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7 Days

7 Days

Ein Film von Daniel Grou

!!!!!ACHTUNG: ENTHÄLT SPOILER!!!!!

Auffällig viele Filme widmen sich seit geraumer Zeit dem Thema der Rache. Das fing schon in den 80er Jahren mit Comicverfilmungen an („The Punisher“, 1989) und erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom, klingelnde Kassen, allgemein begeisterte Zuschauer und ständig aufs Neue den Groll der Kritiker sowie die Entfachung der Diskussion um Rache oder auch blutige Vergeltung („Death Sentence“, „Gesetz der Rache“).
Vergeltung – darum geht es auch in Daniel Grous auf diversen Festivals (u.a. auf dem von Robert Redford ins Leben gerufene „Sundance Filmfestival“) gezeigtem Film. Die Erwartungshaltung des Mainstream-Zuschauers, der bei dieser Thematik eine spannende Schnitzeljagd und einen unterhaltsamen Rachefeldzug assoziiert, wird in „7 Days“ jedoch in keinem Maße erfüllt.

Als die kleine Tochter von Bruno Hamel und seiner Frau geschunden, vergewaltigt und ermordet aufgefunden wird und er den Leichnam noch am Fundort mit ansieht, bricht für ihn die Welt zusammen. Als der Täter anhand eindeutiger DNA-Proben gestellt werden kann, entführt Bruno diesen, verschleppt ihn in ein abgelegenes Waldhaus und kündigt an, ihn 7 Tage lang zu foltern und schlussendlich zu töten…
„7 Days“ ist ein schonungslos depressiver Film. Die Leitfrage auf dem Cover „Wie weit gehst du, wenn jemand deinem Kind Leid zufügt?“ beantwortet wahrscheinlich ein jeder schnell und voller e
ntschlossener Überzeugungskraft. Patrick Senécals Drehbuch geht allerdings nicht den Weg, ganz einfach eine plakative Antwort darauf zu finden. Vielmehr setzt es sich mit dem auseinander, was dahinter steckt. Die filmische Umsetzung ist ein an die Nieren gehendes Monstrum, eine an Trostlosigkeit, Depression, Traurigkeit, Wut und Schmerz kaum zu übertreffende Abhandlung des Zusammenbruchs.
Denn für den liebenden Vater bricht durch diese Gräueltat nicht nur die Welt zusammen. Der gezeichnete Mann fasst den Entschluss, den Mörder und Vergewaltiger zu foltern und zu töten, und erhofft sich davon Genugtuung. Über die sieben Tage, die das Ganze dauert, muss er jedoch (und mit ihm der in diese trostlose Welt eingetauchte Zuschauer) erkennen, dass das Einzige, was er dadurch wirklich erreicht, die reine Vergeltung als sie selbst ist. Eine Sache, die man so eindimensional sehen muss, wie sie ist. Ein Akt, der sich als das erklären lässt, was er ist, der keine Mehrdeutigkeit besitzt. Einhergehend mit dieser Erkenntnis bricht für den trauernden Vater auch sein Seelenheil zusammen. In völliger Isolation verbringt er die sieben Tage in und um der abgeschiedenen Hütte, allein mit sich, einem toten Hirsch vor der Hütte und dem gefesselten Kinderschänder im Keller. Der einzige Kontakt zur Außenwelt besteht zu großen Teilen nur aus Anrufen bei seiner Frau, die sich gegen seine Tat ausspricht, ihn nicht versteht und die Polizei alarmiert. Dass er bei selbiger sogar in dem den Einsatz leitenden Officer einen im Geiste in gewisser Hinsicht Verbündeten findet, gibt dem Film allgegenwärtig die prekäre Note, dass die Empfindungen des Vaters keine Einzelemotionen sind. Der Polizist sieht sich zu Hause einzig und allein die Überwachungsvideos des Ladens an, in dem seine Frau bei einem Überfall erschossen wurde. Auch er ist ein gebrochener Mann und da Bruno erkennen muss, dass seine Frau ganz und gar nicht zu seiner Tat steht, findet er in genau jenem Mann ein wenig ähnliche Emotionen, auch wenn er ihn in seiner Tat natürlich nicht unterstützen kann.

