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Carlito`s Way

Carlito`s Way

Ein Film von Brian De Palma

“…es wundert mich, dass ich es überhaupt bis hierher geschafft habe. Die meisten aus meinem Haufen hat es schon viel früher erwischt… aber keine Angst, ich werde weiter kämpfen!”

Diese Satzbruchstücke, die Al Pacino als Carlito Brigante im Prolog mit gedämpfter Stimme aus dem Off wiedergibt, geben dem Zuschauer schon einen kleinen Anstoß, in welch dreckiges, auswegloses Milieu ruchloser Kriminalität einen die nächsten knapp zweieinhalb Stunden entführen werden. De Palma inszeniert das New York seines fulminanten Neunziger- Gangsterkrimis “Carlito`s Way” als nebulösen Ort, der seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, als gefährlichen Zwinger linker Bazillen, die selbst ihre vermeintlich besten Freunde in charakterlosem, egoistischem Kalkül hintergehen, wenn es für sie selbst hart auf hart kommt.

30 Jahre sollte der Puertoricanische Drogendealer Carlito Brigante (Al Pacino) eigentlich hinter Schloss und Riegel verbringen. Doch dank seines Anwalts Dave Kleinfeld (Sean Penn) darf er nun schon nach fünf abgesessenen Jahren in die Freiheit zurück. In seinem Revier, einem düsteren Viertel des Big Apple, hat sich nicht viel verändert. Carlito jedoch macht seinen alten Kumpanen kurz nach der Rückkehr unmissverständlich klar, dass er mit seiner Vergangenheit nichts mehr am Hut habe und ab sofort ein sauberes Leben führen werde. Er übernimmt den Nachtclub des hoch verschuldeten Saso (Jorge Porcel) und wacht mit Argus
augen darüber, dass sein Laden von jeglicher Gewalt und schmutzigen Geschäften unberührt bleibt. Carlito trifft auch Gail (Penelope Ann Miller) wieder, die er aufgrund seiner Haftstrafe aus den Augen verloren hatte, die er aber noch immer liebt. Mit ihr will er ein zivilisiertes Leben führen- neu anfangen, wie er sagt, in Florida. Doch droht sein Vorhaben zu scheitern und die guten Vorsätze aus der Balance zu geraten, weil hier und da kleinere Zwischenfälle eintreten. Als Carlito von Kleinfeld darum gebeten wird, ihm bei einem halsbrecherischen Fluchtmanöver eines seiner Klienten unter die Arme zu greifen, willigt dieser fatalerweise ein, da er glaubt, seinem Anwalt noch etwas schuldig zu sein. Dies ist der Anfang vom Ende Carlito`s…

Wie in seiner fiebrig-desillusionierenden Gangsterfabel Scarface (1983) geht Genre-Spezialist Brian de Palma in “Carlito`s Way” einem zwanghaften, sich selbst verschlingenden System auf den Grund und zeichnet in größtenteils sachlicher, realistischer und abschreckender Manier den Weg eines notorischen Ganoven nach, der es niemals schaffen kann, seine angestrebten Ideale in die Tat umzusetzen. Doch ist Carlito Brigante kein naiver und despotischer Emporkömmling wie es Tony Montana war. Al Pacino, der mit gewohnt beeindruckendem und passioniertem Spiel einen von sonderbarer Ambivalenz geprägten Charakter mimt, der in dem bedingungslosen Willen, aus der Szene auszusteigen, immer mehr zur Marionette seines berechnenden Umfelds gerät, gibt den Carlito wesentlich reifer und differenzierter denkend als den kubanischen Auswanderer Montana. Dieser Carlito will eine ehrliche Haut sein, sich als Individuum abseits der alten Verhaltensmuster eine gesittete Existenz aufbauen, doch er weiß um die Hürden, die es auf dem Weg zur kathartischen Selbstverwirklichung zu nehmen gilt. Denn was, wenn plötzlich “alte Freunde” auftauchen und um einen Freundschaftsbeweis bitten? Folgt man dem emotionalen Verstand, der besagt, dass die Zukunft mit Gail (die inzwischen auch schwanger ist) auf dem Spiel steht- oder den Gesetzen der Straße, die einer Art Quidproquo- Prinzip unterstellt sind, in dem es darum geht, seinen eng anvertrauten Freunden (wenn es so etwas dort überhaupt gibt) Gefälligkeiten zu erweisen.

