Das Bedürfnis mir
The Beach wieder anzusehen, wurde in einem Gespräch mit Herrn Kollegen Genzel geboren, in dem wir beide feststellten, dass uns Danny Boyles aktueller Film
127 Hours reizen würde. Doch Herr Genzel hatte Bedenken, eben weil es ein Film von Danny Boyle ist und auf Boyle kein Verlass sein kann, wenn es darum geht, eine Geschichte flüssig zu Ende zu bringen. Also gehen wir Boyles Filme durch, stellen fest, dass uns ausgerechnet sein angebliches Meisterwerk
Slumdog Millionaire nie interessiert hat und dass wir uns nicht bei allen Filmen auf seine Theorie einigen können.
Also
The Beach. Ein viel gescholtener Film, den ich damals im Kino mochte und nicht verstehen konnte, warum so auf ihn eingeprügelt wurde. Für seine beiden Hauptakteure, Danny Boyle und Leonardo DiCaprio war es quasi "Der Film Danach". Boyle hatte sich zuvor mit
Trainspotting einen sehr guten Namen gemacht (der Nachfolger
A Life less ordinary ist wenig hängen geblieben) und musste nun Kritik dafür einstecken, nach einem so klugen, schrägen und unabhängigen Film eine so glatte Hollywoodproduktion abzuliefern. Und DiCaprio - nun er war halt in diesem Film mit dem Schiff. (Die beiden Filme, die zwischen
Titanic und
The Beach kamen - der kleine und sehr gute
Marvin's Room und der größere, furchtbare
Der Mann mit der eisernen Maske bekamen eher wenig Aufmerksamkeit. Bei ersterem leider, bei zweiterem Gott sei Dank). Obwohl er zuvor noch als großartiger (und ocscarnominierter) Schauspieler gegolten hatte, der ob seines jungen Alters und unendlichen Talents nichts anderes als eine goldenen Zukunft vor sich haben konnte, hatte er sich zu diesem Zeitpunkt schon so viel Neid zugezogen, dass er es auf Jahre einfach nicht mehr richtig machen konnte. Doch ist
The Beach auch ohne diese, vom Film unabhängigen Punkte nicht frei von Problemen.
Die erste Stunde ist stark. Visuell wie auch erzählerisch. Boyle verzichtet völlig auf Spielereien, sondern erzählt eine geradlinige Geschichte und trifft dabei alle seine Punkte. Das Bedürfnis des Aussteigens, des Gefangen- und Überladensseins in der westlichen Konsumgesellschaft, der Ekel vor den normalen Massentouristen und die Suche nach etwas Echtem, nach dem Paradies.
Richard (DiCaprio) lernt die beiden Franzosen Francoise (Virgine Ledoyen) und Etienne (Guillaume Canet) kennen, sowie den durchgeknallten Daffy (Richard Carlyle), der ihm von diesem geheimen Strand erzählt, dem Paradies auf Erden. Er schenkt Richard eine Karte, die ihn dorthin führen soll, worauf Richard seine neuen französischen Freunde einpackt und sie sich auf den Weg machen. Auch hier passt alles - der mühsame Weg, die Hitze, der Dreck, die Fliegen, das stachelige Unterholz. All das stehen die drei durch, weil sie am Ende des Weges den Himmel erwarten und schlussendlich auch finden. Eine selbstorganisierte Aussteigerkommune am schönsten, reinsten Strand des Planeten, geheim gehalten von der Welt und geführt von der königlich auftretenden Sal (Tilda Swinton). Doch das Glück währt nicht lange und es bricht schön langsam der Wahnsinn ein.
Boyle ist hoch anzurechnen, dass er bis hierhin den Zuschauer so am Enthusiasmus packt und mit seinen drei Aussteigern mitreisen lässt, dass man erst ab dem dritten Akt, wenn schon alles in der Dunkelheit versinkt, merkt, dass es von Anfang nicht so paradisisch war. Immerhin schlitzt sich Daffy - der an sich schon nicht ganz richtig im Kopf war - die Pulsadern auf, nachdem er Richard die Karte übergeben hat. Richard lädt Francoise und Etienne nur deshalb ein mitzufahren, weil er erstens Angst hat alleine zu sein und zweitens auf Francoise steht und sie auch fortwährend aufzureißen versucht. Das geheime Paradies ist nicht einfach auf einer Insel versteckt, sondern umgeben von Marihuanabauern - also Drogenhändlern mit Waffen, die diesen Ort als den ihren betrachten und die Kommune nur solange dulden, solange keine neuen Personen hinzu kommen. Ärzte können wegen des Geheimnisses nicht auf die Insel, deshalb wird ein kaputter Zahn einfach so ausgerissen. Immer wieder muss die Kommune tagelang hungern, weil sie einfach keine Fische fangen. Dann wird auch noch der Reis von einem Pilz befallen und Richard muss ans Festland, um Nahrung zu besorgen. In der wahrscheinlich treffsichersten Pointe des Films sehen wir dann, wie Richard von allen Aussteigern Einkaufszettel entgegennimmt, weil sie Dinge wollen und brauchen, die es in ihrem Paradies einfach nicht gibt - Batterien, Zeitungen, Tampons, Medikamente, Haarfarbe, Zucker,.....
