von Asokan Nirmalarajah
The Heartbreak Kid (2007) – auf den unsäglich einfallslosen deutschen Titel
Nach 7 Tagen ausgeflittert wollen wir uns hier gar nicht erst einlassen – lässt sich auf zweierlei Art goutieren. Zum einen kehren die Regisseure Peter und Bobby Farrelly nach der harmlosen Baseball-Liebeskomödie
Fever Pitch (2005; dt. Titel:
Ein Mann für eine Saison) in ihr gewohntes Genre-Terrain der
Gross-Out-Comedy zurück, in der sich böser Ekelhumor mit sentimentalen Beziehungsnöten trifft. Und zum anderen fahren die Brüder weiter fort, ihren umstrittenen, aber meiner Meinung nach berechtigten Auteur-Status einzubüßen, indem sie aus kommerzieller Rücksicht auf die persönlicheren Themen und den selbstreflexiven Diskurs ihrer wohl wagemutigsten Filme hier wieder verzichten. Denn obwohl
The Heartbreak Kid, das gefällige Remake einer hierzulande kaum bekannten, gleichnamigen Komödie aus den 70ern (dt. Titel:
Pferdewechsel in der Hochzeitsnacht), mit seinem überdrehten Slapstick- und abstoßenden Fäkalhumor nahtlos an das Erfolgskonzept ihrer erfolgreichsten Komödie
There’s Something About Mary (1998; dt. Titel:
Verrückt nach Mary) anknüpft, kann dieser in Amerika regelrecht verrissene und weitestgehend ignorierte Film weder die humoristischen Höhen ih
rer witzigsten Arbeiten erklimmen, noch zu der emotionalen Tiefe ihrer meist unterschätzten Filme finden. Vor allem aber vermag
The Heartbreak Kid nicht an den mal prägnanten, mal versteckten, aber stets relevanten und klugen Diskurs der Farrellys über die prekäre Darstellung körperlich und geistig abnormer Menschen im Film anknüpfen.
Stattdessen gibt sich diese überlange, aber doch recht amüsante Komödie damit zufrieden, die gängigen Erfahrungen und Vorurteile ihres Publikums zu bestärken, statt mit ihnen zu spielen und sie zu subvertieren, so wie es die mutigsten und cleversten Filme aus dem Farrelly-Kanon oftmals versuchen. Während sich
Shallow Hal (2001; dt. Titel:
Schwer verliebt) und
Stuck on You (2003; dt. Titel:
Unzertrennlich) für die Akzeptanz eigener körperlicher Widrigkeiten und von körperlich behinderten Menschen aussprachen, warben selbst schwächere Filme wie
Me, Myself & Irene (2000; dt. Titel:
Ich, Beide & Sie) und
Dumb and Dumber (1994; dt. Titel:
Dumm und dümmer) für mehr Toleranz abseits von Rassen-, Klassen-, Geschlechts- oder sonstigen soziokulturellen Grenzen. Von all dem ist aber in dem hohlen Filmkonfekt
The Heartbreak Kid ebenso wenig zu finden wie in ihrem letzten Film
Fever Pitch, der zudem noch die typisch brachiale Komik ihrer Filme inmitten sympathischer Charakterzeichnung und harmlos konventioneller Narration vermissen ließ. Ihr neuester Kinofilm kehrt zwar zu ihrer bekannten Komik mitsamt narrativen Brüchen, Kehrtwendungen und Spielereien zurück, doch zu sonderlich erhellenden Beobachtungen über seine zentralen Themen, übereilte Ehebündnisse und wahre Liebe, findet er selten.
In ein solches gefürchtetes Bündnis flüchtet hier der bereits ergraute Single Eddie (Ben Stiller), der dem unsinnigen Rat seines unmöglich vulgären Vaters Doc (Jerry Stiller), eines notorischen Schwerenöters, und seines besten Freundes Mac (Rob Corddry), eines scheinbar glücklich verheirateten Familienvaters, folgt und trotz großer eigener Bedenken seiner neuen Freundin Lila (Malin Akerman) nach nur sechs Wochen Beziehung einen Heiratsantrag macht. In den Flitterwochen entpuppt sich die schöne Lila allerdings als ein regelrechter Alptraum: nervend, unterbelichtet, arbeitslos, kindisch, mit übertriebenem Sexhunger, früher mal Drogenjunkie, und voller weiterer Makel, die Eddie zusehends verschrecken. Doch während Lila bald einen Sonnenbrand im Hotelzimmer auszukurieren hat, verliebt sich Eddie in die hübsche Miranda (Michelle Monaghan), die mit ihrer ulkigen Sippe im gleichen mexikanischen Ferienressort Urlaub macht. Doch wie soll er die neuen Gefühle für eine andere Frau seiner hysterischen Frischvermählten beibringen?
