Es war einmal ein grünes Sumpfmonster, dessen rüpelhafte Manieren zwar am Hofe des eitlen Prinzen nicht sonderlich gut ankamen, dafür aber beim Animations-affinen Kinopublikum, welches die ersten beiden Teile jener CGI-Reifeprüfung namens „Shrek“ als originelle Märchen-Verlade zu goutieren wusste. Sinkende Besucherzahlen und durchwachsene Kritikerstimmen für die Nachfolger „Shrek der Dritte“ und „Für immer Shrek“ zwangen den rülpsenden und furzenden Oger dann doch in den vorläufigen Ruhestand. Als neues Zugpferd haben die DreamWorks Animation Studios nun eine andere Figur aus dem „Shrek“-Universum ausgemacht: den „Gestiefelten Kater“. Das temperamentvolle Fellknäuel mit den rollenden Kulleraugen verzückte schon in den „Shrek“-Teilen zwei bis vier und darf jetzt, im neuen Film von „Shrek der Dritte“-Regisseur Chris Miller, auf eigenen Stiefeln stehen. Anlass zum zufriedenen Schnurren gibt das handzahm geratene Animations-Spin-Off aber nur bedingt.
Stets das Gesetz im Nacken spürend, ist der mit Degen und Hut ausgestattete „Gestiefelte Kater“ (Stimme: Antonio Banderas; deutsche Stimme: Benno Fürmann) auf der Suche nach den grünen Zauberbohnen, welche – an der richtigen Stelle ausgesät – über eine Ranke in ein Wolkenreich weisen sollen. Dort hat es der Langfinger auf die Eier der goldenen Gans abgesehen. Einen entscheidenden Tipp erhält er in einem Wirtshaus: Der Besitz der Bohnen führe nur über ein Gaunerpär
chen mit Namen Jack und Jill! Bald allerdings sieht sich der „flauschige Don Juan“ weitaus härterer Konkurrenz ausgesetzt: die Katzendame Kitty Samtpfote zieht des Katers Blicke auf sich, verfolgt jedoch das gleiche Ziel, welches der Kater wohl schon in seinen ganzen sieben Katzenleben verfolgt haben muss. Und auch das Ei Humpty Dumpty (Dt. Stimme: Elton), mit dem der Kater noch eine offene Rechnung hat, mischt sich in das Abenteuer ein…
„Der gestiefelte Kater“ ist genau genommen ein Prequel zu „Shrek 2“ und war ursprünglich als Direct-to-DVD-Produktion gedacht, bevor man sich dann doch für eine Kinoauswertung entschied. Mit dem volkstümlichen Märchen der Gebrüder Grimm, in dem der Kater dem Müllerssohn zu Glück und Reichtum verhilft, als der ihn mit den titelgebenden Stiefeln beschenkt hat, hat Millers Film so gut wie nichts zu tun. Stattdessen liefert der Regisseur ein Potpourri aus Kinderfilm-Komödie, animierter Outlaw-Version und überspitzter Mantel-und-Degen-Ästhetik á la „Zorro“ ab, dessen Fahnenträger ein flirtendes, steppendes und zu (ebenfalls von Katzen gezupften!) Gitarrenmusik um Gerechtigkeit kämpfendes Kuscheltier mit Casanova-Anwandlungen ist. Antonio Banderas leiht ihm im Original die Stimme, Benno Fürmann spricht die deutsche Version des Katers, der im Eifer des Gefechts miauzt wie ein hilfloses Kätzchen, nur um im nächsten Moment mit verwegen-dunklem Timbre und einem spanischen Akzent um Respekt zu werben. Hola! Auf den „Gesucht wird…“-Plakaten ist der „gnadenlose“ Staatsfeind mit um Gnade winselndem Schmelzblick abgebildet. Die Pointe, wie der Kater zu diesem Blick kam, bei dem sogar die martialischst Gesinnten die Segel streichen, verpufft leider ansatzlos. Dafür wird auf zündend-schlüssige Weise mal mit tierischen Gerüchten aufgeräumt („Stimmt es, dass Katzen immer auf ihren Pfoten landen?“ – „Nein, dieses Gerücht verbreiten nur die Hunde!“)
Es gibt durchaus Augenblicke, in denen „Der gestiefelte Kater“ an den anarchischen Witz der „Shrek“-Filme erinnert. Etwa als der Kater an der Schwelle zum Wirtshaus seinen langen Schatten vorauswirft wie in einen Saloon im Wilden Westen und sich dann an der Theke hoch hangelt, um Informationen über die Zauberbohnen zu verlangen. Dieser Kater stürzt sich beherzt in jede noch so heikle Angelegenheit – solange der Vollmilchvorrat reicht! Leider verliert sich der Film irgendwann in einer selbstzweckhaften 3D-Actionsause, in deren Verlauf es Miller nie gelingt, eine inspirierte Geschichte oder Erzählform zu etablieren und sich in den Animationen vom Genre-Einheitsbrei abzukoppeln. Die Vorgeschichte im Waisenhaus, als sich der Kater mit dem tapsigen Ei Humpty Dumpty anfreundet und diese den sogenannten „Bohnenclub“ gründen, wirkt aufgesetzt und schafft eine unzureichende Grundlage für einen Film, der lieber die moralisch-versöhnliche Marschroute qualitätsarmer Disney-Werke einschlägt als satirische Seitenhiebe auf Märchenklassiker auszuteilen, wie es „Shrek“ so genial beherrschte. Der Gesetzlose wird zunächst zum Held, geht dann den Weg des Ausgestoßenen, nur um hinterher wieder zum Symbol ritterlicher Tapferkeit zu avancieren. Dem vergeblich um die Zuschauergunst buhlenden Ei wiederum nimmt man weder den Beschaffungskriminellen noch den Verräter ab, auch der Buddy-Funke in Verbindung mit dem Kater-Pendant will einfach nicht überspringen. Des Katers Turtelei mit der reizenden Mieze Kitty Samtpfote hat einen neckischen Charme, aber nur solange Miller das Ganze mit Situationskomik kreuzt. Zum Schluss fragt man sich dann mit einem kapitulierenden Schmunzeln, warum eine durch die Gegend stolzierende XXL-Gans in einem CGI-Märchenfilm für eine unausgegorene „King Kong“-Reminiszenz herhalten muss.
Das alles hört sich vielleicht schlimmer an, als es im Endeffekt ist. „Der gestiefelte Kater“ ist ein gefälliges, aber eben allzu verzagtes Animationsabenteuer auf den Spuren von „Shrek“, dem aber die „political incorrectness“ und der hintersinnige Witz des Vorbilds größtenteils abgeht. Was bleibt, ist eine temporeiche Inszenierung und ein unbezahlbar charmanter Titelheld. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann stiefeln sie noch heute durch Mexiko…