Harry Potter (Daniel Radcliffe) ist ein eher unscheinbarer Junge. Von frühester Kindheit an aufgewachsen bei seiner Tante und deren Familie, die in ihm vor allem eine unwillkommene Belastung für ihr eigenes Leben sehen, hat er Zusammenhalt, Unterstützung und Liebe nie wirklich kennen gelernt. Doch das alles ändert sich schlagartig, als er an seinem elften Geburtstag erfährt, dass er demnächst nach Hogwarts, einer Schule für Zauberei und Hexerei, gehen wird. Und so betritt er eine ihm bis dato unbekannte Welt voller Magie und Abenteuer, in welcher sein Name plötzlich selbst dem kleinsten Kind wohlbekannt ist, und die ihm neben Bestätigung und jeder Menge Spaß außerdem mit der cleveren Hermine (Emma Watson) und dem verlässlichen Ron (Rupert Grint) die ersten wahren Freunde seines Lebens beschert. Doch erwartungsgemäß lässt auch Ärger nicht lange auf sich warten und zeigt sich schließlich in Gestalt des wiederauferstandenen Lord Voldemorts, jenes schwarzen Magiers, der seinerseits Harrys Eltern umgebracht und – glücklicherweise vergebens – versucht hatte, mit dem schlimmsten der Unverzeihlichen Flüche auch Harry zu ermorden...
Als Warner Brothers sich daran machte, den Erfolgs-Roman
"HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN" in einen Film zu verwandeln, traten sie damit ein schweres Erbe an. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films im November 2001 waren bereits vier Teile der Buchreihe auf den Markt, die ein Millionenpublikum zu be
geisterten Anhängern der Abenteuer um den Zauberlehrling gemacht hatten. Die Erwartungen an eine filmische Umsetzung des Stoffes waren dementsprechend hoch. Dabei sollte man meinen, es sei ein Kinderspiel, aus einem Buch, das mit derartig viel Phantasie, Spannung und Humor ausgestattet ist, einen unterhaltsamen Film zu zaubern. Aber gerade der unglaubliche Detailreichtum der Romanvorlage machte das Unternehmen umso schwieriger, schließlich wollte man der Vorlage doch möglichst gerecht werden und die Fans in aller Welt zufrieden stellen.
Joanne K. Rowling hatte mit ihren Romanen bereits eine einzigartige Welt erschaffen, und sie wollte genau wie ihre Leser, dass der Film möglichst viel von dieser Einzigartigkeit des Buches einfängt und wiedergibt. Daher war sie auch maßgeblich an der Produktion beteiligt, schrieb beispielsweise jenen Teil des Drehbuchs, der den Rückblick auf die Ermordung von Harrys Eltern beschreibt. Außerdem war sie an der Auswahl der Schauspieler beteiligt und zeichnete sich maßgeblich für die Verpflichtung von
Alan Rickman ("
Tatsächlich ... Liebe", "
Stirb Langsam") und
Robbie Coltrane ("
From Hell", "
Blackadders Weihnachtsgeschichte") verantwortlich. Und damit bewies sie ein mehr als glückliches Händchen. Robbie Coltrane als gutmütiger Halbriese Rubeus Hagrid, dem Wildhüter von Hogwarts, füllt seine Rolle mehr als aus (und ich meine nicht nur physisch). Aber vor allen Alan Rickman brilliert als schmieriger und undurchsichtiger Professor Severus Snape, dem Lehrer für Zaubertränke, und es ist ein wahrer Genuss, ihm in seinem Spiel zuzusehen. Ebenfalls eine enorme Bereicherung für das Ensemble stellt
Maggie Smith ("
Eine Leiche zum Dessert", "Hook") dar, die als strenge, aber nichtsdestotrotz liebenswerte Professorin McGonagall, Hauslehrerin in Gryffindor, einfach hinreißend ist.