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Brunos sinkender Gemütszustand wird in immer wiederkehrenden Metaphern deutlich. Der tote Hirsch vor dem Haus ist da das offensichtliche Sinnbild. Zuerst liegt der verwesende Kadaver noch ein ganzes Stück vom Haus entfernt. Mit fortschreitender psychischer Ernüchterung geschieht als Tatpendant dazu, dass Bruno den Hirsch näher vor die Hütte zieht – und Brunos Seelengefährdung nimmt seinen Lauf. Nahezu immer, wenn er allein in der Wildnis steht, um nachzudenken oder vielleicht auch inneren Abstand zu der Sache zu gewinnen, blickt er auch auf den Kadaver – und von Mal zu Mal schreitet die Verwesung stärker voran. Dieses Äquivalent zu dem Verfall seines gesunden Gemütszustandes gipfelt in seinem ersten Höhepunkt in dem widerlich eingefangenen Bild des bereits von Fliegen und anderem Aasgetier befallenen Kadavers.
Bis dahin steigert sich auch die Gewaltschraube der ausgeübten Taten. Ein „guter“ Vorsatz für diese exzessive Anwendung von Gewalt ist das erschreckend trostlose und in seiner dargestellten Nüchternheit schockierende Bild von Brunos vergewaltigter und getöteter Tochter zu Beginn des Films. Es bleibt durch seine kühle Optik im Gedächtnis hängen und brennt sich tief beim Zuschauer wie auch beim Hauptprotagonisten ein; hier ist auch die ins Gedächtnis gerufene Erinnerung Brunos an diesen Moment als besonders effektiv zu erwähnen, da sie psychologisch gesehen eine starke Wirkung hat. Wie der ganze Film, sieht auch diese Aufnahme absolut trist und farbentzogen aus. Die Farbgebung wurde hier stilistisch komplett zurückgeschraubt, sodass Farben zwar voneinander zu unterscheiden sind, sich aber im Grundton durch ihre drastische Reduzierung sehr ähneln. So sieht der Film fast aus wie ein Schwarz/Weiß-Film mit gelegentlichen Brauntönen und schwacher Farbgebung, was der deprimierenden und einnehmenden Atmosphäre des Streifens sehr zuträglich ist. Dies lässt sich am Beispiel der Fundszene des ermordeten Mädchens hervorragend zeigen: die blassen Farben stehen für die Trostlosigkeit, detailgenaue Nahaufnahmen, z.B. der blutdurchsickerte Rock des Mädchens, die vielen Blutergüsse an ihrem Körper und die besonders erschreckende Leere in ihren Augen ergeben ein regelrechtes Schockbild. Die fehlende Musikuntermalung, die sich übrigens durch den gesamten Film zieht (inkl. Vor- und Abspann gibt es nicht ein einziges Musikstück), verstärkt verstörende Sequenzen in ihrer Wirkung und lässt jede grausame Tat, jedes nur schmerzlich zu betrachtende Bild noch intensiver ausfallen. Recht heftig wirkt auch von Anfang an, dass der Mörder nackt in seinem Verlies eingesperrt ist und die Kamera ungeniert auf alles hält, was es so zu sehen gibt. Diese Blöße und Erniedrigung ist durch diesen radikalen Weg der Kameraführung besonders wirksam, da ungeschönt, aber nicht effekthascherisch, vorgegangen wird.
Als Arzt lässt es sich Bruno natürlich nicht nehmen, zu wissen, wie er seinem Opfer wirklich schaden kann, ohne das Ganze frühzeitig zu beenden. Und so fängt das Martyrium des Kinderschänders und –mörders an, indem Bruno ihm mit einem Riesenhammer das Knie bricht Und ihm anschließend den Liegetisch wegnimmt, damit er sich stehend in dem Keller rumquälen muss. Wie bereits erwäht, steigt auch diese Gewaltschraube an. Das geht dann über Schläge mit dicken Ketten (auch bis weit nach dem Verlust des Bewusstseins) bis zur Entfernung von kleineren Organen und sadistischer Verwendung von Curaregift – ein für den Körper schädliches Gift, das sofort alles lähmt, aber das komplette Schmerzempfinden und das Bewusstsein aufrecht erhält (dieses Gift ist auch als Pfeilgift bekannt und wurde von Indianern an deren Pfeilspitzen benutzt, damit die Beute bereits nach wenigen Pfeilen den Lähmungen des Curaregifts erliegt).