Es geht Danny Boyle und seinen Autoren John Hodge und Alex Garland (der die Romanvorlage geschrieben hat) um den Menschen und seiner Idee vom Paradies. Deshalb bricht das Unheil auf allen Fronten herein. Einerseits von Menschen gemacht (Richard hat die Karte an dumme Surftouristen weitergegeben, die jetzt auch auf die Insel wollen und so den Strand gefährden) und andererseits aber durch die Kraft der Natur (Haiangriff), die die Aussteiger einfach unterschätzt haben. Wie die Kommune auf diese Extremsituationen reagiert (die Verletzten werden in den Wald ausgelagert um die gute Stimmung nicht zu trüben), zeigt welchen Preis es für das Paradies zu zahlen gilt.
Und an diesem Punkt, an dem er auch wie aus dem Nichts mit seinen visuellen Spielereien anfängt, entgleitet Boyle der Film tatsächlich. Richard wird in den Wald verbannt, um die Surftouristen zu beobachten und gegebenfalls zu verscheuchen und wird dabei irre. Er sieht sich selbst abwechselnd in einem Computerspiel (das soll wohl auf die künstlich hergestellte Welt am Stand anspielen, sie spielen Leben quasi) oder in
Apocalypse Now (hm, also Dschungel, Leute, die in der Wildnis verrückt werden, Menschen, die das Paradies zerstören, menschliche Abgründe, The Horror, The Horror - alles klar. Aber was haben Aussteiger mit Krieg zu tun? - nicht so klar) und legt sich aus irgendeinem Grund mit den Marihuanabauern an (Ich glaube, weil ihm langweilig wird). Wir wissen nicht wie lange er dort herumrennt und fiebert, zumal wir später erfahren, dass er ja eh immer ins Camp zurückgekehrt ist, sich aber nur von den Anderen fern gehalten hat - oder wie? Jedenfalls kommt
The Beach hier völlig ausser Tritt.
Natürlich kann man sagen, es fällt filmisch alles auseinander, weil auch am Strand alles auseinander fällt - allerdings kehrt Boyle fürs Finale wieder zu einer konventionellen Erzählform zurück und auch Richard ist auf einmal wieder klar im Kopf. Auf der Habenseite verbuchen wir an dieser Stelle, dass der Film den Punkt den er machen will, natürlich macht. Allerdings hat er ihn zuvor in den Szenen mit den Einkaufszettel und der Quarantäne im Wald sowie in einer starken Sequenz bei der Rückkehr ans Festland, bei der er gleichzeitig die Arroganz dieser Aussteiger aber auch deren Gründe für ihre Flucht einfängt, schon viel besser gemacht.
Man wird an Stelle als Zuseher einfach völlig aus der Geschichte geworfen, selbst wenn sie intellektuell schon noch irgendwie Sinn macht.
Ein wirklicher Verhau ist dann halt das Ende. Den Strand gibt es nicht mehr, alles ist an der Gewalt zerbrochen. Und dennoch sitzt Richard vor einem Foto aus schöneren Strandtagen und philosophiert darüber, dass das Paradies immer dann existiert, wenn man Teil von etwas Besonderem ist. Das mag ein schöner Gedanke sein, aber leider war Richard rückblickend am Strand nicht auf Urlaub, sondern hätte etwas Grundlegendes über die menschliche Natur lernen sollen. Aber er ist den ganzen Film über kein echter Sympathieträger und zeichnet sich auch nicht unbedingt durch weise Entscheidungen und Voraussicht aus. Denn im Endeffekt waren es Zwang, Gefühlskälte, Ignoranz, Arroganz und Oberflächlichkeit, die den Strand geschaffen und zusammen gehalten haben.
Ein guter und interessanter Film von Danny Boyle also, der auch in den Passagen in denen er scheitert, mehr als genug gute Ideen hat.