MONTAG, 16.04.2007:
Werter Unbekannter,
vorab eine Bitte: Beachten Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit tunlichst die Warnung am Ende dieser Nachricht, sofern Sie den Auftrag annehmen. Danke!
Bevor wir in medias res gehen, möchte ich Ihnen zunächst einige Informationen mitteilen, die Sie vielleicht verwundern werden, welche jedoch von entscheidender Bedeutung für Ihre Mission sind. Es handelt sich hierbei um einen kleinen Aufsatz eines sehr bekannten und für uns arbeitenden Verschwörungstaktikers, der unter dem Deckmantel eines angesehenen Filmkritikers agiert; nennen wir ihn einfach
S.R.:
Auszug aus dem Aufsatz: „Serien auf Kinoformat aufzublähen, stellt immer ein riskantes Wagnis dar, da es gilt, sowohl die alteingesessenen Fans als auch diejenigen zu begeistern, die die Serie bisher nur vom Hörensagen respektive gar nicht kannten. Erfolg in der Traumfabrik ist durchaus berechenbar, folgt er doch einem ganz einfachen Prinzip: Gib den Menschen, was sie wollen. Dann werden sie auch dir das geben, was du haben willst. Sicherlich steht jeder Filmschaffende nun vor dem Auslegungsproblem, dieses
Etwas zu bestimmen, es zu erfassen. Und nicht selten resigniert der Mensch mit Namen Filmmacher, gerät an seine Grenzen und macht schließlich das, was er für richtig erachtet. Dass dies mitunter nach hinten losgehen kann, liegt auf der Hand, denn das, wa
s der Regisseur für gut erachtet, muss nicht zwangsläufig auch das Mainstream-Publikum begeistern. Ich habe nie gesagt, dass Filmemachen einfach ist...
Brian De Palma stand bestimmt vor demselben Problem, als er angeboten bekam, die Kultserie „Kobra, übernehmen Sie“ fürs Kino wiederzubeleben. Immerhin genießt die Serie unter Fans Kultstatus, brachte sie es doch Ende der 60er, Anfang 70er Jahre auf immerhin 7 Staffeln und insgesamt 171 Folgen. De Palma hatte es diesbezüglich etwas leichter als ein vergleichsweise unerfahrener Regie-Neuling, konnte er doch schon vor mehreren Jahren beweisen, dass er Thrillerhandlungen kunstvoll zu verpacken in der Lage ist. So stellt sich das Endprodukt auch letztlich als eine Symbiose zwischen altbekannten Spionage-Thriller-Elementen, einigen Querverweisen auf das Original und dem unverkennbaren Stempel seines eigenen Schaffens dar, was nach Meinung der alteingesessenen Fans vielleicht dem Charakter der Ur-Serie nicht ganz gerecht wird.
Doch in Anbetracht der Tatsache, dass De Palma eine Wiederbelebung der Serie anstrebte, wie sie Jahre zuvor schon einmal (erfolglos!) versucht wurde, scheint diese – seine – Vorgehensweise nur konsequent und folgerichtig zu sein. Auch die Modernisierung eines älteren Stoffes kann, wenn sie mit Herzblut und Leidenschaft realisiert wird, als Huldigung und würdige Verbeugung vor dem Original gesehen werden. Und genau das ist
„MISSION: IMPOSSIBLE“, wenngleich es auch Punkte zur Beanstandung gibt, die den guten ersten Eindruck dieser „Mission“ De Palmas etwas trüben.“
Ende des Aufsatzes.
Jetzt kommen Sie ins Spiel, Kollege. Zu mehr war unser Informant nicht zu schreiben in der Lage, da er von einem Hund gebissen wurde (in diesem Punkt widersprechen sich allerdings die beiden Aussagen). Wie dem auch sei: die oberste Riege der Filmkritiker verlangt nachdrücklich von mir, dass die von
S.R. angefangene Kritik vervollständigt wird. Dies wird nun Ihre Aufgabe sein. Sie haben freilich noch immer die Möglichkeit, zurückzutreten, sollten bei Ihrer Entscheidung jedoch in Betracht ziehen, dass Ihnen – gesetzt den Fall, Sie lehnen tatsächlich ab – die Weihnachtsgratifikation restlos gestrichen wird. Ich erwarte Ihren Bericht bis Mitte dieser Woche auf meinem Schreibtisch. Gutes Gelingen, und nehmen Sie nun bitte etwas Sicherheitsabstand, da sich diese Nachricht von selbst zerstören wird. Aber ich denke, das Prozedere ist Ihnen bekannt.
