Es soll ja vorkommen, dass die heutige Jugend zuweilen nichts mit ihrer ach so spärlich gesäten Freizeit anzufangen weiß und – obwohl draußen die Sonne lockt oder Freunde nur ein Telefonat entfernt bereit wären, den Tag gemeinsam zu verbringen – stattdessen lieber zurückgezogen inmitten von Chips und koffeinhaltigen Getränken daddelnd vor der Flimmerkiste hockt. Manchmal ist es ja so schwer, sich aufzuraffen. Interessant ist hierbei das Phänomen, dass die Jugend gar nicht von einer höheren Instanz gezwungen wird, in den eigenen vier Wänden zu verweilen, sondern diese Entscheidung einzig und allein aus freien Stücken getroffen hat. Manche hätten hingegen bestimmt lieber eine Wahl.
Eine Person, die sicherlich gerne um die Häuser ziehen würde, anstatt unfreiwillig an die eigenen vier Wände gebunden zu sein, ist Kale Brecht (Senkrechtstarter Shia LaBeouf, „
Transformers“ [2007]). Nach dem Unfalltod seines Vaters, der einem zu Anfang des Films in aller Härte vor Augen geführt wird, vergräbt sich der fast 18jährige Junge immer mehr in sich selbst, will mit der Welt um ihn herum nicht wirklich was zu tun haben, was sich zunächst in der Vernachlässigung seiner schulischen Pflichten und anschließend im wahrsten Sinne des Wortes „niederschlägt“. Denn als sein Lehrer eines Tages die nicht überdachten Worte „Was würde Ihr Vater dazu sagen?“ spricht, platzt dem Teenag
er der Kragen, und er serviert seinem Lehrer ein Veilchen. Von einem Gericht zu drei Monaten Hausarrest verurteilt, bekommt Kale eine elektronische Fußfessel verpasst, die Alarm schlägt, sobald der Junge den eingegrenzten Bereich überschreitet, und das sofortige Eintreffen der Polizei zur Folge hat. Kales allein erziehende Mutter (Carrie-Anne Moss, „
Matrix“ [1999]) ist hiervon natürlich nicht sonderlich erfreut, doch was will man machen? Genau das fragt sich kurz darauf schon Kale, denn sein Internetzugang wurde gekündigt und Fernsehen scheidet aufgrund „einschneidender“ Erfahrungen des Fernsehkabels mit einer Schere auch aus.
So lebt der an das Haus gefesselte Junge gelangweilt in den Tag hinein, bis nebenan neue Nachbarn einziehen. Deren hübsche Tochter Ashley (Sarah Roemer) beziehungsweise eher deren kurvige Erscheinung und seine eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten veranlassen Kale dazu, sein Zimmer zur Beobachtungsstation umzubauen und fortan die Menschen in seiner Umgebung mit Fernglas zu beobachten. Schon bald erkennt er Muster in den Tätigkeiten seiner Mitmenschen, weiß unter anderem genau, wann seine Nachbarin von gegenüber zum Sport aufbricht. Doch am wichtigsten ist nach wie vor seine Nachbarin Ashley, auf die Kale sein Hauptaugenmerk richtet. Schnell entwickelt sich zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft, die sie bei gemeinsamen Beobachtungsabenden ausleben. Doch aus dem aus Langeweile resultierenden Spiel wird bald blutiger Ernst, und Kales Psyche scheint zunehmend labiler zu werden, ist er doch aufgrund der Observierungen bald schon der festen Überzeugung, in der Person seines Nachbarn Mr. Turner (eindringlich: David Morse) einen leibhaftigen Serienmörder zu sehen. Einbildung? Kale, dessen Freund Ronnie (Aaron Yoo) und Ashley stellen Nachforschungen an und geraten schon bald in höchste Gefahr.
