Wer von einem Horrorfilm immer noch ein gar absonderliches Maß an Innovation einfordert, der wird grundsätzlich an seinen selbstauferlegten Ansprüchen scheitern. Natürlich ist „Preservation“ in seinen inhaltlichen Anlagen nicht originär, aber muss er das überhaupt sein? Eigentlich nicht, wenn denn auf dem Regiestuhl verstanden wurde, dass ein altbekanntes Schema nicht nur dazu taugt, um wieder und wieder aufgewärmt zu werden, sondern die dramaturgischen Eckpfeiler durchaus auch Raum zur (ironisierten) Variation bereitstellen. War „
It Follows“ ein Novum im Horror-Genre? Nein. Hat David Robert Mitchell dennoch eine Perle der jüngeren Genre-Geschichte abgeliefert? Nicht nur das: „It Follows“ hat sein Genre auch besiegt, weil er sich auf der Meta-Ebene über all seine Referenzen hinweggesetzt hat und sie folgerichtig mit einem Augenzwinkern bloßzustellen wusste – oder eben mit mehrwertigen Gedanken codierte. Was aber ist, wenn Modifikation und Selbstreferenzialität nicht gegeben sind? Kann ein Horror-Film dieser Tage dennoch funktionieren? Durchaus, Christopher Denhams „Preservation“ beweist das in solider Fasson.
Wahrscheinlich hat „Preservation“ schon allein dadurch einen Vorteil, dass er sich von Anfang an nicht als „Rettung des Horrorfilms“ geriert und sein Sujet so schon einmal ganz grundlegend auf einem bodenständigen Fundament errichten. Oftmals wird „Pres
ervation“ als ein inoffizieller Nachfolger von James Watkins „
Eden Lake“ tituliert, im Gegensatz zum ultrabrutalen Hit aus Großbritannien ist „Preservation“ aber kaum in der Lage, den Terror körperlich erfahrbar zu machen. Was der Inszenierung von Christopher Denham abgeht, ist das Gefühl für eine archaische Robustheit, die in ihrer Vehemenz erschüttert und das Martyrium der Protagonisten zum persönlichen Kraftakt des Zuschauers gereicht. „Preservation“ hingegen bleibt zu glatt, sucht viel lieber den poetischen Lichtbruch, der sich inmitten vom Zopfholz wiederfindet, um das Szenario zu Beginn mit verträumter Hintergrundmusik zu unterstreichen: So ein Ausflug in den Wald, das hat schon etwas ungemein Romantisches. Denham aber lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass zwischen Sean (Pablo Schreiber), seinem Bruder Mike (Aaron Staton) und dessen Freundin Wit (Wrenn Schmidt) Spannungen schlummern, die aufgekocht werden wollen.
Die Brüder haben sich mal wieder zusammengerauft, um in das heimelige Naturparkgebiet zu fahren, in dem sie einen Großteil ihrer Kindheit verbracht haben: Schwelgen in Sentimentalitäten ist also angesagt. Interessant ist es da vielleicht noch zu erwähnen, wie wir an die Protagonisten herangeführt werden. Zuerst nämlich blicken wir nur auf die Rückseite des Autos von Sean, heften uns an die Heckstange, streng auf Distanz gehalten, konsequent in einer beobachtenden Position verbleibend, als würden wir uns gerade in der Rolle eines die Gruppe verfolgenden Übels befinden. „Preservation“ macht keinen Hehl daraus, obligatorische Klischees und konventionalisierte Genre-Schauplätze abzugrasen: Ist unser Trio erst einmal am Naturpark angekommen, wird ihnen der Zugang noch von einer Kette versperrt. Eine Warnung, die in gepflegter Überheblichkeit freilich missachtet werden muss, damit sich die Bedrohung unsichtbar im Bild freischlagen kann. Jagen will man hier, Sean mit dem alten Gewehr seines Vaters, Mike mit einer hochtechnisierten Sniper-Waffe, während sich Mit dem Rückfall in barbarische Verhaltensmuster eher abgeneigt zeigt.
„Preservation“ nimmt sich die Zeit, um seine Charaktere zu etablieren, was selbstredend nicht bedeutet, dass wir uns als Zuschauer in irgendeiner Weise mit ihnen identifizieren können. Ob Sean, der verwegene Veteran, Mike, der eifersüchtige Techniknarr oder Mit, die schwangere Mediziner – sie alle wurden am Reißbrett entworfen und nur dafür verantwortlich, den Weg allen Fleisches zu gehen oder, ganz in genreinhärenter Final-Girl-Tradition, den maskierten Schurken das Handwerk zu legen. Eines morgens nämlich müssen die Drei feststellen, dass nicht nur ihre gesamte Ausrüstung und Verpflegung entwendet wurde, auf ihre Stirn hat man auch ein schwarzes Kreuz hinterlassen, was durchaus Anlass zur Furcht gibt und die These, die Sean in einem Gespräch mit Mit noch aufbereitet, bestätigt: Der Mensch ist das einzige Tier, welches rein zum Vergnügen jagt. Und so geht die Luzi ab, der besonnene Instrumentalsoundtrack wird derber, die Frau, die lieber über die Natur liest als sie zu erleben, ist genau dieser Wildnis ausliefert und muss selbst zum Jäger werden.
Wie gesagt, „Preservation“ fühlt sich nicht dazu berufen, irgendetwas Neues zu erzählen, stattdessen nimmt er die psychischen Marter von Mit in den Fokus, die er zwar nicht unheimlich zermürbend in Szene gießt, aber eine Idee davon gibt, wie schwer es für die junge Dame sein muss, gegen einen Feind zu kämpfen, der eigentlich nicht in der Lage sein sollte, eine derartige Todeslust auszuleben. Der Selbsterhaltungstrieb reißt alles an sich, schlägt den Bären, der zur Verteidigung und den Löwen, der des Hungers wegen tötet. Dass man es sich hat nicht verkneifen können, Genre-Standards, wie den Ausfall jedes Empfangs zur Außenwelt oder den am Boden liegenden Tätern (denen noch schnell eine platte Motivation angedichtet wird) rücksichtslos den Rücken zuzukehren, einzubauen, ist durchaus störend. Diese Klischees nehmen nämlich aufgrund ihrer heftigen Obsoletheit immer mal etwas Dampf aus dem Narrativ, einfach weil derartige Vorfälle zu vorhersehbar sind, um wirklich eine Form von nervenzerreißender Spannung generieren zu können. Dennoch, „Preservation“ ist kompetent inszeniertes Survival-Kino für den hohlen Zahn.
„Preservation“ erscheint am 24. Juli im Handel.
Cover & Szenenbilder: © Present Pictures.