Die konzeptionelle und humoristische Nähe von
The Heartbreak Kid zu dem superben Gross-Out-Comedy-Klassiker
There’s Something About Mary ist kaum als Zufall zu bezeichnen. Hier wie dort schicken die Farrelly-Brüder den hier trotz ergrauten Haaren noch recht putzigen Ben Stiller als liebenswerten Depp durch eine Serie erniedrigender Szenarien, in der diesmal nicht seine Männlichkeit durch Reißverschlüsse oder Hundebisse zu leiden hat, sondern er neben vielen sozialen Peinlichkeiten (so z.B. am minderjährigen Single-Tisch bei der Hochzeitsfeier seiner Ex-Freundin zu sitzen) der vaginalen Urgewalt seiner schrillen Ehefrau ausgesetzt ist, die ihm zur Klette wird. Eddie wird auch von nahezu jedem im Film wiederholt der Leichtgläubigkeit überführt, wie eins Ted in
Verrückt nach Mary, wenn auch nicht ganz so amüsant. In der Tat hätte man
The Heartbreak Kid auch als Mary-loses Sequel zu Teds Geschichte bewerben können, denn so anders sind die Rollen Stillers in den zwei Farrelly-Filmen nicht. Und die genitale Obsession mit dem männlichen Glied in
Verrückt nach Mary wird hier mit einem vergleichbaren Interesse für das weibliche Geschlechtsorgan ersetzt, das auch eine ähnlich atemberaubende Nahaufnahme erhält.
Es gehört aber zu den großen Schwächen des Films, dass hier auf die immer schon vorhandene Sympathie des Publikums für Ben Stillers wie immer souverän gespielte Paraderolle des stets peinlich berührten, aber hoffnungslos romantischen Trottels gesetzt wird. Statt eine plausible Charakterzeichnung des unscheinbaren Eddies vorzulegen, die seine doch bedenklichen Taten gegenüber seiner Ehefrau erklären würden, wird letztere einfach zu einem derart irrealen Grad dämonisiert, dass Eddie scheinbar keine Wahl hat, als sie für Miranda zu verlassen. Diese darf dann den typischen, diesmal brünetten Kumpeltyp verkörpern, von dem die Farrellys nahezu immer in ihren Filmen schwärmen. So energisch und lebendig aber beide Schauspielerinnen auch spielen, weder Akerman, noch Monaghan können diese Stereotypen zu rechtem Leben erwecken. Besser ergeht es da den Männer: während der ulkige Jerry Stiller als kauziger Vater seines realen Sohnes Ben dann und wieder eine Szene kassiert, dürfen der weniger bekannte TV-Komiker Rob Corddry in einer Nebenrolle als nervöser Ehemann, das originelle Idependent-Film-Gesicht Danny R. McBride als Mirandas mißmutiger Cousin und der populäre US-Stand-Up-Komiker Carlos Mencia als aberwitziger Ressortleiter mit den besten Momenten des Films punkten.
The Heartbreak Kid wirkt wie eine moderate Auftragsarbeit der Farrelly-Brüder, um ihre Geldgeber bei Laune zu halten. Denn neue filmische Ufer betreten sie hier leider nicht. So bleibt wohl abzuwarten, ob diese zwei Stunden solider Gross-Out-Romantic-Comedy als ein weiteres, notwendiges Zugeständnis an die Hollywood-Maschinerie zu werten ist – wenn die Farrellys es endlich fertig bringen würden, ihr seit Jahren geplantes Projekt, einen Film über die einst populäre US-Komikertruppe
The Three Stooges, zu verwirklichen –, oder als ein etwas verzweifelter Versuch, ihr Zielpublikum weiterhin bei Laune zu halten. Immerhin kriegen sie das, trotz der Meinung vieler anderer, doch recht passabel hin.