Sorry, ich muss dringend mit einer Binsenweisheit aufräumen. So glauben doch manche männlichen Artgenossen unter uns, sie seien derart voller Charme und Ausstrahlung, dass sie mit verspielter Leichtigkeit einen Gletscher zum Schmelzen bringen könnten. Diese Überzeugung muss nun leider widerlegt werden. Denn spätestens, seit Al Gore uns mit der
unbequemen Wahrheit konfrontiert hat, wissen wir, dass das Schmelzen der Gletscher nur eine gefährliche Laune der Natur ist, an der der Mensch allerdings nicht ganz unbeteiligt ist. Die Natur rächt sich, so dass selbst dann, wenn ein Fünkchen Wahrheit in der oben genannten Überzeugung stecken sollte, bei unterlassenem Eingreifen des Menschen bald kein Gletscher mehr zu Probezwecken zur Verfügung steht.
Es ist traurigerweise nicht überliefert, ob sich Mammuts oder Faultiere eines Tages vor einem Gletscher getroffen haben, um sich gegenseitig in Sachen Charme und Ausstrahlung zu beweisen, so dass wir notgedrungen mit den Fakten leben müssen, die uns
„ICE AGE 2: JETZT TAUT’S“ liefert. Die Fortsetzung des Animationshits „
Ice Age“ von 2002 präsentiert dem Auge des Betrachters ganz zu Beginn ausgelassen tobende und tollende Tiere, die nach den Ereignissen des ersten Teils in einem gemütlichen Tal in der Nähe der Gletscher w
ohnen. Auch Diego, Manfred und Sid – die altbekannten Helden – glauben endlich eine neue Heimat gefunden zu haben. Doch die Launen der Natur lassen sich ebenso wenig aufhalten wie die drohenden Schmelzwassermassen, die dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Eiszeit dem Ende entgegenneigt. Unaufhörlich schmilzt und tropft es an allen Ecken und Enden, und abfließen kann das ganze flüssige Unheil leider nicht, da ein Gletscher am Ende des Tals dieses Unterfangen maßgeblich unterbindet. Um zu verhindern, dass alle Bewohner des Tales qualvoll in den Wassermassen zu Tode kommen und ertrinken, machen sich Diego, Sid, Manfred und die restlichen Tiere auf zum anderen Ende des Tals, wo Gerüchten zufolge eine Arche den dringend benötigten Schutz gewähren soll. Doch nicht genug der Weltuntergangsstimmung: abgesehen von „aufgetauten“ Todfeinden, die den Fliehenden auf Schritt und Tritt folgen, hat Mammut Manfred auch mit dem Gedanken zu kämpfen, der wahrscheinlich Letzte seiner Art zu sein, was den gutmütigen Zottel in tiefe Depressionen stürzt. Erst als er auf die Mammutdame Ellie trifft, die unter Opossums aufgewachsen ist und sich leider Gottes auch für ein solches hält, lockert sich seine Miene auf. Aber nicht nur Manfred hat mit Urängsten zu kämpfen – selbst der so kühle Diego besitzt eine Angst, die im Angesicht des drohenden Tods durch Ertrinken vollends auswächst. Können die Freunde sowohl den Wassermassen als auch den todbringenden, eigentlich ausgestorbenen, aber wieder „aufgetauten“ Feinden zu Wasser entkommen? Wird Manfred Ellie davon überzeugen können, dass sie kein Opossum ist? Und was ist eigentlich mit dem kultigen Nager Scrat?
Gleich vorweg: der zweite Streich des Eiszeit-Abenteuers kann nicht ganz den Charme des Vorgängers auffahren. Dazu bietet die zwar spannende, nichtsdestotrotz leider simpel gestrickte Geschichte einfach zu wenig Anlauffläche für Gags und Witzchen am laufenden Band. Sid ist gewohnt hyper-aktiv, und die Geschichte um das Opossum-Mammut ist zwar durchweg niedlich. Doch das Untergangsszenario um das einlaufende Schmelzwasser zieht sich wie ein hartnäckiger Fleck mit teils unnötig theatralischen Momenten durch das als kinderfreundliche Animationskomödie angelegte Pixel-Abenteuer und vereinnahmt einen großen Teil der (kurzen) Gesamtspielzeit. So liegt es mal wieder an dem Nager Scrat, das zu tun, was er am besten kann. War er im ersten Teil noch relativ selten zu sehen, konnte in diesen Momenten aber durchweg punkten, spendierten ihm die Macher in der Fortsetzung erfreulicherweise deutlich mehr Möglichkeiten, sein urkomisches Talent voll auszuspielen. Seine Jagd nach der legendären Eichel – ob er sie diesmal bekommt, wird natürlich nicht verraten – lockert immer dann das Geschehen auf, wenn die eigentliche Geschichte zu ernst zu werden droht. Und soviel sei verraten: die neuen Abenteuer des heimlichen Hauptdarstellers des „Ice Age“-Universums sind derart lustig geraten, dass sie auch als eigenständiger Film funktionieren würden. Scrat rettet beinahe im Alleingang durch seine waghalsigen Aktionen den Film davor, im soliden Mittelmaß zu versinken und wertet ihn gehörigst auf.
Natürlich kann das Animationswerk aufgrund des deutlich geringeren Budgets nicht ganz mit den grandiosen
Pixar-Werken wie „Findet Nemo“ oder dem neusten Hit „
Ratatouille“ konkurrieren. Dafür ist die Animation etwas zu „einfach“ geraten und lässt vor allem liebevolle Details vermissen. Dennoch zählt des Eiszeit-Abenteuers zweiter Streich definitiv zu den besten Produktionen der letzten Jahre, ist die Animation im Vergleich zum direkten Vorgänger doch vor allem bei dem hervorgebrachten unerschrockenen Kult-Trio schon um einiges aufwändiger gestaltet als noch beim 2002er Erstling.
„ICE AGE 2: JETZT TAUT’S“ erweist sich damit als würdiger Nachfolger des nach wie vor tollen Vorgängers, der in Sachen Humor und Witz noch eine Stufe höher anzusiedeln ist. Wenn das Witzniveau der Scrat-Einlagen auf den ganzen Film ausgebreitet worden wäre, hätte der Platz auf der Stufe sehr, sehr eng werden können. So bleibt der Streifen leider „nur“ ein harmloses, aber unterhaltsames Stück kurzweilige Unterhaltung, an dem vor allem Kinder ihre Freude haben werden. Alle anderen können zumindest über die glücklicherweise unzählig gestreuten Scrat-Momente lachen, weshalb als Endnote nicht die 3, sondern eine – wenn auch knappe – 2 winkt. Wer sich übrigens nun nach der ernüchternden Wahrheit über die Auswirkungen von Ausstrahlung und Charme in seinem Stolz gekränkt fühlt, sollte sich, um den aufkeimenden Trotz zu kompensieren, einfach mal lächelnd vor den ewig tropfenden Wasserhahn im Bad stellen. Irrglaube ist manchmal ganz nett.
Auch interessant:
„
Ice Age 3: Die Dinosaurier sind los“ [2009]
„
Ice Age 4: Voll verschoben“ [2012]