Die Einwohner der beschaulichen Stadt Whoville freuen sich auf das anstehende Weihnachtsfest. Straßen und Häuser sind geschmückt, die Geschenke liegen bereit, die Stimmung ist besinnlich. Nur der abseits der Stadt lebende Mr. Grinch sieht den kommenden Feierlichkeiten mit sauertöpfischer Miene entgegen, hasst er doch alles, was auch nur im entferntesten mit Weihnachten in Verbindung steht. Die Freude der Whos will der Grinch nicht mehr ertragen und so schmiedet er einen perfiden Plan: In der Nacht vor der Bescherung verkleidet er sich als Weihnachtsmann und dringt in die Häuser der schlafenden Bürger ein um sie um ihre Geschenke zu erleichtern.
Im englischsprachigen Raum gilt Theodor Seuss Geisel alias 'Dr. Seuss' als einer der bekanntesten Kinderbuchautoren überhaupt, viele seiner Werke sind seit Jahrzehnten fest in der amerikanischen Popkultur verankert. Seine vielleicht bekannteste Geschichte ist das einfallsreiche Weihnachtsmärchen „How the Grinch stole Christmas“, das 1957 erschien und in den folgenden Jahren zum großen Erfolg avancierte. Zeichentricklegende Chuck Jones, seines Zeichens verantwortlich für die Sternstunden von Bugs Bunny und Daffy Duck, nahm sich 1966 in enger Zusammenarbeit mit Dr. Seuss des Stoffes für eine inzwischen legendäre Verfilmung an. Der Film entstand als TV-Special mit einer Länge von nicht ganz 25 Minuten und weist nicht den Detailreichtum früherer Warner-Cartoons aus der Feder von Chuck Jones auf. Glücklic
herweise funktioniert die visuelle Gestaltung trotz begrenzter Mittel, da die sehr abstrakten Zeichnungen nicht einen Moment auf Perfektion abzielen.
Wenngleich der Film unter der Regie von Chuck Jones entstanden ist, so lässt er sich doch überwiegend seinem geistigen Vater Dr. Seuss zuschreiben. Dieser hatte schon die Buchvorlage mit seinen stilistisch unverkennbaren Zeichnungen versehen und der Adaption damit das Charakterdesign vorweg genommen. Es lässt sich vermuten, das Chuck Jones lediglich für den reibungslosen Ablauf gesorgt hat, wofür beispielsweise die erstklassig montierten Musikeinlagen sprechen. Der cartoonesk überzogene Zeichenstil nutzt sich über die ungewöhnlich lange Laufzeit (für einen animierten Kurzfilm) merklich ab und ermüdet schnell. Schuld daran trägt aber auch die wenig gehaltvolle Story, die sich grundsätzlich kaum von üblicher Stangenware unterscheidet, was auch für die unvermeidliche Pointe gilt. Unbestritten hebt sich der Grinch von seiner Konkurrenz ab durch seine garstige Erscheinung.
Insgesamt lässt sich der Kultstatus des Films kaum nachvollziehen, sowohl Chuck Jones als auch Dr. Seuss haben entschieden bessere Arbeiten abgeliefert. Als netter Snack für das weihnachtliche Programm sicher geeignet und auch heute noch charmant anzusehen, für einen wirklichen Klassiker fehlt aber ein gewaltiges Stück.
Für das Voice Acting gelang übrigens ein wahrer Besetzungscoup: Niemand geringeres als Boris Karloff („Frankenstein“) spricht den stets präsenten Erzähler und gleichzeitig den Grinch selbst. Seht gelungen sind in diesem Zuge vor allem verschiedene Reime, bei denen sich Erzähler und Grinch abwechseln und einander die Übergänge zuspielen. Die grandiose stimmliche Performance des Hollywood-Stars alleine ist es schon wert, „Die gestohlenen Weihnachtsgeschenke“ zu sichten. Und sei es mal eben zwischendurch.
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Weihnachtsskala~ (1 = niedrig / 10 = hoch)
Besinnlichkeits-Faktor: Vorhanden, wenn auch nur gegen Ende. Und wenn man die schrägen Zeichnungen überhaupt besinnlich finden kann. 6
Schnee-Anteil: Schnee gibt es tonnenweise und der Grinch wohnt auch noch auf einem eisigen Berg. Auch in der Stadt herrscht Weiße Weihnacht. 9
Nostalgie-Faktor: Für Deutsche wohl kaum vorhanden. Ich erinnere mich aber an einen Ausschnitt, der in Kevin Allein zu Haus (oder in der Fortsetzung?) zu sehen war. Von daher gibt es noch 4 Punkte.
Cartoon-Skala: Zählt nicht zu den Höhepunkten von Chuck Jones, erfüllt als fluffiges Fernsehspecial für alle Generationen aber durchaus seinen Zweck. 6