Die Leistung der Jungdarsteller
Daniel Radcliffe ("December Boys", "My Boy Jack"),
Emma Watson ("Ballet Shoes") und
Rupert Grint ("Driving Lessons", "Cherrybomb") ist im Vergleich natürlich weitaus amateurhafter, hatte doch in der Dreier-Riege der Hauptfiguren lediglich Dan bereits Schauspielerfahrung, bevor es an die HP-Verfilmung ging (weswegen es umso bemerkenswerter ist, dass ihm in einigen Szene seine jungen Co-Stars den Rang ablaufen). Nichtsdestotrotz machen die drei ihre Sache recht ordentlich (gerade Emma ist im ersten Teil als noch liebenswert hochnäsige Hermine einfach göttlich!), vor allem, wenn man bedenkt, welch schwierige Aufgabe sie zu erfüllen hatten: immerhin verkörpern sie mit Harry Potter, Ron Weasley und Hermine Granger drei der populärsten und beliebtesten Charaktere der jüngeren Literaturgeschichte. Millionen von Fans haben sich beim Lesen der Bücher ein ganz eigenes Bild von ihren Helden gemacht, und Dan, Emma und Rupert waren nun plötzlich dazu ausersehen, diese unterschiedlichen Vorstellungen auf der Leinwand zu vereinen und den Charakteren derart Leben einzuhauchen, dass die Zuschauer sie vollends in ihren Rollen akzeptieren würden, auch wenn nicht jedes einzelne der persönlichen Bilder wiedergegeben werden kann.
Entsprechend den Büchern haben sich die HP-Filme erst langsam aber doch stetig von einer eher kindlichen Geschichte zu einem düsteren Drama entwickelt. Und so präsentiert sich der erste Teil der Reihe,
"HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN", noch als recht märchenhaftes Abenteuer, das vor allem die Kleineren anspricht, aber nichtsdestotrotz auch Erwachsene zu fesseln vermag. Die Figuren sind zwar schon gut ausgearbeitet, aber insgesamt doch noch ein wenig schubladenartig charakterisiert und eher stereotyp in Gut und Böse aufgeteilt, sowohl im Roman als auch im Film.
Überhaupt ist die Adaption ganz nach J. K. Rowlings Wünschen sehr auf Authentizität bedacht und hält sich recht eng an die Vorlage. Allerdings muss man wie bei jeder Literaturverfilmung auch Abstriche machen. Die Aufgaben, die auf dem Weg zum Stein der Weisen erfüllt werden müssen, bilden im Roman eine der spannendsten Passagen überhaupt, und jeder Fan hätte sie sicherlich gern in ihrer ganzen, ungekürzten Pracht auf der Leinwand gesehen. Aber da ein Film nun mal einer anderen Dramaturgie folgen muss als ein Buch, sind kleinere Veränderungen und Kürzungen hier und da nicht zu vermeiden und so, wie sie hier in diesem Fall vorgenommen wurden, durchaus zu verschmerzen, da das Wesentliche der Geschichte immer noch erhalten bleibt. Die Diskussion um solche Kürzungen sollte in Zukunft noch hitziger werden, als die Bücher umfangreicher, die Storys komplexer und vielschichtiger wurden, die Filme aber noch immer an die Begrenzungen ihres Mediums gebunden waren.
Alles in allem ist
"HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN" eine gelungene Adaption der Romanvorlage und bildete den vielversprechenden Auftakt zu einer Film-Reihe, welche auch in den kommenden Jahren (vollkommen zurecht) unzählige Besucher in die Lichtspielhäuser dieser Welt locken sollten. Es ist alles andere als ein leichtes Unterfangen, einen Film mit Spannung zu versorgen, dessen Geschichte bis hin zu ihre Schlusslösung bereits fast jedem Zuschauer von vornherein bekannt ist. Doch den Filmemachern rund um Chris Columbus ist dieses Meisterstück gelungen, und so können sich Fans auch in der x-ten Wiederholung noch auf einen gelungenen Filmabend freuen.
Noch eine Schlussanmerkung: der Film ist im englischsprachigen Original betitelt als "HP and the Philosopher’s Stone", jedoch nicht in den USA, wo bereits das Buch unter dem Titel "HP and the Sorcerer’s Stone" veröffentlicht worden war. So musste jede Szene, in der eben jener Stein der Weisen im Gespräch auftaucht, doppelt gefilmt werden, je einmal mit jeder der beiden Varianten.