“Wo sind die Miniröcke und das Haschisch abgeblieben? Jetzt ziehen sich die Leute dieses weiße Zeug in die Nase und tanzen Tänze, die ich nicht tanzen kann!”
(Carlito analysiert die Veränderungen, welche die Szene während seiner Abwesenheit durchgemacht hat)


Das Milieu hat sich zweifellos gewandelt. Doch Carlito ist, auch wenn er es zunächst nicht wahrhaben möchte, im tiefsten Innern stets derselbe geblieben. Der Ehrenkodex der Mafiosi und Dealer sowie die Impulsivität der Szene sind ihm angewachsen. Das dauerhafte Ringen mit sich selbst und den Gespenstern der Vergangenheit wird besonders eindrucksvoll in einer Szene deutlich, in der Carlito einem altbekannten Verbrecher, Lalin (Viggo Mortensen), begegnet, der mittlerweile im Rollstuhl sitzt. Carlito merkt im Laufe der Unterredung mit Lalin, der ihn zu kriminellen Geschäften persuadieren will, dass er ausspioniert wird. Als ihm klar wird, dass Lalin ihn auf`s Kreuz legen wollte, wird er stinksauer, zückt ein Messer und drückt es ihm gegen die Kehle. Schließlich lässt er doch von ihm ab, ohne ihm ein Haar zu krümmen. Das Schicksal wollte ihn aus der Reserve locken- doch Carlito hat noch rechtzeitig die Kurve gekriegt und es vermieden, sich der Mittel seiner Vergangenheit, sprich: körperlicher Gewalt, zu bedienen. Dann wäre da noch der arrogante, gelackte Gauner Benny Blanco (John Leguizamo), der gegenüber einer Angestellten von Carlito`s Club ein bisschen zu aufdringlich wird, woraufhin Carlito ihn aus seinem Laden wirft. Früher wäre Benny ein toter Mann gewesen, heute lässt Carlito ihn leben. Hinterher denkt man sich: Hätte er ihn besser mal ausgeschaltet, doch zu spät: die bittere Ironie des Milieus hat bereits ihren Tribut gefordert.

Das Fass zum Überlaufen bringt vorher schon Kleinfeld, der Carlito ganz tief ins Schlamassel stürzt. Obwohl dieser gewissermaßen das nahende Unheil in Person des komplett aus den Fugen geratenen Advokaten gedanklich vorwegnimmt (“…seine Augen wurden von Tag zu Tag glasiger. Er merkte nicht, wie er immer mehr zum süchtigen und unberechenbaren Säufer verkam…”), kann er es nicht abwenden, weil er fälschlicherweise davon überzeugt ist, er müsse noch eine offene Rechnung mit Kleinfeld begleichen. In diesem heuchlerischen Umfeld ist aber gerade jener der mieseste Heuchler, da er seinen treuesten Auftraggeber rücksichtslos für eigene Zwecke instrumentalisiert, was schließlich beiden zum Verhängnis wird. Nachdem Kleinfeld den berüchtigten Mafioso Tony T. auf dem Boot getötet hat (übrigens meines Erachtens nach nicht aus Angst davor, dass er liquidiert wird, sondern aus purem Hass auf diesen Schlag von Menschen, der sich kurz zuvor bereits in einer Szene in Carlito`s Club äußerte, in der er einen Mann, der mit Gail tanze, beleidigte), befinden sich beide (Carlito als Zeuge) in der Zange zwischen dem “Gesetz”, der Polizei, und eben der italienischen Mafia. Denn Tony`s Verwandtschaft möchte sich um jeden Preis für den kaltblütigen Mord revanchieren. Der Zuschauer wägt sich nun in der Gewissheit, dass der titelgebende “Weg Carlito`s” peu á peu steil bergab führen und an dessen Ende der Tod stehen muss. Als er gen Ende die Kugeln aus der Kammer der Pistole seines Anwalts nimmt, was zu dessen Ermordung führt, ist sein eigenes Schicksal bereits besiegelt.

Getragen von einem grandiosen Cast- Sean Penn als schmieriges, koksendes Ekelpaket mit Lockenkopf hat noch mal eine besondere Erwähnung verdient- und einem poppig- souligen Soundtrack, der einen hörbaren Kontrast zu den Discoklängen aus “Scarface” bildet, gelang de Palma mit “Carlito`s Way” sein vielleicht letztes (kleines) Meisterwerk, das Versatzstücke seines bisherigen Oeuvres übernimmt und formal wie inhaltlich perfektioniert. Die Schlusssequenz, eine brutale Schießerei auf der Rolltreppe eines weitläufigen Bahnhofstrakts, der der Regisseur eine beinahe opernhafte Dramatik und Resonanz verleiht, ist etwa eine inoffizielle Rekapitulation im Geiste des Rolltreppen- Shootouts aus “The Untouchables” (1987). Am Ende stellt sich überdies nicht nur für Carlito die Frage, was unter “Freiheit” eigentlich zu verstehen ist. An einer Stelle des Films heißt es, dass man im Knast manchmal besser aufgehoben und freier sei als auf den Straßen New Yorks. Aber bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass “Freiheit” für Carlito im Diesseits eine ewige Illusion bleiben muss…!?

Eine Rezension von Christopher Michels
(19. Juni 2009)
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Daten zum Film
Carlito`s Way USA 1993
(Carlito`s Way)
Regie Brian De Palma Drehbuch David Koepp
Produktion Universal Kamera Stephen H. Burum
Darsteller Al Pacino, Sean Penn, Penelope Ann Miller, John Leguizamo, Luis Guzmán, Viggo Mortensen
Länge 139 Minuten FSK ab 16
Filmmusik Patrick Doyle
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