurückhält.
"JIMMY HOFFA" gehört zu jener Kategorie von Biographien, welche das nationale Publikum in der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Nationalstolz und Patriotismus bestärken soll. In diesem Fall wird der heroische Kampf der Gewerkschaften gegen die Übermacht der kapitalistischen Großkonzerne in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum zentralen Thema einer Geschichte im Stile des
frontier myth, dem amerikanischen Mythos der Neuerschließung unbekannter Terrains durch unerschrockene Individualisten. Der Film wurde 1992 veröffentlicht, als in den (amerikanischen) Kinos gerade eine Blütezeit der Filmbiographie herrschte. Mit der Lebensgeschichte des Gewerkschafts-Aktivisten James R. Hoffa folgte der Film der Tradition von Produktionen wie Norman Jewisons "FIST - Ein Mann geht seinen Weg", der bereits 1978 mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle d
as Thema Gewerkschaftskämpfe aufgegriffen hatte.
Jimmy Hoffa (hier gespielt von Jack Nicholson) war leidenschaftliches Mitglied der
International Brotherhood of Teamsters und stieg schließlich bis ins Präsidentenamt der Gewerkschaft auf. Dabei musste er sich wegen der gewalttätigen Auseinandersetzungen der Gewerkschaftsprotestler mit Polizei und Konzernen sowie wegen seiner Verbindungen zum organisierten Verbrechen der Anklagen durch den Generalstaatsanwalt Robert Kennedy (Kevin Anderson) erwehren. Irgendwann verschlug es ihn tatsächlich hinter Schwedische Gardinen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, aus dem Gefängnis heraus weiterhin die Gewerkschaft leiten zu wollen, bis er schließlich von U.S. Präsident Richard Nixon begnadigt wurde. Aber bereits während seiner Haft verlor er langsam aber sicher die Kontrolle über die Gewerkschaft und schließlich musste er deren Leitung aufgeben.
Bis hierher wird die Geschichte recht faktengetreu dargestellt – allerdings mit zwei großen Ausnahmen. Die erste bildet die fiktive Figur des Bobby Ciaro (Danny DeVito), der als enger Vertrauter und Mitarbeiter Hoffas dem Zuschauer als Orientierungspunkt dient und aus dessen Sicht wir den Werdegang Hoffas verfolgen. Die zweite Ausnahme ist der Schluss des Films, der die Ermordung Hoffas durch die Mafia zeigt. Tatsächlich verschwand Hoffa am 30. Juli 1975 spurlos und tauchte seitdem auch nicht wieder auf. Die Umstände seines Verschwindens und seines wahrscheinlichen Todes wurden nie geklärt.
Es ist ehrenwert, dass sich die Filmemacher um eine Identifikationsfigur für das Publikum bemühten und außerdem mit der möglichen Erklärung für Hoffas Verschwinden einem sonst eventuell zurückbleibenden Gefühl von Unvollständigkeit entgegenzuwirken suchten. Aber gerade in einer Produktion, die sich offenkundig so sehr um Authentizität bemüht, wirken eine fiktive Figur wie die des Bobby Ciaro, der ja auch noch eine recht große Rolle in der Geschichte einnimmt, und das frei erfundene Ende der Geschichte irgendwie fehl am Platz und stehen in Widerspruch zum sonst so ambitioniert verfolgten Realitätsanspruch.
Was meines Erachtens noch schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass wir die Geschichte eben nicht aus dem Blickwinkel der Titelfigur sondern aus jenem eines Außenstehenden nachvollziehen. Dadurch bleibt der Film uns den Einblick in Hoffas Innerstes schuldig. Viele Kritiker haben beklagt, dass die Motivation der Figur, die hinter dem leidenschaftlichen Kampf für die Gewerkschaft steht, ein ungelöstes Mysterium bleibt. Es gibt so gut wie keinerlei psychologische Erklärung der Persönlichkeit und auch Hoffas Privatleben bleibt verborgen. Erst nach gut der Hälfte des Films kann der Zuschauer einen Blick auf Hoffas Familie erhaschen. Der Kampf für seine Sache wird als absolute Priorität dargestellt und das fast gänzliche Ausblenden des privaten Hintergrunds verstärkt diesen Effekt. Allerdings bleibt die Figur dafür eher eindimensional. Da muss man sich auch überlegen, ob die Recherche, die Jack Nicholson im Vorfeld des Drehs betrieben hat, sich nur auf das Äußere von Jimmy Hoffa bezogen hat. Was das angeht, ist die Darstellung nämlich sehr überzeugend, da Nicholson mit Hilfe von Make-up, falschen Zähnen und Gesichtsprothesen dem tatsächlichen Vorbild zumindest visuell recht nahe kommt. Was aber das Schauspielerische angeht, so hat Nicholson sicherlich schon bessere Leistungen abgegeben. Meist erscheint seine Darstellung eher flach und ausdruckslos, jedenfalls nicht so, wie man es von einem Weltklasse-Mimen wie ihm erwarten würde.
Danny DeVitos
"JIMMY HOFFA" kann sich also nicht ganz zwischen einem realistischen Portrait und freier Interpretation entscheiden, was den Zuschauer zwischenzeitlich immer wieder aus der Illusion herausreißt. Dazu kommt, dass das Drehbuch dramaturgisch einige Schwächen aufweist und so der Spannungsbogen ständig abfällt oder gar gänzlich zusammenzustürzen droht. Da können auch die künstlerisch ambitionieren Szenenübergänge oder Kamerafahrten nicht mehr viel ausrichten. Alles in allem kann der Film nur wenig fesseln, denn ein anspruchsvolles Thema und der ehrenwerte Versuch, einen nationalen Helden zu etablieren, allein genügen eben nicht, um ein wirklich überzeugendes und unterhaltsames Werk zu schaffen.