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Seinen Höhepunkt findet die fortschreitende Metapher des Hirschs und Brunos Seele, als er dem toten Hirsch ein Stück Fleisch herausschneidet und es seinem Opfer zu Essen gibt. Dies ist der Punkt, an dem deutlich wird, dass er nun endgültig einen Teil seines Seelenheils an den Mörder seiner Tochter abgegeben hat. Der tiefe Hass hat ihn dorthin geführt – und nun schneidet er ein Stück Fleisch aus dem Hirsch (also im übertragenen Sinne auch aus seiner Seele) und gibt es dem Mörder zur Aufnahme. Damit scheint sein Schicksal besiegelt und in einer darauf folgenden Sequenz, in der Bruno von seiner Tochter fantasiert, wie er sie in der Badewanne wäscht, sie im metaphorischen Sinne reinwäscht von all dem Schmutz, der ihr angetan wurde, wird seine tiefe Verzweiflung deutlich.
Am siebten, letzten Tag der ganzen Geschichte kann sich Bruno dann durch alles Geschehene nicht mehr durchringen, das schwer gezeichnete und wie ein blutiger Klumpen Fleisch am Boden liegend gefesselte Elend schlussendlich töten. Er hat sich die Katharsis seiner Seele erhofft und gefunden hat er nur Enttäuschung, Gewalt, Blut und vor allem die Erkenntnis, dass er sich selbst verloren hat.
Natürlich empfindet man als Eltern in einer solchen Situation einfach nur tiefsten Hass gegenüber diesem Menschen, der dem eigenen Kind so etwas angetan hat. „7 Days“ allerdings wählt keine der sich anbietenden Methoden, implizierend darzustellen, welcher Weg der „richtige“ ist. Er lässt sämtliche Antworten auf essentielle Fragen offen, die er selbst stellt und überlässt es daher dem angesprochenen Zuschauer, darüber selbst zu diskutieren und abzuwägen.
Darin besteht auch der Unterschied zu reinen Folterfilmen wie „Saw“ oder „Hostel“ oder reinen Rachfilmen wie „96 Hours“ oder „Gesetz der Rache“: diese teilweise in ihrer Art ebenfalls sehenswerten Filme sind absolut Unterhaltungsfilme, manchmal zwar zweifelhafte Unterhaltung, aber eben auf ein großes Publikum zugeschnitten. „7 Days“ widmet sich dem Thema weitaus weniger einnehmend, wirft belegend Thesen auf und erwartet von dem anspruchsvolleren Zuschauer, dass er sich damit auseinandersetzt.

Als Bruno am Ende von der Polizei unter Anwesenheit der Presse verhaftet wird, werden ihm zwei Fragen gestellt. Ob er immer noch glaube, durch Vergeltung könne man so etwas wieder gut machen. Er antwortet geläutert mit Nein. Weiterhin wird er gefragt, ob er denn nun seine Tat bereut. Er antwortet kalt mit Nein.

Die Diskussion sei hiermit eröffnet.

Eine Rezension von Sebastian Walther
(17. September 2010)
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Daten zum Film
7 Days Frankreich/Kanada 2010
(Les 7 jours du talion)
Regie Daniel Grou Drehbuch Patrick Senécal
Produktion Nicole Robert Kamera Bernard Couture
Darsteller Claude Legault, Rémy Girard, Martin Dubreuil
Länge 105 Minuten FSK 18
http://www.imdb.com/title/tt0445054/
Filmmusik Nicolas Maranda
Kommentare zu dieser Kritik
Micha Barbarez sagte am 18.09.2010 um 16:44 Uhr

ein wirklich unbequemer und interessanter Film. Eine gute Idee ist es auch, hier den Foltervater mit einer weiteren Opfermutter zu konfrontieren, die einen völlig anderen Weg der Verarbeitung geht. Schauspielerisch ist der ganze Film vorzüglich, sehenswert, wenn auch nicht wirlkich im klassischen Sinne unterhaltsam. Wer Filme wie Funny Games schätzt, sage ich mag, der wird auch hier eine Ausleihe sicher nicht bereuen.
Cicero sagte am 02.04.2011 um 11:19 Uhr

Das Rachethema war aber wohl schon zu Zeiten von diesem Dolph Lundgren Punishertrash ein alter Hut. Death Wish anyone? Der war übrigens schon 1974!

Wie man Saw als reinen Folterfilm bezeichnen kann, leuchtet mir auch nicht ein. Wo wird denn da im ersten Teil großartig gefoltert?




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