„Wenn die Kirche öffentlich und autoritativ im Namen Jesu Christi fordert, dass eine Person oder ein Objekt gegen den Einfluss des Bösen geschützt und seiner Herrschaft entzogen wird, spricht man von Exorzismus.“
(Vatikan, 1999)
Wer denkt, dass das Thema „Teufelsaustreibung“ allerhöchstens im Mittelalter praktiziert worden ist und ansonsten nur noch in der Traumfabrik Hollywood vorkommt, der irrt:
Erst 2004 hat in Mexiko die erste internationale Exorzismuskonferenz stattgefunden, während welcher der verstärkte Kampf gegen den Okkultismus beschlossen worden ist.[*]
Papst Benedikt XVI. hat sich ein Jahr nach dieser Versammlung an den Nationalkongress der italienischen Exorzisten gewandt und deren Mitglieder ersucht, mit ihrer Tätigkeit fortzufahren.[*]
Dass man unter einem echten Exorzismus keinen harmlosen Hokuspokus erwarten darf, veranschaulicht dann das tragische Schicksal der Deutschen Anneliese Michel, die während ihrer Austreibung infolge körperlicher Schwäche verstorben ist.
Der sich 1976 ereignete Vorfall hat bereits als Inspiration zu den Filmen „Der Exorzismus von Emily Rose“ (2005) und „Requiem“ (2006) gedient.
„Exorcism is alive and well“, dieser Überzeugung ist auch der Reverend Cotton Marcus (Patrick Fabian, „Veronica Mars“), der das betreffende Ritual in der Vergangenheit schon oft durchgeführt und sich dadurch eine treue Anhängerschar aufgebaut hat.
Cotton ist ein sympathischer Typ, ein Entertainer. So jemand, mit dem man sich gerne bei einem kalten Bier über alles Mögliche unterhält - und vor allem ein Mann mit Familie und Prinzipien.
Um den verzweifelten Seelen zu helfen, greift er stets tief in seine Trickkiste und präsentiert ihnen ein Ereignis, eine Show, die bisher immer so eindringlich gewesen ist, dass die persönlichen Dämonen auf ewig verschwunden sind. An böse Geister oder den Beelzebub in persona glaubt der smarte Prediger nämlich - hinter vorgehaltener Hand - selbst nicht.
Obwohl das „Geschäft“, welches ihm in erster Linie nur dazu dient, seine Familie zu ernähren, recht gut läuft und er darin einen ehrlichen aber eben etwas anderen Dienst am Menschen sieht, bereiten Cotton die vom Vatikan geplante Ausweitung der Teufelsbekämpfung und die körperlichen Gefahren, die für die „Besessenen“ bei all dem Lug und Trug bestehen, Gewissensbisse.
Er will an die Öffentlichkeit, ins Fernsehen, und den Leuten zeigen, was in Wirklichkeit hinter seinem letzten Exorzismus steckt.
Aus diesem Grund zieht er gleich das erste Hilfegesuch aus dem riesigen Haufen heraus und begibt sich mit einem Filmteam in das tiefste Louisiana, um vor laufender Kamera die zuerst vermutete Persönlichkeitsstörung der jungen Nell Sweetzer (Ashley Bell, „United States of Tara“) zu dokumentieren…
„Der letzte Exorzismus“ wird wohl für all diejenigen Genrefans eine unglaubliche Enttäuschung darstellen, die sich nach der aufwendigen Marketing-Kampagne und dem effektiven Trailer von dem Werk eine packende Mischung aus William Friedkins „
Der Exorzist“ (1973) und der Pseudo-Doku „Blair Witch Project“ (1998) erhofft haben.
Der ursprünglich passenderweise schlicht „Cotton“ betitelte und wahrscheinlich aufgrund von Verkaufsargumenten umbenannte Film, welcher von dem gebürtigen Hamburger Daniel Stamm („A Necessary Death“) inszeniert und von Horror-
Hot Shot Eli Roth („
Cabin Fever“, „
Hostel“) produziert worden ist, präsentiert sich über weite Strecken nicht als spannungsgeladener oder gar blutiger Schocker, sondern eher als das äußerst amüsante Portrait des mit seiner getürkten Tätigkeit aufräumenden Geistlichen.
Ohnehin verwendet Regisseur Stamm seinen Dokumentarstil nicht, um den Zuschauern durch viele Wackelbilder ein möglichst reales Schrecken vorzugaukeln, sondern um das Hauptaugenmerk des Geschehens ohne Umwege auf seine Charaktere zu lenken.
Patrick Fabian geht hier übrigens so sehr in seiner Rolle auf, dass man sich für ihn sogar Chancen für eine Nominierung in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ bei den einschlägigen Preisverleihungen ausrechnen könnte. Kein Scherz!
Aber auch Ashley Bell, die die zerbrechliche Nell Sweetzer verkörpert, gelingt es mit ihrem undurchsichtigen Wechselspiel, den Zuschauern urplötzlich wahre Schauer über den Rücken zu jagen.
Natürlich würde man nicht versuchen, das Werk einem Horror-Publikum ans Herz zu legen, wenn es keine gruseligen oder verstörenden Momente enthalten würde.
Im Gegenteil: „Der letzte Exorzismus“ ist zum Teil – vor allem aufgrund der glaubwürdigen Figuren –
sehr gruselig und verstörend.
Allerdings auf eine clevere und subtile Weise, die weniger aufgeschlossene Genre-Liebhaber wohl kaum ansprechen dürfte.
Das Grauen entsteht hier nicht durch irgendwelche Spezialeffekte, sondern durch die sich langsam enger um den Hals schnürende, schwüle Südstaaten-Atmosphäre und die bedrohliche Spannung innerhalb der Sweetzer-Familie.
Ebenso wie Cotton und sein Team, tappt man als Zuschauer bis zum Schluss im Dunkeln, welches Geheimnis nun tatsächlich unter der Oberfläche lauert.
Die durchaus überraschende aber sehr knappe Auflösung hat dann nach den bisherigen Aufführungen sehr gespaltene Reaktionen hervorgerufen.
Wie man selbst zu dieser steht, hängt nur davon ab, mit welchen Erwartungen man an den Film herangetreten ist.
Fakt ist, dass „Der letzte Exorzismus“ auch anders hätte enden
können.
Die schließlich gewählte Version ruiniert aber nun keineswegs – wie dies einige enttäuschte Besucher behaupten – das Werk, denn es existieren im Verlauf einige (vermutlich weniger beachtete) Hinweise, die bereits auf das abschließende Szenario vorbereiten.
Daniel Stamm, der sich selbst als großen Anhänger von Lars von Trier („
Antichrist“) bezeichnet, sitzt mit seiner sehr gut und sorgfältig abgestimmten Arbeit in Bezug auf ein Publikum ein wenig zwischen den Stühlen:
Der Film beginnt als recht charmante und unbeschwerte Analyse und entwickelt sich später schleichend zu einem nervenzerrenden, kleinen Ungetüm.
Solch ein Wechsel wird nicht jedem Zuschauer schmecken.
Wer auch bei deklarierten Horrorwerken aufgeschlossen gegenüber verschiedenen Themen-Richtungen und einer anderen Erzählweise ist, wird „Der letzte Exorzismus“ viele Qualitäten abgewinnen können.
Ein wirklich hochklassiges Werk, das aber leider kaum die Zustimmung der breiten Masse ernten wird.