(D, 2011)
„Die Geschichte ist es die zählt, und nicht der Erzähler.“
(Stephen King, 'Atemtechnik')
Christian Genzel ist auf unserer Filmseite wohlbekannt. In seinen Texten delektiert sich der Wahlsalzburger oft und gerne an den obskuren Objekten des modernen Unterhaltungsfilms.
Pepe der Paukerschreck,
Graf Porno bläst zum Zapfenstreich,
SS Camp 5 – Women's Hell,
Surf Nazis Must Die oder
Slaughterhouse of the Rising Sun. Und alle Schulmädchenreporte dieser Welt. Es ist ein wahres Fest.
Sein eigener Film
Die Muse ist natürlich kein solcher Trash, das wäre mit den meisten Filmförderungen, an denen man als junger Filmemacher nun mal hängt, auch kaum zu machen. Aber dunkel und abgründig ist es durchaus, was er da gemacht hat.
Genzel suchte sich einen Plot aus, der fast zeitlos zu nennen wäre. Mann entführt Frau und sperrt sie in eine Zelle, verpasst ihr eine neue Frisur, setzt sie unter Drogen, Frau bricht aus und bricht ihm das Handgelenk. Das, was man im Österreich halt so eine ‚lockere Beziehung‘ nennt.
In diesem Fall ist es der vereinsamte Schriftsteller Peter Fischer (Thomas Limpinsel), der auf der verzweifelten Suche nach seinem Meisterwerk ist. Schulden machen ihm das Leben schwer, der brutale Eintreiber Dylan (Jean-Luc Julien) steht öfters auf der Matt und will Bares sehen. Fischer entfüh
rt die junge Studentin Katja (Henriette Müller), sperrt sie in eine eigens angefertigte Zelle in seinem Keller. Er will von ihr Inspiration für sein neues Buch, sie möchte natürlich wieder raus. Während Katja versucht, Fischers Schwächen zu finden und zur Flucht zu nutzen, will Fischer die junge Frau für seine Sache gewinnen.
Die erste bemerkenswerteste Leistung von Genzel ist, eine Geschichte zu inszenieren, die mit drei Schauspielern auskommt, doch einem ein abgenudeltes Beschreibungsvokabular wie ‚kammerspielartig‘ keine Sekunde in den Sinn kommt. Dazu ist die Handlung zu dynamisch und die Dialoge sind weder zu üppig noch zu karg. Die zweite bemerkenswerte Leistung besteht darin, mit Limpinsel und Müller zwei Schauspieler zu führen, die mit Mimik und Gestik, ihrer gesamten Präsenz, viele Worte überflüssig machen.
Das Duell, das Genzel beschreibt, ist natürlich eine Konfrontation der Gegensätze. Und die besteht nicht nur darin, dass hier ein Mensch dem anderen die Freiheit nimmt und deshalb nicht gerade die freundlichste Atmosphäre herrscht. Peter Fischer ist ein Autor wie Thomas Bernhard ihn gern gehabt hätte. Ein Geistesmensch, dem die Kunst alles und der Erfolg allenfalls notwendig ist. Während er schreibt und grübelt, hält sich Katja mit Sit-ups fit. Auf der einen Seite der Schriftseller mit schütterem Haar, der seinen Keller in ein Museum der Erinnerung verwandelt, mit altem Mobiliar und klappernder Schreibmaschine. Im Hintergrund liegt Miles Davis-hafter Jazz (Axel Tenner) auf dem Plattenteller und begleitet jede Gemütsveränderung. Auf der anderen Seite die junge hübsche Studienabbrecherin, die mit Literatur wenig anfangen kann und Fischer fast mehr als Versuchsobjekt dient denn als Muse. Doch Gefangene sind beide auf verschiedene Art und Weise. Und auch wenn für von Katjas Figur deutlich weniger wissen können, ahnt man dass beide in einer einsamen Welt leben, die zunehmend in sich zusammenzustürzen droht.
Der Stoff, den sich Genzel aussuchte, ist fraglos interessant, wenngleich etwas zu gewöhnlich. Ein Mann, der eine Frau in seine Gewalt bringt und sie zu irgendetwas zwingen will, das ist nicht ganz so neu. Deshalb nimmt der Film vor allem in der zweiten Hälfte Fahrt auf, wenn sich Fischer seiner Sache immer unsichrer wird und man bei Katja Zweifel bekommt, ob sie vielleicht doch beginnt Verständnis für ihren Entführer zu bekommen oder doch an Flucht denkt. Das Finale ist auch nicht gerade etwas für das Vorabendprogramm im ZDF. Katja bekommt ihre Rache, aber damit das Ende noch nicht zu Ende.
Christian Genzel macht keinen anstrengenden Kunstmist und keine Bittgesuche um das Prädikat „besonders wertvoll“. Er weiß was kracht und gut ist Er orientiert sich an den Filmemachern, die wussten dass es keinen guten Film geben kann ohne eine gute Geschichte. Das beweist er in
Die Muse zu Genüge und wird das hoffentlich auch weiterhin tun. Im Augenblick arbeitet er an einer Komödie über Retro-Gamer. Thomas Limpinsel wird wieder dabei sein. Ich bin darauf wirklich sehr gespannt.