Ein Friseur (Bruce LaBruce) sieht sich in seiner Wohnung Robert Altmans „Ein kalter Tag im Park“ an, schaltet aber bald ab und begibt sich selbst auf einen Spaziergang durch den städtischen Park. Hier trifft er auf einen jungen und naiv erscheinenden Skinhead (Klaus von Buecker), der den Friseur sofort in seinen Bann zieht. Er nimmt den scheinbar stummen jungen Mann mit nach Hause, lässt ihm ein Bad ein und sperrt ihn anschließend in ein Zimmer. Der Skinhead macht sich aus dem Staub und kehrt in sein eigenes Heim zurück, wo seine lesbische Schwester mit ihren Freundinnen an einem Film arbeitet. Der Film soll betont provokant und hochpolitisch wirken, so dass die herrische Regisseurin den eigenen Bruder für ihre Zwecke einspannt. Doch der Skinhead sehnt sich nach dem Friseur, von dem er bald in demütigende Rollenspiele verwickelt wird...
Der kanadische Underground-Filmemacher Bruce LaBruce kann getrost als der große Provokateur des New Queer Cinema gelten. Bereits sein erster Langfilm NO SKIN OFF MY ASS (den die früh verstorbene Grunge-Ikone Kurt Cobain einst als seinen Lieblingsfilm bezeichnete) zeigt LaBruce als avantgardistischen Zerstörer ausgetretener Erzählstrukturen in der Tradition verwegener Experimentalfilmer von Warhol über George Kuchar bis hin zu Richard Kern. An einer traditionellen Erzählung zeigt sich der Film nur wenig interessiert, schon nach kurzer Zeit formt sich eine Fetischismus-Studie, die jeden politischen Zusammenhang ko
nsequent ignoriert. So spielt die Gesinnung des Skinheads keine Rolle und wird nicht im Ansatz ausformuliert.
NO SKIN OFF MY ASS lässt sich als Schlüsselwerk des New Queer Cinema lesen, in dem Bruce LaBruce einen großen Teil der Erkennungsmerkmale seiner späteren Filme einführt. Da wäre die prätentiöse lesbische Polit-Filmemacherin, die rücksichtslos eigene Interessen vertritt und emotional fragile Personen für das eigene Werk missbraucht. In weitaus radikalisierter Version begegnet uns eine solche Regisseurin auch in „Otto; or up with Dead People“, den bisher jüngsten Film von LaBruce. Das damit einher gehende Film-im-Film-Motiv in Verbindung mit filmhistorischen Referenzen zieht sich beinahe durch das komplette Gesamtwerk des Undergroundfilmers. Der tabubrechende Umgang mit pornografischer Ästhetik findet sich ebenfalls schon in diesem rotzfrechen Erstlingswerk: Zwar belässt es LaBruce bis zum Ende bei sadomasochistischen Rollenspielen, in der finalen Sequenz hält die Kamera aber voll drauf bei gegenseitigen Blowjobs.
Wer hier aber "nur" einen niveauvollen Gay-Porno erwartet, könnte falscher kaum liegen. Im Gegenteil, fehlt den erotischen Sequenzen doch vollständig ein anregender Voyeurismuscharakter und die detailreichen Einblicke zum Schluss sind recht kurz gehalten. NO SKIN OFF MY ASS interessiert sich vielmehr für die rein ästhetischen Aspekte der Skinhead-Subkultur, in der sich Macho-Gehabe und Homophobie als Selbstverständlichkeit mit einem ausgeprägten Körperkult verbinden, der wiederum eindeutig homoerotisch aufgeladen ist.
Zum Schlüsselwerk des queeren Films wird NO SKIN OFF MY ASS durch seine selbstbewusste Attitüde, die für heterosexuelle Menschen (geschweige denn für deren Vorurteile) nicht einmal Statistenrollen übrig hält. Probleme von außen existieren in den siebzig Minuten Laufzeit nicht. Ganz bewusst grenzt LaBruce seine grobkörnigen Schwarzweiß-Bilder von heterosexuellen Sehgewohnheiten ab. Der spezielle Look des Skinheads wird zur Projektionsfläche sexueller Begierden, welche den Friseur schon lange beschäftigen. Sein Fetisch geht inzwischen so weit, das er seinen Kunden nur noch den Kopf rasieren möchte - doch zwischen ihm und seinem Schwarm entwickelt sich echte Zärtlichkeit. Da LaBruce ausschließlich Laiendarsteller auftreten lässt tritt die eigentliche Schauspielerei extrem in den Hintergrund, Stil und Form übernehmen das Ruder und bestimmen somit den gesamten Kurs des Films. Zusätzlich heraus gehoben wird diese Anti-Schauspielerei durch eine verfremdende Nachsynchronisation, welche die Künstlichkeit der Story entscheidend in den Vordergrund drängt und mit voller Absicht asynchron zu den Lippenbewegungen der Sprecher verläuft.