Die Fortsetzung von „Harry Potter“, die aus dem Englischen mit dem reißerischen Titel „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ (anstatt The Chamber of Secrets, Deutsch: „Die Kammer der Geheimnisse“) übersetzt wurde, steigt schnell und unmittelbar ins Geschehen ein. Wer „Harry Potter und der Stein der Weisen“ nicht gesehen hat, der wird sich ob der vielen handelnden Akteure kaum auskennen, zumal die Handlung des zweiten Teils wesentlich komplexer und anspruchsvoller ist.
Zwar ist „Die Kammer des Schreckens“ nicht mehr so kindlich-naiv wie sein Vorgänger inszeniert, trotzdem ist der Plot noch immer sehr märchenhaft und eher auf ein jüngeres Publikum (wenn auch nicht zu jung) zugeschnitten.
Das zeigt sich auch in der plakativen Charakterisierung der Personen, die entweder vollkommen gut oder böse und gehässig dargestellt werden (besonders Harry’s Muggle Verwandte Tante Petunia Dursley [Fiona Shaw] und Onkel Vernon Dursley [Richard Griffiths]), was man den betreffenden Personen auch äußerlich ansieht. Lediglich der sinistere Hausmeister Argus Filch (David Bradley) und der boshafte, aber doch meist faire Professor Snape bilden hier eine Ausnahme und sind schwer einzuordnen. Tom Riddle (Christian Coulson) ist natürlich zunächst auch bewusst sympathisch dargestellt, schließlich soll es ja bei der Enthüllung seiner Identität einen Überraschungseffekt geben.
Natürlich gibt es auch hier wieder Ungereimtheiten
(warum versucht z.B. Harry während des Quiddich Turniers, obwohl er von der Kugel lebensgefährdend bedroht wird, dennoch um jeden Preis das Spiel zu gewinnen?), auf denen ich mich hier aber nicht aufhängen möchte. Schließlich gibt es diese in allen Märchen und phantastischen Erzählungen. Kriterien der Logik auf einen Film wie „Harry Potter“ anzuwenden, in dem Besen fliegen können und kleine Kinder mächtige Zauberer besiegen, ist schließlich ohnehin ein Widerspruch in sich.
Es ist eine Freude zu sehen wie sich Charaktere und Handlung in der Fortsetzung weiterentwickeln. Vor allem liegt der Akzent nun stärker auf den Dialogen, während der Film selten so richtig in Fahrt kommt, und somit langsamer erzählt wird als sein Vorgänger.
Überraschend sind auch die unheimlichen und sehr gruseligen Elemente, welche „Die Kammer des Schreckens“ wesentlich düsterer werden lassen als dies der erste Teil war (obwohl ja auch hier das Finale mit Voldemort schon sehr brutal und unheimlich war). Gerade die Szene mit dem Basilisken hat schon richtigen Horrorfilmcharakter und überrascht, wenn die Riesenschlange aus dem Wasser schnellt, mit einem richtig gelungenen Schockeffeckt. Aber auch die die Szenen im verbotenen Wald sind sehr überzeugend („Königreich der Spinnen“, „Tarantula“ & Co lassen freundlich grüßen!), sodass sich auch so mancher Erwachsene ekeln und gruseln wird. Für die ganz Kleinen ist der Film ohnedies vollkommen ungeeignet, es sei denn man erzielt seine Kinder lange wach zu halten!
Die gelungenen Spezialeffekt von ILM werden dabei gekonnt eingesetzt und den Masken und Kostümen, der Ausstattung sowie den Sets ist ein großes Lob auszusprechen, tragen sie doch wesentlich zur märchenhaft-gruseligen Atmosphäre des Films bei, wobei die Bildkompositionen manchmal sehr überladen wirken, sodass man aufgrund der vielen kleinen Details gar nicht mehr weiß, wo man zuerst hinsehen soll. Das gehört aber wohl zur zauberhaften Welt von „Harry Potter“. Ebenso verhält es sich mit der sehr eigentümlichen Farbgebung des Films, die man wohl kaum als naturalistisch, sondern vielmehr als kreativ bezeichnen kann. Die Kontraste sind zudem oft sehr überzeichnet, was sich aber gut in jene Phantasie- und Märchenwelt einfügt und eine einmalige Atmosphäre schafft.
Auch die Kammeraführung ist sehr einfallsreich und innovativ (bei der Schwindel erregenden Verfolgungsjagd während des Quidditch Tuniers geht der Zuseher richtig mit, und man darf sich nicht wundern, wenn einem dabei schlecht wird) und es gibt immer wieder interessante Einstellungen, wie z.B. die Konfrontation mit Tom Riddle, in der schräge Perspektiven und eine eigentümlich grüne Beleuchtung das Bild dominieren.
John Williams Soundtrack ist dabei wie immer gut, obwohl ich finde, dass er schon innovativere Filmmusik komponiert hat. So erinnert seine große, symphonische Musik (natürlich vom London Symphony Orchestra wieder hervorragend umgesetzt) schon fast zu sehr an „Star Wars“, wenn sie auch wesentlich unheimlicher und geheimnisvoller klingt.
Die Besetzung ist Gut gewählt. Zwar hat gerade Daniel Radcliffe zu wenig Ausstrahlung, und seine Mimik scheint sehr begrenzt, sodass ihn die viel markantere Emma Watson und der ausdrucksstärkere Rupert Grint geradezu an die Wand spielen, die übrigen Schauspieler brillieren aber geradezu. Auch Maggie Smith und Richard Harris, der nach der Fortsetzung leider verstorben ist, spielen natürlich wieder einwandfrei. Gerade Maggie Smith glänzt in ihrer Rolle als biedere aber herzensgute Schulmeisterin Professor Minerva McGonagall förmlich, und hat in der englischen Originalfassung einen äußerst individuellen, beinahe schon komischen Akzent, der einem Sprechgesang ähnelt. Auch Kenneth Branagh scheint für die Rolle des selbstverliebten Professor Gilderoy Lockhart wie geschaffen.
Zu empfehlen ist sicherlich die Englische Originalfassung, da hier das übertrieben akzentuierte British English dem Film noch einmal eine eigene Note verleiht.
Zum Abschluss möchte ich an dieser Stelle noch eine Warnung zur deutschen Fassung aussprechen. Wer über gute Englischkenntnisse verfügt sollte unbedingt auf die deutsche DVD verzichten und zur britischen DVD Fassung greifen. Die deutsche Version ist nämlich in einigen Szenen stark geschnitten worden, um eine FSK 6 zu erreichen. Gerade die Szene mit dem Basilisken wurde so stark verstümmelt, dass in der deutschen Fassung die ganze Spannung verloren geht.
„Harry Potter“ ist eine interessante Mischung aus Popkultur, idealisiertem Internatsleben und Elementen aus verschiedensten Volks- und Kunstmärchen, Sagen, Legenden, und antiker Literatur. Das Ergebnis trifft zwar bestimmt nicht jedermanns Geschmack, Kinder und jene Erwachsene, die Phantasien nicht vergessen haben und innerlich Kind geblieben sind, werden aber schnell in jene andere Welt eintauchen und sich mitreißen lassen.