Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass vom freilaufenden Franchise-Irrsinn á la „Harry Potter“ oder „Twilight“ nicht nur die produzierenden Major-Labels profitieren. Wo J. K. Rowling und Stephenie Meyer die Zielgruppengrenzen für bestimmte Bereiche des Fantasy-Kinos auflösten bzw. verlagerten, setzten sie auch weitreichende Trends, an denen sich vom Amateur bis zum Auteur ein jeder einmal gelabt haben möchte. So gesehen hat es ein Craig Gillespie mit seiner zugegeben ziemlich smarten Neuauflage des derben Blutsauger-Lustspiels „Fright Night“ (1985, deutscher Untertitel damals: „Die rabenschwarze Nacht“) eigentlich recht leicht. Zum Einen funktionierte die „Nicht ganz so netter Vampir von nebenan mischt die friedlichen Suburb-Siedlungen auf“-Nummer dereinst schon ganz manierlich, zudem sind die Nachtwesen mit den spitzen Eckzähnen momentan wieder der letzte Schrei auf der großen Leinwand – und es muss ja nicht immer der hingebungsvoll schmachtende Katalog-Schönling sein, der trotz seines Untoten-Daseins mit adoleszenten Konflikten und Sittenstrenge zu kämpfen hat.
„Fright Night“ anno 2011 mutet zunächst als beschauliches College-Movie an: Der Durchschnitts-Teenie Charley Brewster (Anton Yelchin) lebt alleine mit seiner Mutter (Toni Collette) in einem Vorort von Las Vegas und wird seit kurzem vom Elitekreis der Schule als ihr Mitläufer akzeptiert. Da zieht ein neuer Mieter namens Jerry Dandridge (Colin Farrell) in die Nachba
rschaft, der Charleys Mutter sogleich zu bezirzen versucht. Charleys ehemals bester Kumpel Ed (Christopher Mintz-Plasse) glaubt, in dem leicht entrückten Charmebolzen einen Vampir zu erkennen – und verweist darauf, dass seit einigen Tagen immer mehr Schüler aus unerklärlichen Gründen dem Unterricht fern bleiben. Charley hält Ed natürlich spontan für einen Vollidioten, und bildet sich gar nicht erst ein, misstrauisch zu werden, als Jerry sich mit ominöser Genüsslichkeit an einem Apfel die Beißerchen wetzt. Doch als am nächsten Tag Eds Stuhl in der Klasse leer ist, verdichtet sich auch bei Charley der Verdacht, dass der galante Nachbar vielleicht doch ein gefährlicher Blutsauger sein könnte…
In Kooperation mit „Buffy“-Autorin Marti Noxon brachte Craig Gillespie mit „Fright Night“ ein Remake zustande, das den Stoff in Sachen Technik und erzählerischen Nuancen pflichtbewusst der Neuzeit anpasst, dabei aber nah am granteligen Tonfall des Originals bleibt. Das markige Eighties-Flair und der grobschlächtige Geisterbahn-Humor weichen postmoderner Ironie, die ihre Früchte vor allem im obligatorischen reflexiven Moment (Silberkugeln? Werwölfe!) trägt, viel treffsicherer aber im Umgang mit Vampirmythen ist: Obgleich zuvor von einem Verkehrsschild durchbohrt, legt Jerry Dandridge beim Stemmen des Autos der Brewsters auf der Landstraße Bärenkräfte an den Tag. Der Aristokraten-Feinschliff eines Graf Dracula geht Jerry ab, er ist eher der von animalischen Instinkten getriebene Bad Boy, welchen Colin Farrell – der sich im Horrorgenre sichtlich wohlzufühlen scheint – als einen der charismatischsten Blutsauger der jüngeren Kinohistorie auf die Leinwand bringt. Er lullt seine Opfer regelrecht ein, nur um sie im nächsten Moment auszusaugen und in toilettenähnlichen Zellen zu halten. Zugleich spielt dieser Jerry auch mit seiner eigenen Verwundbarkeit, wenn er das brennende Kruzifix, welches Charley ihm in ängstlicher Erwartung entgegenstreckt, aus nächster Nähe ausbläst, oder um die in den Raum einfallenden Sonnenlichtsäulen herumtänzelt. Während Christopher Mintz-Plasse die Patentrolle des nerdigen Sidekicks auch noch nach der Mutation zu Evil Ed gewissenhaft runterkurbelt, leidet Anton Yelchin ein wenig unter dem Umstand, dass der aufgedrückte Außenseiter-Stempel sich nicht so recht mit seiner modebewussten, angesagten Figur des Charley, der es geschafft hat, das hübsche It-Girl Amy (Imogen Poots) abzuschleppen, vereinbaren lässt.
Eine dilettantische, an Criss Angel erinnernde Van Helsing-Version gibt David Tennant als Monsterexperte Peter Vincent. Damals, im Original, ein abgehalfterter alter Vampirjäger, dessen Job dadurch bedroht wurde, dass man plötzlich mehr Angst vor den namenlosen Slashern, die über das Kino hereinbrachen, als vor den bissigen Kreaturen hatte, ist Peter nun ein snobistischer Großkotz in zirkusreifer Lack- und Leder-Kluft, der in der sich gut als Kulisse eignenden Glitzermetropole Vegas dem dolce vita frönt (mitsamt weiblichen transsilvanischen Bediensteten) und sich über seine eigene Show lustig macht, heimlich aber doch an schwarze Magie glaubt. Als die großkalibrige Schusswaffe im finalen Akt versagt, kommt ihm dann lediglich ein gemurmeltes „Scheiß-Ebay“ über die Lippen.
Vampire können nur Häuser betreten, in die man ihnen Einlass gewährt. Mit dieser Genreregel treibt auch „Fright Night“ seinen Schabernack. Dass sich der Film offen von „Twilight“ und Konsorten distanziert – die Unterstellung, man würde Stephenie Meyers Vampir-Schmonzetten lesen, wird hier als Beleidigung aufgefasst - ist natürlich nicht mehr als eine kecke Bestätigung des eh` schon von Gillespie angepeilten Hardboiled-Wegs. Mit Kunstblut gegeizt wird hier ganz bestimmt nicht. Dank 3D fliegen einem die Blutfontänen, Asche oder auch Holzpflöcke stetig um die Ohren. Für den nötigen Partycharakter ist also gesorgt. Die Schnute der entstellten Amy sieht im Showdown aufgrund schmissiger Special Effects noch schauriger aus, allerdings wäre etwas mehr Handarbeit hier und da auch nicht gerade verkehrt gewesen.
Was bleibt, ist ein gediegenes Gruselvergnügen mit einem glänzend aufgelegten Colin Farrell, das sich über dem Gros der Horror-Remakes der letzten Jahre positioniert. Hier wird auch der Vampir-Purist mit dem Lösen eines Kinotickets nicht viel falsch machen können.