Kommt irgendjemandem hier etwas bekannt vor? Wer meint, Parallelen zu Hitchcocks Meisterwerk „Das Fenster zum Hof“ [1954] in
D. J. Carusos Paranoia-Thriller zu erkennen, ist mit dem ersten Eindruck nicht allein. Ganz offensichtlich bedient sich
„DISTURBIA“ bei dem spannungsgeladenen Genre-Highlight, versucht jedoch zusätzlich, das ganze mit einer Teenie-Liebesgeschichte à la „The Girl next Door“ zu verbinden. Dass dieses Vorhaben notgedrungen über das Ziel hinausschießt, einen durchgehend spannenden Thriller zu erzählen, der den Zuschauer bis zum erlösenden Ende nicht mehr loslässt, wird leider schon in den ersten Minuten allzu deutlich. Die erste Hälfte des Thrillers erweist sich als schleppend unterhaltsame, seichte und seltsam lustige Kost, die es nicht vermag, Begeisterungsstürme auszulösen. Augenscheinlich auf ein junges Publikum gemünzt, fühlt man sich bis zum ersten Auftreten des vermeintlichen Serienmörders in einer lahmen Teenie-Klamotte, die ihren nicht vorhandenen Witz aus den unzähligen Versuchen Ronnies und Kales zieht, beim Spannen unbemerkt zu bleiben. Spätestens beim zweiten „mit-dem-Fernglas-gegen-die-Fensterscheibe-donnern“ fasst man sich als Zuschauer zwangsläufig an den Kopf und ist nur allzu erleichtert, dass endlich (!) nach quälend langen Minuten und einer gefühlten Ewigkeit das Beobachten entdeckt wird, so dass die Geschichte sich allmählich entwickeln kann.
Denn ab dem aufkeimenden Verdacht, der noch bewiesen werden muss, zeigt der Film sein wahres Gesicht und nimmt fast gänzlich Abstand von schalen Witzchen und kleine-Jungen-Phantasien. Schlag auf Schlag wird eine zunehmend düstere Atmosphäre aufgebaut, die in eindrucksvollen Bildern und aufgrund der situierten Begrenzung im Zusammenspiel mit der gelungenen Musikuntermalung den ein oder anderen gelungenen Moment generiert. Nur zerfällt die Spannung darauf schon sehr schnell in einem nur allzu Hollywood-typischen, hektisch geschnittenen Showdown, der zeigt, dass das Drehbuch trotz interessanter Grundidee rund um Paranoia und Serienmörder-Thematik im Endeffekt relativ unspektakulär ohne größere Überraschungen, geschweige denn Story-Twists daherkommt. Einzig und allein dem eindringlichen respektive sympathischen Spiel von
David Morse und
Shia LaBeouf ist es zu verdanken, dass Carusos Thriller nicht vollends untergeht. Denn während
Carrie-Anne Moss’ Rolle der Mutter definitiv nicht fordernd für die Schauspielerin ist und
Sarah Roemer außer gut aussehen nicht viel mehr zu tun hat, sind es diese beiden Akteure, die mit das beste aus ihrer geschriebenen Rolle herausholen. Man darf gespannt sein, wie sich LaBeouf als Sidekick in „
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ [2008] auswirkt.
Lässt man die offensichtlichen Parallelen zu „Das Fenster im Hof“ mal außen vor, kann
„DISTURBIA“ bei allen Längen auch in einigen Szenen deutlich punkten, weshalb es unfair wäre, ihn gleich von vornherein als lediglich bloßen Abklatsch eines Klassikers der Filmgeschichte zu bezeichnen. Wenn schon, dann haben wir es hier mit der Version für die Videoclip-Generation zu tun. Diese wird wahrscheinlich auch am meisten Spaß haben an diesem kruden, aber nicht schlechten Mix aus Teenie-, Liebes- und Thriller-Movie, der – ohne zu überraschen – zumindest für etwas Kurzweil sorgt. Alle anderen sollten sich am besten selbst ein Bild vom Film machen. Oder sich vielleicht lieber von der Sonne nach draußen locken lassen. Schön, wenn man noch die Wahl hat.