(UK/USA, 2007)
"If you wake up one morning and it's a particularly beautiful day, you'll know we made it."
Es ist nicht überliefert, ob Danny Boyle eines Morgens aufstand und den Oldie von den Walker Brothers im Radio hörte. „The sun ain´t gonna shine anymore, the moon ain´t gonna rise in the sky, the tears are always clouding your eyes.” Vielleicht hatte der britische Regisseur, der sich schon in vielen Genres austobte (
Trainspotting,
Lebe lieber ungewöhnlich,
28 Days Later), auch einfach eine diebische, sadistische Lust an der Idee empfunden, der großen Kugel am Himmel, rein fiktional, den Saft ab zu drehen.
So ist es dann sinnigerweise auf der Leinwand zuerst zappenduster. Die Stimme aus dem Off verkündet den Untergang. In 50 Jahren stirbt die Sonne, die Menschheit blickt ihrem Ende entgegen. Um den großen Feuerball durch eine gigantische Explosion zu reaktivieren, entsandte man das Raumschiff „Icarus“ (aus mythologischer Sicht eine unglückliche Namenswahl). Doch die Mission scheiterte, von Schiff und Mannschaft wurde nie wieder etwas gehört. Also schickte man die „Icarus 2“ mit dem selben Auftrag hinterher (aus lerntheoretischer Sicht eine dämliche Namenswahl). Und hier sind sie nun versammelt und leiden am Lagerkoller: Captain Kaneda (Hiroyuki Sanada,
The Last Samurai), das smarte Physikergenie Capa (Cillian Murphy,
Red Eye), Se
arle (Cliff Curtis, der ansatzweise dem Typus des draufgängerischen, virilen Abenteurers entspricht). Insgesamt acht Menschen auf der Mission „letzte Chance“. Da entdecken sie unverhofft das Vorgängerschiff, das immer noch intakt im Raum schwebt, aber kein Lebenszeichen von sich gibt. Nun muss entschieden werden, ob man das Unternehmen strikt nach Plan weiterverfolgt, oder mit den Bomben der ersten Icarus die Sprengkraft und somit die Chancen auf das Fortbestehen der Menschheit verdoppelt.
Wer jetzt ganz spontan an
Event Horizon,
Armageddon,
The Core,
Das schwarze Loch, oder ähnliche Referenzgrößen denken musste, liegt selbstredend richtig. Doch die Exploitation bekannter Plots ist nicht das größte Problem von Boyles ambitioniertem Epos. Auch nicht das penetrante Bemühen um den Anschluss an topaktuelle, global-ökologische Klimakollapskontroversen. Nein, Boyle hat
Sunshine ein derart hohes Maß an dramaturgischer Vorhersagbarkeit verpasst, das selbst Genreliebhabern den Spaß verderben kann. Eine Liste zum Abhaken: natürlich bricht der Funkkontakt zur Erde hab, selbstverständlich gehen eminent wichtige Systeme kaputt, ohne Zweifel wird der Sauerstoff dummerweise nicht für alle und auch nicht für lange Zeit reichen. Die Mission steht ganz gefährlich auf der Kippe – in fast jeder Sekunde, in fast jeder Einstellung. Mit dem ersten Todesopfer nimmt der obligate Body Count seinen Lauf. Gewiss, gewiss, der Kern des Dramas ist der Konflikt, und eine reibungslos erfolgende Rettungsaktion wäre ja in der Tat ein schlechter Witz. Aber neben den Konventionen, die Genre und Stoff wohl ureigen sind, schafft Boyle es nicht, narrative Stränge zu platzieren, die über das Maß des Vorhersehbaren hinausgehen. Auch nicht wirklich geholfen hat da die Entscheidung, im letzten Drittel des Films, der sich bis dahin als SciFi-Drama definieren lässt, doch noch auf den Horrorzug aufzuspringen und
Sunshine eine blutige Note zu verpassen, die nicht ganz ins Gesamtbild passen will.
Es kann also unvernünftig und inkonsequent erscheinen, trotzdem von einem gelungenen Werk zu sprechen. Vielleicht, weil man nicht anders kann, als vor der visuellen und ästhetischen Brillanz von „Sunshine“ den Hut zu ziehen. Die Bilder sind opulent, energetisch, magisch. Durch und durch beeindruckend und überwältigend, fast so blendend wie der Stern, um den sich alles dreht. Das müssen sie auch sein, denn jene Bilder hat Boyle immerhin einer originellen Geschichte vorgezogen. Auch die ganz spezielle, geladene, intensive Atmosphäre, die sich aus dem Zusammenspiel von Düsternis und Enge ergibt, und die auch viele vergleichbare Genreklassiker auszeichnet – Boyle hat sie auch hier hinbekommen.
Man mag also Idee und Stoff von
Sunshine übermotiviert oder monumentalverliebt, den Streifen als ganzes abgeschmackt oder eklektizistisch nennen. Man kann aber auch sagen, dass hier ein großes, episches Thema verhandelt wird, das nach derart mächtigen und wuchtigen Bildern und Stimmungen verlangt – und somit ein schön-schauriges, erhabenes Drama im Weltenraum hervorbringt. Das Wohlwollen hängt von zweierlei Dingen ab: einer großen Genreaffinität, die Plagiatentum und Redundanz verzeiht, und der Bereitschaft, sich von diesem monströsen, technizistischen Bilderbombast aus den Schuhen hauen zu lassen. Eine barmherzige Blindheit, die alle Schwächen übersehen will, um doch den Daumen nach oben zeigen lassen zu können. Eine Selbsthypnose, sozusagen.