Faszinierend ist, was unmöglich erscheint – und dennoch tatsächlich schaffbar ist. So ist es kaum verwunderlich, dass die Geschichte über die Selbstbefreiung eines eingeklemmten Bergsteigers so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht – sei es durch die Medien, das Buch oder nun die Verfilmung. Dabei ist die Frage nach dem
Wie gar nicht mehr so entscheidend, hat man durch die Berichterstattung im Jahre 2003 doch zur Genüge beantwortet bekommen,
wie es einem Mann gelang, sich nach tagelanger Tortur schließlich selbst zu retten. Obwohl der Ausgang dieser wirklich passierten Geschichte doch von Anfang an klar ist, wird „
127 hours“ ZuschauerInnen in die Kinosäle und später vor den Fernseher ziehen. Weil es einfach zu unglaublich erscheint, was passieren muss, um eine unmöglich erscheinende Tat Realität werden zu lassen.
Im April 2003 zieht der 27jährige Aron Ralston los, um seinem Traum – der Besteigung aller Viertausender in Colorado – mit diesem Tag ein Stück näher zu kommen. Dass ihm so kleine Dinge wie das Verschlampen seines Schweizer Taschenmessers oder das Ignorieren eines Anrufs seiner Mutter vor seinem Aufbruch noch zum Verhängnis werden sollen, vermutet er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Klar wird es ihm erst, als er durch einen Fehltritt in eine Gletscherspalte rutscht und ein herabstürzender Felsbrock seinen rechten Unterarm einklemmt. Ohne Aussicht auf Rettung und nur mit seiner Kletterausrüstung, einer Kamera
und einem stumpfen Messer
made in China bestückt, muss er sein Überleben schließlich selbst in die Hand nehmen.
Wie schon zuvor geschrieben ist hierbei nicht das Spannende, wie es Aron schließlich schafft, sich aus der Gletscherspalte zu befreien, sondern viel mehr wie er es bei wenig Wasser und Nahrung 5 Tage an einem Ort aushält, der gleichzeitig sein eigenes Grab sein könnte. Woran er denkt, was er fühlt und was für Ideen er entwickelt, um – ganz MacGuyver-like – mit seiner kläglichen Ausrüstung warm zu bleiben, nicht mehr stehen zu müssen und sich schließlich zu befreien. Als sich der Film nach 20 Minuten auf nur einen Schauplatz und einen Protagonisten beschränkt, muss sich „
Slumdog Millionär“-Regisseur Danny Boyle so einiges ausdenken, um auch noch die restliche Laufzeit packend zu gestalten. Was zuvor ein Rausch von Bildern, Landschaftsaufnahmen und Schnelligkeit war, verharrt nun an einem engen Drehort, an dem kaum Perspektivwechsel möglich sind, und bei einer Figur, die auch nicht durch Dialoge glänzen kann, da sie ja niemanden hat, mit dem sie reden kann. So liegt es nicht fern, dass Boyle die kleine Handkamera mit einbaut, die auch der reale Aron benutzte, um letzte Botschaften an seine Freunde und Familie aufzunehmen, in der Hoffnung, dass sie eines Tages gefunden würde. James Franco („
Spider-Man“), auf dessen Schultern quasi alle Spannungslast liegt, verkörpert in einer One-Man-Show die Hauptfigur auf dramatische und dabei dennoch jederzeit authentische Weise.
„
127 hours“ schafft es, kein ekelerregender Horrorfilm zu sein und dennoch bis zum Ende spannend und dramatisch zu bleiben. Um diesen Effekt zu erzielen, bleibt die Kamera schonungslos und erspart einem gerade die Details nicht, die schon durchs bloße Zusehen Schmerzen bereiten. Wenn es einem auch durch den rasanten Beginn und die wenigen Informationen aus Arons Leben zunähst nicht gelingt, mit dem Protagonisten mitzufühlen, so ändert sich das spätestens, wenn das Tempo plötzlich von fullspeed auf Stillstand springt. Was ungeklärt bleibt und somit für einen kleinen Abzug in der Wertung sorgt, ist die Frage nach den Schmerzen, die Aron durch seinen quasi abgequetschten Arm 5 Tage lang erleiden musste. Hier kommt ihm kein einziges „Aua“ über die Lippen, kein einziger Gedanke entsteht darüber, dass er seinen rechten Arm verliert.
„
28 days later“, „
Trainspotting” und „
Slumdog Millionär” könnten unterschiedlicher nicht sein und scheinen auf den ersten Blick auch nichts mit „
127 hours“ zu tun zu haben. Dennoch verbindet sie alle derselbe Regisseur – Danny Boyle – dem es wieder einmal gelungen zu sein scheint, einen Topfilm zu machen. Großartige Landschaftsaufnahmen, ein talentierter Hauptdarsteller und eine unglaubliche erscheinende Geschichte, die gar nicht erst neu erfunden werden musste, bestätigen: hier konnte eigentlich gar nicht mehr so viel schief gehen.