MITTWOCH, 18.04.2007:
Danke für die gute und schnelle Arbeit, die Riege der Filmkritiker ist hochzufrieden, weshalb ich Ihnen auch in ihrem Namen zu dieser erfolgreichen Mission gratulieren soll. Alle Punkte seien zutreffend.
Verstehe ich Ihren Bericht – die Kopie wurde mir gerade ausgehändigt – richtig in dem Punkt, dass Brian De Palma, als er sein auf Tatsachen beruhendes Remake über das wirklich wahrste Leben im Geheimdienst drehte, ein Bericht von
David K., Steven Z. und
Robert T. vorlag? Von drei Personen? Erlauben Sie mir den Einwurf, dass ich Ihnen in jeder Hinsicht darin zustimme, dass viele Köche den Brei durchaus verderben können. Dass die Geschichte aus diesem Grund an manchen Stellen arg konfus wirkt, erwähnen Sie dann ja auch weiter hinten. Wahrscheinlich war das auch der Punkt, den
S.R. monierte, als er vom „Trüben des an sich guten Gesamteindrucks“ sprach. Im Grunde betrügt hier jeder Agent den anderen, und schlussendlich siegt mal wieder der strahlende Held T.C..
Und dass sich der Bösewicht schon eine halbe Stunde vor Schluss offenbart, ist in der Tat nicht gerade spannungsfördernd und scheint nur dem dann stattfindenden Showdown mehr Platz einräumen zu wollen. Spannung nebst Überraschungseffekt weg für ein paar Minuten Action. Gut, das Videomaterial, das Sie mir per Mail haben zukommen lassen, zeigt einige sehr schöne Szenen, die von der
ILM gesponsert wurden, doch vermag dies nicht darüber hinwegzutäuschen, dass etwas weniger Actionbombast und mehr Gradlinigkeit in Sachen Story dem Film sehr zugute gekommen wäre. Schön auch Ihre Anmerkung, dass man gar keinen kurzen Überblick über die Story geben kann, da sie – Agentenfilm-typisch – voller Wendungen steckt, die, würden sie verraten, dem Film hinsichtlich der zu erwartenden Spannung enorm schadeten.
Über die Schauspieler verlieren Sie hingegen in Ihrem Bericht kein Wort, Kollege. Heißt das, dass sie durchweg solide Leistungen an den Tag – Moment, ich sehe gerade, dass Sie kurz auf die Person des T.C. eingehen. „Schönling“ stimmt sicherlich, sieht man sich nur die beigefügten Bilder an. Aber in einem derart Action-orientierten Film kann man nun einmal nicht einen John Goodman als Held wählen, wenn Sie verstehen... Ansonsten habe ich nichts zu beanstanden. Ihr Fazit,
„MISSION: IMPOSSIBLE“ sei eine fast durchweg spannende Neuinterpretation der Kultserie mit 007-Charakter, die etwas an der konfusen Geschichte krankt, nichtsdestotrotz aber als gelungen zu bezeichnen sei, ist präzise und prägnant.
Diese Nachricht wird sich übrigens ausnahmsweise nicht von selbst zerstören. Ich dachte, ein wenig Abwechslung kann nicht schaden.
DONNERSTAG, 19.04.2007:
Kurzer Zwischenstand: die gerichtliche Beweisaufnahme im Fall
S.R. hat ergeben, dass zweifelsfrei der Mann den Hund zuerst gebissen hat. Ich halte Sie hinsichtlich des weiteren Geschehens auf dem Laufenden.
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Mission: Impossible II“ [2000]
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Mission: Impossible III“ [2006]
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Mission: Impossible - Phantom Protokoll“ [2011]
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Mission: Impossible - Rogue Nation“ [2015]