WENN ZWEI SICH FINDEN
Eine alte Freundschaft überdauert die Jahre, sagt man. Bis sie dann plötzlich vor der heimischen Haustür steht und unser Leben gehörig auf dem Kopf stellt.
So ergeht es in dem drahtigen Bernard (Oscar-Gewinner Jim Rash) in
Dan Mirvishs köstlich-amüsanter Komödie
„BERNARD AND HUEY“, denn mit einem Mal nistet sich unversehends sein alter Freund Huey (David Koechner), ein ehemaliger Frauenheld, bei ihm ein. Jetzt, 25 Jahre nach ihrer letzten Begegnung, ist Huey allerdings merklich gealtert und heruntergekommen, während der einstige Verlierertyp Bernard sich zum erfolgreichen New Yorker Junggesellen gemausert hat. Ein Rollentausch, der in der Folge für allerhand Verwicklungen nicht nur amouröser Art sorgen soll...
Wie seltsam Paare sein können, wusste 1968 schon der weltberühmte Neil Simon mit seinem kongenialen Schauspiel-Duo Jack Lemmon und Walter Matthau aufzuzeigen, und auch hierzulande gaben sich, exemplarisch für alle weiteren Auskopplungen, zwei Schauspielgrößen (Grit Böttcher und der unvergessene Harald Juhnke) in der Sketchreihe „Ein verrücktes Paar“ zwischen 1977 und 1980 die amüsante Ehre. Freilich sehr zur Freude des Zuschauers, der vor lauter Lachtränen zuweilen dem Geschehen auf dem Bildschirm gar nicht mehr folgen konnte.
Die Geschichte des besonderen Paares, um das es sich heute hier dreht, beginnt h
ingegen schon 1957, als der erste Comic-Strip über die beiden Freunde Bernard und Huey in der
Village Voice erscheint. Schöpfer
Jules Feiffer, dessen Arbeit in den 1940er Jahren als Helfer für den legendären Will Eisner begann (
The Spirit), mausert sich in den Folgejahren zu einem der profiliertesten Comic-Zeichner seiner Zunft, dessen Erfolg sich nicht nur in einem Oscar-Gewinn (1961 für den Kurzfilm „Munro“), sondern auch in der Auszeichnung mit dem renommierten Pulitzer-Preis 1986 niederschlägt. Zahlreiche Theaterstücke und auch Drehbücher, unter anderem für die Regie-Altmeister Robert Altman und Alain Resnais, flankieren die erfolgreiche Laufbahn eines Mannes, der selbst jetzt, mit fast 89 Jahren, nicht müde wird, noch für Überraschungen zu sorgen.
Genau eine solche Überraschung liegt nun mit
„BERNARD AND HUEY“ von
Dan Mirvish vor. Denn Mirvish hegt eine gute Freundschaft zu Feiffers Tochter Halley, seit diese einmal auf Mirvishs Indie-Festival
Slamdance einen Film präsentierte. So entstand über kurz oder lang der Kontakt zu Jules Feiffer persönlich, und der Rest ist an Zufällen nicht zu überbieten: Zufällig kam die Frage nach verfilmbaren Drehbüchern auf, zufällig hatte Feiffer gerade keines zur Hand, weshalb Mirvish bei seiner Recherche schließlich zufällig auf ein altes Skript aus den 80er Jahren stieß, welches jedoch zufällig nicht die finale Fassung darstellte. Über einige Umwege (und die erneute Hilfe von Kollege Zufall) gelangte dann doch noch jemand irgendwie in den Besitz des besagten finalen Skripts, das eigentlich schon Mitte der 80er hätte verfilmt werden sollen, was aber damals am lieben Geld scheiterte. Zwar auch ohne angeborenen Goldlöffel im Mund, aber nun immerhin mit einem genialen Skript in der Hand, setzte Mirvish eine Kickstarter-Kampagne in Bewegung, um das besagte Drehbuch 30 Jahre nach seiner Entstehung endlich Filmwerden zu lassen.
So sollte schließlich die Comic-Adaption
„BERNARD AND HUEY“ entstehen; ein echtes, unabhängiges Indie-Werk, das trotz der beschränkten finanziellen Mittel immer noch frischer und origineller als so manche Multi-Millionen-Dollar-Produktion daherkommt. Dies liegt natürlich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil an Feiffers geschliffenen Dialogen, die aus den Charakteren so viel mehr als nur leere Worthülsen rauskitzeln. In dieser besonderen Paar-Beziehung, in der es um (zwischenmenschliche) Liebe, Freundschaft und das Verhältnis eines Vaters zu seiner Tochter geht, bedeutet ein Wort vielleicht nicht immer die (volle) Wahrheit, wird aus einer Amor-Mücke auch gerne einmal ein ausgewachsener Beziehungselefant, der sich munter im Porzellanladen des Lebens austobt, nur damit am Ende gemeinsam die Scherben zusammengekehrt werden können. Zuletzt obsiegen dann doch die alten, gespannten Bänder, denen selbst die gemeinste Intrige keinen merklichen Schaden zuzufügen weiß. So manche Dinge überdauern die Zeit wirklich erstaunlich gut.
Gleichsam geschliffen und scharf wie ein Säbel, dabei vor Humor triefend und in den richtigen Momenten leise-weise, entfalten Feiffers wohlfeile Worte in diesem an Irrungen und Wirrungen niemals armen Abenteuer zweier besonderer Individuen eine ganz eigene, kaum in Worte zu fassende (Kino-)Magie, der sich der geneigte Kinogänger nur schwerlich entziehen kann. Vorgetragen von Oscarpreisträger
Jim Rash und Comedy-Schwergewicht
David Koechner, die in diesem Ensemble an Idealbesetzungen unter anderem von einer bestens aufgelegten
Sasha Alexander unterstützt werden, entwickeln sich einfache Buchstaben zu einem emotional aufgeladenen Gefühlssturm der Worte, in dem der Wind der Wahrheit des öfteren von dem lauen Lüftchen der Lüge flankiert wird, was sich (sehr zur Freude des Zuschauers) naturgemäß in einem amüsanten Gewitter entlädt. Und in diesem lässt Feiffer dann Pointen regnen, die wirklich zünden. Tragik und Komik sind eins in dieser ohne Übertreibung Urgewalt des filmischen Humors, die jeder gesehen haben sollte, der auf intelligente Unterhaltung steht. Hätte der Autor dieser Zeilen drei Daumen, er würde sie, ohne zu zögern, gen Himmel strecken. Absoluter Geheimtipp!
Fazit: Leise, unaufgeregt und weise auf die amüsante Tour: Dan Mirvishs Adaption des gleichnamigen und Pulitzer-preisgekrönten Village Voice-Comic-Strips ist ein wahrer Glücksgriff, der alle Attribute eines waschechten Independent-Hits in sich vereint. Vorhang auf für den - zumindest nach Ansicht des Rezensenten - mit weitem Abstand besten Film des letzten Jahres!
Randnotiz: Der Film feierte am 15.09.2017 in Anwesenheit des Regisseurs seine Weltpremiere auf dem 24. Internationalen Filmfest Oldenburg.
Cover: © Eat Bug Films LLC © 2018 / Bilder: Courtesy of Bugeater Films / Poster für das São Paulo International Film Festival