„Fucking centaurs!“
Mit dem aufwendig ausgestatteten, 100 Millionen Dollar teuren Action-Abenteuer
„HERCULES“, das auf dem gleichnamigen
Radical-Comic des im März verstorbenen Künstlers
Steve Moore basiert, präsentiert uns Regisseur
Brett Ratner („Rush Hour“ [1998]) zwei keine Legende von einem Film, aber immerhin einen soliden, actionreichen Film über eine Legende, die wohl jeder kennt. Und das hier soll ihre (wahre oder doch fiktive?) Geschichte sein:
Mitsamt seinen tapferen Söldnern zieht der sagenumwobene Hercules (Dwayne „The Rock“ Johnson) für König Cotys (John Hurt) in die Schlacht um das Reich Thrakien, das vom blutrünstigen Rhesus (Tobias Santelmann) tyrannisiert wird. Hercules und seine Freunde sollen erreichen, dass Cotys wieder als rechtmäßiger Throninhaber an die Macht gelangt. Ein Ziel, das nicht nur Muskelkraft, sondern am Ende auch das Erfahren von so manch unerwarteter, bitterer Erkenntnis erfordert. Denn dieser Tage spielt nicht unbedingt jedermann fair. Schließlich liegt es an Hercules, sich und der Welt zu beweisen, dass er in der Lage ist, den Geschichten, die sich um ihn ranken, gerecht zu werden...
Jeder Mensch schreibt ja irgendwie seine eigene Geschichte auf dieser Welt, beginnend mit der Geburt, im Anschluss durch das Leben fortgeführt und am Ende beschlossen mit dem Tod. Passenderweise führt Ratners Hercules in diesem wuchtig inszenierten Actioner bei seinen Abenteuern gleich den eigenen Geschichtsschreiber mit sich, um die heroischen Taten danach in etwas ausgeschmückter Form einem breiteren Publikum präsentieren zu können. So einfach ist Legendenbildung. Mit diesem Kniff wird schon deutlich: Es geht hier wohl weitaus weniger um das fabulierte Erzählte an sich, sondern vielmehr darum,
wie und
warum es erzählt wird. Und somit sind bereits in den ersten fünf Minuten die Weichen ganz klar weg vom vermuteten Fantasy-Epos und hin zum eher charakterbezogenen Action-Abenteuer gestellt. Mehr als ein bloßes Anreißen der vermeintlich absolvierten Prüfungen wird dem Zuschauer hier nämlich nicht kredenzt; stattdessen sehen wir einen imposanten Hünen von Mensch, der trotz seiner enormen Leibes- und Muskelfülle irgendwie mehr Zweifler denn brachialer Kämpfer bleibt. Sicherlich wird zeitweise auch ordentlich auf riesige Gegnerhorden eingedroschen, doch sind diese Momente in den 98 Minuten Bruttolaufzeit im Endeffekt eher rar gesät. In diesem Abenteuer erweist sich somit nicht etwa ein menschlicher Bösewicht als Hercules' größter Gegner, sondern der innere Dämon des Zweifels, welcher Hercules seit einem tragischen Schicksalsschlag wie ein Schatten an den übergroßen Fersen hängt. Dieser Mann mag in Kampfsituationen noch so sehr zuschlagen können, aber gegen gänzlich irdische Probleme ist selbst er nicht gewappnet.
Ratners
„HERCULES“ handelt für sich betrachtet hauptsächlich von drei Dingen: Einem anfänglich persönlichen Zweifel, einer darauffolgenden wichtigen Erkenntnis, sowie dem Beweis, dass ein Mensch manchmal nur fest an sich glauben muss, um zu der Legende zu reifen, die alle Welt schon so lange in einem sieht. Dies ist die Quintessenz in einer Geschichte übers Geschichtenerzählen, die durch die etwas unglückliche Promotion in den Medien wahrscheinlich bei den meisten Kinogängern bisher völlig falsche Erwartungen geschürt hat. Jedoch sollten auch diese Kinogänger zumindest ansatzweise Gefallen finden an dem turbulent-dramatischen Treiben, denn erfreulicherweise gibt sich
„HERCULES“ niemals zu bierernst oder bedeutungsschwanger, was angesichts des Sujets wohl auch mehr als lächerlich wirken würde. Vielmehr präsentiert sich gerade das Zusammenspiel Hercules' mit seinen kampferprobten Freunden zuweilen als äußerst amüsant, wobei vor allem der mehr oder minder erfolgreiche Hellseher in Gestalt von
Ian McShane („
Fall 39“ [2009]) für so manchen Schmunzler sorgt. Doch auch
Rufus Sewell („
Vinyan“ [2008]) und die kürzlich in „
Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ [2013] noch als fieses Hexenbiest aufgetretene
Ingrid Bolsø Berdal wissen eigene Akzente zu setzen, während Altstar
John Hurt („
Snowpiercer“ [2013]) als König Cotys jede einzelne Szene mit aller Macht an sich zu reißen versucht (was jedoch nicht immer gelingt). Einzig
Joseph Fiennes („Shakespeare in Love“ [1998]) wirkt in seiner Rolle größtenteils etwas deplatziert und vermag es niemals so richtig, seinem König Eurystheus nachhaltig Leben einzuhauchen.
Über allem thront jedoch sowieso überlebensgroß Ex-Wrestler
Dwayne Johnson („
Walking Tall“ [2004]). Der charmante 1,92-Hüne gibt der Figur des Hercules das dringend benötigte breite Kreuz und schafft es dabei mit gespielter Leichtigkeit, sowohl dramatische als auch ironisierte Momente solide darzubieten. Eine Leistung, die bestimmt nicht oscarwürdig daherkommt, jedoch insoweit memorabel ist, als eine klassische Sagengestalt (respektive der Mensch dahinter) seit langer Zeit endlich mal wieder glaubhaft (!) auf die Leinwand transportiert wurde. Die vielleicht größte Überraschung bei diesem Film, der belegt, dass eben doch nicht jeder Lutz diese berühmte Figur überzeugend verkörpern kann.
Fazit: Halbgott oder nicht? Eine Frage, die angesichts der unglaublichen Physis eines Dwayne Johnson, welcher über knapp 90 Minuten äußerst eindrucksvoll Gegnerhorden dezimiert und nebenbei sogar noch einige dramatische Stationen zu durchleben hat, im Grunde gar keiner Antwort bedarf. Denn Brett Ratners Comic-Adaption
„HERCULES“ ist ein über weite Strecken stimmiges Action-Abenteuer mit einem abermals charismatischen Hauptdarsteller, dem die Rolle zeitweise wie auf den imposanten Leib geschrieben scheint.
Cover & Szenenbilder: © Paramount Pictures Germany