von Asokan Nirmalarajah
Der für koreanische Verhältnisse aufwendig produzierte Monsterfilm
The Host (2006) von Bong Joon-ho ist schon heute der erfolgreichste Film Südkoreas und damit die finanzielle Krönung einer filmhistorischen Evolution, die ihren Auftakt um die Jahrtausendwende mit so unterschiedlichen Werken wie der hysterischen Liebesdramödie
My Sassy Girl (2001) und dem stilwütigen Actionthriller
Shiri (1999) erlebte. Die flugs deklarierte
South Korean New Wave fußte in den folgenden Jahren auf der internationalen Begeisterung für die ebenso wagemutigen wie umstrittenen Filmemacher Kim Ki-duk und Park Chan-wook. Während die meditativen, grausamen Liebesdramen des ersteren zu Recht den Kunstmarkt für sich einnahmen (
Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling, 2003,
Bin-jip – Leere Häuser, 2004), konnten die brutal-melodramatischen Rachedramen des letzteren die Tarantino-geschädigte Pop-Gemeinde gewinnen (
Sympathy for Mr. Vengeance, 2002,
Oldboy, 2003,
Lady Vengeance, 2005). Zu den kommerziell erfolgreicheren Regisseuren Südkoreas zählt dagegen Joon-ho, der mit dem nüchternen Krimi
Memories of Murder (2003) einen Achtungserfolg landen konnte. Sein nächster Film, der wilde Genre-Cocktail
The Host, avancierte in Südkorea gar zum me
ist gesehenen Kino-Ereignis des Jahres und setzt nun international zum Siegeszug an.
Den narrativen Genre-Konventionen des Monsterfilms gerecht, beginnt auch
The Host mit einer Schuldzuweisung an den fahrlässigen Menschen, der die Natur nicht respektiert und mit ihrer Verschmutzung zwangsläufig eine Katastrophe von widernatürlichen Dimensionen heraufbeschwört. Hier ist es ein gänzlich gewissenloser US-Militärpathologe, der seinem koreanischen Assistenten befiehlt, altes Methanal in den Abguss zu schütten. Trotz sonderbarer Ereignisse im örtlichen Han Fluss, bleibt diese Kontaminierung vorerst ohne Folgen für die Geschichte, die nun ihr Augenmerk auf eine schräge Familie lenkt: Gang-Du Park (Song Kang-ho, der seit seiner Glanzleistung in
Sympathy for Mr. Vengeance zu den bekanntesten Gesichtern des koreanischen Kinos gehört) ist ein zurückgebliebener Taugenichts, der mit seinem Vater (Byeon Hie-Bong) einen Essens- und Getränkestand am Han Fluss betreibt und sich liebevoll um seine mutterlose Tochter (Ko Ah-sung) kümmert. Dabei helfen ihm sein alkoholsüchtiger Bruder und Studiumsabbrecher (Park Hae-il) und seine als Sportschützin wenig erfolgreiche, schüchterne Schwester (Bae Du-na)…
Sobald die spontan sympathischen Protagonisten einmal etabliert sind, darf auch das Monster endlich in Aktion treten und tut das mit einer Wucht, die man aufgrund des geringen Budgets des Films (etwas mehr als 10 Millionen US-Dollar) nicht erwartet hätte. Mit Kameraschwenks und effektiv platzierten Schnitten wird die plötzliche Attacke des mutierten Amphibienwesens gefilmt und zieht den Zuschauer direkt in den Sog der sich überstürzenden Ereignisse, die in der Verschleppung von Gang-Dus Tochter mündet. Wenn das nicht schon beklagenswert genug wäre, wird die verzweifelte Park-Familie fortan auch noch vom US-Militär und den örtlichen Behörden gejagt, da sie glauben, dass die Parks von einem Virus angesteckt wurden, den das Monster aus dem Han-Fluss an sich tragen soll. Doch unbeeindruckt von den vielen Gefahren für ihr eigenes Wohl, machen sich die drei Geschwister mit ihrem Vater auf, um das Monster zu töten, das für tot geglaubte Kind zu retten und in ihre aufgebrochene Familieneinheit wieder zu integrieren…
Das gestaltet sich allerdings beileibe nicht so eindrucksvoll wie man aufgrund der Vorschuss-Lorbeeren internationaler Kritiker vermuten würde.
The Host mag einige der Attribute innehaben, die das südkoreanische Kino zur momentan aufregendsten Filmnation macht, aber zugleich scheitert der Film auch am großen Wurf wegen einiger koreanischer Besonderheiten. Vorerst ist
The Host ein Film, der seinem Regisseur gehört, will heißen Joon-ho zieht alle nur erdenkbaren Register, um stets dynamisch und ansprechend zu erzählen, wobei er hier und da vielleicht zu dick auftragen mag, aber handwerklich und dramaturgisch den Fantasy-Regisseuren Hollywoods der 80er Jahre (Joe Dante, Tim Burton, Ivan Reitman und vor allem Steven Spielberg) in nichts nachsteht und mit aufregenden Actionszenen wie bemerkenswerten Bildern aufwarten kann. Tempo und Spannung in Schnitt und Kameraarbeit ist hier an vielen Stellen sensationell. Nur leider kann das mit allerlei ökopolitischen Kommentaren erschwerte, wild wuchernde Drehbuch die Intensität dieser Momente nicht über die volle Distanz aufrecht erhalten. Stattdessen wird hier ein auf knackige 100 Minuten konzipierter Monsterfilm um 20 satte Minuten gestreckt, damit sich die dünne Geschichte mehr Substanz und Subtext in Form von US-Ideologiekritik, Medien- und Sozialsatire anfressen kann, als sie letztlich tragen kann.
Das koreanische Kino ist bekannt für rapide, irritierende Stimmungswechsel, wo eine berührende Szene in absurden Slapstick ausarten kann, oder eine Gewaltsequenz plötzlich zum zärtlichen Liebesmoment mutiert. Die besten Filmemacher jedoch schaffen es, bei aller Wildheit dennoch eine klare Linie zu verfolgen und gerade diese widersprüchlichen Gefühlsregungen beim Zuschauer zu nutzen, um ihre moralisch komplexen Geschichten zu erzählen. Joon-ho gebraucht die Genre-Sprünge zwischen liebenswertem Familienporträt, schräger Slapstickkomödie, absurdem Monsterfilm und rasantem Actionthriller aber, um den Zuschauer vornehmlich zu unterhalten, und zugleich auch zu belehren über den negativen Einfluss westlicher Mächte und der Paranoia, die oft nur von der Regierung geschürt wird, um das Volk unmündig und in Angst zu halten. Diese Kritik aber ist nicht effizient genug in die Handlung eingebunden, um den narrativen Vorwärtsdrang nicht zum Stocken zu bringen. Somit finden sich hier neben gelungenen bedächtigen (wenn die Familie zusammen isst und sich alle das abwesende Mitglied vorstellen) bzw. amüsanten Szenen (die groteske Trauerszene, die in Slapstick ausartet) auch viele Längen, auf die man hätte verzichten können. So fluktuiert
The Host unstimmig zwischen seinen an sich gelungenen Komponenten (die Besetzung schräger Charakterköpfe eingeschlossen) ohne eine eigene, zufrieden stellende Stimme zu finden, die den Film zu mehr hätte machen können als die Summer seiner Einzelteile. So ist dieser mal wilde, mal träge Genre-Cocktail eine ebenso viel versprechende wie maue Eintrittskarte ins südkoreanische Kino, das noch weit beeindruckendere Juwelen vorzuweisen hat. Man muss sie nur finden.