„City of stars, are you shining just for me?“
„Whiplash“ war ein zermürbender Paukenschlag. Eine
Tour de Force, die Schächte in die Eingeweide des Zuschauers grub und gleichwohl aufzeigte, dass der inzwischen gerade einmal 32-jährige Regisseur, Damien Chazelle, in Zukunft zweifelsohne zu den heißesten Eisen der Branche zählen wird. Die Erwartungshaltungen an sein neues Werk, ein bereits im Vorfeld über den grünen Klee gelobtes Musical namens „La La Land“, waren dementsprechend hoch, stand der Name Chazelle nach dem kräftezehrende Drummer-Krieg aus dem Vorjahr keinesfalls für das reine Sehen, sondern durch und durch für das Erleben. Man wurde Teil des Duells, dem sich Miles Teller und J.K. Simmons ausgeliefert hatten, und man fühlte es am eigenen Leibe: Die Tränen, die die Wange herunterrannen, das Blut, welches in dicken Tropfen auf die
Snare Drum platschte, der Schweiß, der das T-Shirt vollständig durchtränkte.
In seinem neuen Film schlägt Damien Chazelle nun, im wahrsten Sinne des Wortes, andere Töne an, obgleich auch der 7-fach Golden-Globe-prämierte und 14-fach Oscar-nominierte „La La Land“ die Faszination für die Welt der Musik in Ehren hält. Und es wäre eine Lüge zu behaupten, Damien Chazelle wäre kein hochmusikalischer, vollauf versierter Filmemacher. Der bis zur Selbstauflösung zelebrierte Schlagzeugterror von „Whiplash“ allerdings ist nun der Leidenschaft zum Free Jazz gew
ichen – und weil „La La Land“ dem Glauben anheimfällt, dass Free Jazz ein Relikt der Vergangenheit ist, verliert sich der Film zusehends in Ausformungen des kulturpessimistischen Wehklagens. Dass der allgemeine Kanon „La La Land“ jedoch mit Superlativen belegt, offenbart folgerichtig weniger die eigentliche Qualität des Werkes an sich, sondern vielmehr die Bedürfnisse der Zuschauerschaft, die Damien Chazelle hier offenkundig adäquat zu befriedigen versteht.
Dabei trägt „La La Land“ das Herz durchaus am rechten Fleck, wenn man sich die Energie und das Feuer vor Augen führt, mit denen sich Damien Chazelle den in den Moment hineinfallenden Tanz- und Gesangschoreographien hingibt. In der ersten Szene tastet die formidable Kamera noch einen Stau ab, Automobil reiht sich an Automobil, bis die Frustration des Augenblicks in musikalische Kraft umgewandelt und der Alltag zur Bühne für jedermann wird. Es ist ein Augenblick mitreißender Schönheit, weil „La La Land“ hier aufzeigt, dass die engmaschige Durchstrukturierung unserer Existenz, durch welche Faktoren auch immer, aufgebrochen werden kann. Wir können unserem Gefängnis entfliehen, können das Leben genießen, wenn wir uns nur trauen, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Eine ähnlich erhabene Sequenz spielt sich später im Observatorium ab, welches Sebastian und Mia (Emma Stone, „
The Help“) nach einer Sichtung von „…denn sie wissen nicht, was sie tun“, besuchen.
Hier nämlich durchbricht das frisch verliebte Pärchen die Gesetze der Schwerkraft und erklärt das sternenübersäte Firmament zu ihrem persönlichen Tanzboden. Die Körper werden zu Symbolen, ihre Bewegungen artikulieren Hoffnung. Beziehungsweise: Sie könnten Hoffnung artikulieren. „La La Land“ jedoch ist kein Film der Hoffnung, sondern der Sehnsucht und Wehmut. Die beflügelnde Symphonie, die der Ordnung des Seins entspringt, ist letztlich ein Zugeständnis an den Konservatismus. Der von Ryan Gosling („
Drive“) gespielte Sebastian träumt von einem eigenen Jazz Club, während ihm das Leben nur Jobs am Bar-Piano ermöglicht: Er möchte sich aber nicht an die Playlist halten, sondern improvisieren. Von künstlerischer Entfaltung aber ist in der Gegenwart nicht zu träumen, so die Taktung von „La La Land“, denn der Erhalt von kultureller Identität scheint nur dann eine Möglichkeit, wenn man mit dem Kopf in den Wolken der Vergangenheit hängt.
„La La Land“ ist traumtänzerisches, nostalgisch-verklärtes Kino; ein sich dem Publikum inständig anbiederndes Hollywood-Märchen, welches sich vor allem selbst sehr gut darin gefällt, dem guten, alten Hollywood mit Vehemenz den kugelrunden Bauch zu pinseln. Damien Chazelle formuliert hier einen von Referenzen gespickten Traum, der sich niemals in Richtung Zukunft orientieren darf; der sich nicht einmal im Hier und Jetzt verwirklichen lässt, sondern permanent das Vergangene hofiert – und das passt freilich wunderbar in das beschränkte, retrospektive Bild, um der Hollywood’schen Selbstbeweihräucherung in die Karten zu spielen. Dabei finden sich inhaltlich durchaus ansprechende Aspekte, von Entscheidungen, die man treffen muss, von Kompromissen, die man eingehen muss, die „La La Land“ zu mehr hätten machen können, als nur zu der berechnenden (und berechneten) Vergangenheitsinszenierung. Am Ende bleibt eine brave, geltungssüchtige Unternehmung, zeitweise ganz niedlich, aber doch furchtbar steril und rückwärtsgewandt.
Cover & Szenenbilder: © 2016 Summit Entertainment